Kismarck und die Iudenenmn ; ipaiion . Bon Dr . jur . Morih d e Ion ge , Köln . C3ci ) tllfj . ) ( NcichLru ^ ne,boten . ) In den ( Der und 70er Jahren sehen wir unter dem Bismarckschen Regime die Inden in Preußen wie eine siegreiche Armee mit fliegenden Fahnen und klingendem Spiel auf der ganzen Linie var - riicfcu in ihrein gerechten Kampf für die . Eman¬ zipation . die veile Gleichberechtigung ! In den 7Oer Jahren z . B . gab es zahlreiche jüdische Re¬ serve Offiziere in P r e u ß e n , eine heute unmögliche und fast romantisch erscheinende Figur . Glicht nur jüdische Kreis - und Friedensrichter durften dem preußischen Staat Mcm ' ii innd auch das bedeutete damals , lvo es noch nicht wie heilte ganze jüdische Juristenfamilieu gab , son¬ dern die iibrige Familie des betreffenden Richters noch fast durchweg dem Handelsstande angehörte , einen rveit größeren „ enmnzipationsrechtlichen Wertfaktor " , als die heutigen zahlreichen jüdischen Amts - und Landrichter ) ; auch jüdische Beamte bei den höchsten Behörden gab es ! Bismarck selbst stellte z . B . Anfang der 70er Jahre beu Juden Wilhelm Cahn Zeinen hervorragend tüch¬ tigen Juristen , der n . a . zllerst das Staatsange - hörigkeitsgeseh von 1870 wissenschaftlich bear¬ beitete ) als Vortragende ) ! in der handels¬ politischen Abteilung des Auswärtigen Amtes an . Und besonders charakteristisch ist , daß unter Bismarck eine Reihe von Inden ordentliche Universitätsprofessoren in Preußen wurden , was nun seit 80 Jahren nicht mehr erlebt wurde ! Im Jahre 70 wurde der Mediziner Jaffa ordent¬ licher Professor in Königsberg ; im Jahre 71 der Botaniker Cohn in Breslau ; im Jahre 73 der Jurist Behrendt ordentlicher Professor für deutsches Recht in Greifswald ; im Jahre 75 Levin Goldschmidt , einer der größten Juristen des 19 . Jahrhunderts , ordentlicher Professor des Handelsrechts in Berlin ; im Jahre 76 Hermann Cohen , der jeßt noch lebt und wirkt , ordentlicher Professor der Philosophie in Marburg . Aenßerst lehrreich für den damals herrschenden Geist ist ein Fall , der nie offiziell bekannt wurde , über den ich Ende der 90er Jahre ans den Kreisen des Kultusministeriums informiert wurde und den ich heute ohne Indiskretion lnittctleii kann . Unser jüdischer Rationalhistoriker Heinrich Graß sollte 1870 ordentlicher Professor in der philo¬ sophischen Fakultät in Breslau werden . Die Akten wurden dev ) alten Kaiser Wilhelm l . vor¬ gelegt , der als König die ordentlichen Professoren selbst zn ernennen hatte ( bic außerordentlichen er¬ nennt der Kultusminister kraft Delegation ) . Das war aber dem alten Herren , der — noch im 18 . Jahrhundert geboren — bei all seiner sonstigen Vornehmheit sein ganzes Leben lang nicht ganz frei von milden antisemitischen Regungen blieb , ( aber wie gerechterweise betont werden muß . ebenso wie der junge Bismarck ledig . ich infolge religiöser Vorurteile ) doch zn viel ? Cm jüdischer Theologe ( ! ) „ ordentlicher Professor " an einer königlichen alt preußischen Universitär ! Und er korrigierte das Aktenstück höchsteigen - « händig und schrieb an den Rand zn dem Wort „ ordentlich " mit seiner klaren einfachen Soldateu - handschrist den Zusatz „ außer " . Und so wurde Grätz nur „ außerordentlicher " Professor . Aber Bismarcks Wunsch wäre es gewesen , den Ge¬ lehrten als ordentlichen preußischen Umversitäts - Professor und gleichberechtigten Kollegen neben Männern lvie Gneist oder HelmhoU ; zn sehen ! — Und wenn Bismarck seine Wünsche hätte erfüllen können , wäre in Preußen in den 7Oer Jahrcm ein Jude Minister geworden ! Und das war Laster , einer der Führer der nationallibe - ralen Partei im Reichstag in den TUcr Jahren . Im Jahre 1877 , als die nationalliberale Partei den Höhepunkt ihrer Macht und ihrer politischen Geltung im Volk uttb im Parlament , in Preußen und im Reich erreicht hatte , erwog Bismarck lange und ernstlich die Ausnahme einiger national - liberaler Parteiführer ins Ministerium . ( Es war eine ähnliche Strömung wie die der Bülow ' schen Blockpolitik 1907 — 1909 . ) Die Verhandlungen , die er niit Bennigsen , den ) offiziellen Führer der Partei , im Winter pflog , scheiterten schließlich , ivahrscheinlich weil die Bedingungen , oie die Partei stellte , Bismarck doch zn liberal waren . Die historische Tatsache aber bleibt , daß diese Minister¬ kombination bestanden und Bismarck für das Ministerinm des Inneren Bennigsen und Laster entrveder für die Fillanzen oder für die Justiz ernstlich in Aussicht genommen hatte . Eine bekannte Anekdote aus jener Zeit deleuchtet die Situation , wie sie ivar . Ans der einen Seite der große Staatsmann , der zwar Bedenken trug , zn weitgehende liberale Konzessionen zn machen , aber den I u d c n L a s k e r restlos und vor¬ behaltlos auf dem Fuße der Gleichberechtigung behandelte : ans der andern Seite der Jude , der von seinem Progranun nicht iveichen wollte . Bismarck unterhält sich bei einer privaten Be¬ gegnung mit Laster , der von Beruf Rechtsan¬ walt war , lange und sagt schließlich . „ Ich wette , Herr Doktor , nur werden doch noch einmal Kollegen ! " , worauf Laster , um seine Zweifel am Gelingen derMinisrerkombinatü - n nnzudeuten , mit der sarkastischen Frage antwortete : „ Sollten Durchlaucht die Absicht haben , ) ) \ echtsanwalt zn werden ? " — Rur nebenbei sei noch der Be¬ ziehung Bismarcks zn Bleichröder gedacht , den er wahrlich nicht bloß als Leib und Hosjuden behandelte , sondern fast als einen Freund , dem man auch politischen Einfluß einrämnt . Bekannt |