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Franz Delitzsch: Ueber die Prophetie Habakuk's.

Eine, andere, die Lüge an der Stirn tragende Sage../ die neuerlich an David Deutsch, dem Vers, eines hebräischen Commcntars (B'i'ur) zu Habakuk (Breslau 1837), einen Ver- theidiger gefunden hat, ist die, daß Habakuk der Sohn der Sunamitin sei, den Elisa als plötzlich verstorbenen Knaben vom Lode erweckte (2 Kön. 4, 8 ff..). Eine ähnliche-Sage über den Propheten Jona, den angeblich von Elia wiederer­weckten Sohn der Wirtwe zu Zarfat, ist in der Lhat syna- gogal-kirchliche Ueberlieferung; aber die nachgebildete über Habakuk ist nichts als ein etymologischer Midrasch (aus 2 Kön. 4, 16. npnnV-.fite den sich, so viel ich weiß, keine ältere Quelle, als der Sohar, aufweisen und somit der Name einer geschichtlichen Ueberlieferung gar nicht in Anspruch neh­men läßt.

Völlig unbekannt sind die Quellen der von Dorotheas und Epiphanius in ihren Schriften über das Leben und Lebensende der Propheten gegebenen Notizen, daß Habakuk, aus dem Stamme Simeon, zu (Sozomenus:

XacpcLQ Za%aQict, talmudisch: jo-p-j geboren sei, daß er, als Nebukadnezar.gen Jerusalem kam, sich nach Ostra- kine, einem Flecken aus dem ägyptischen, in der Nähe des peträischenArabiens gelegenen, jetzt Ras Straki genannten Vorgebirge geflüchtet habe, und daß er zwei Jahre vor der Rückkehr des Volkes aus Babylon gestorben und auf heimath- lichem Boden begraben worden sei. Zur Zeit des Eusebius und Hieronymus zeigte man die Grabstätte des Prophe­ten zwischen Keila und Gabatha; im Mittelalter nach jüdischen Berichten und auch noch neuerdings zu Jakuk, dem alten Chukkok, zwei Stunden südwestlich von Safet.

§ 2 .

M ei n u n g e n d e r A l t e n.

Von der synagogal-kirchlichen Legende, die sich selber keine Rechenschaft giebt und nur die sich selbst unklare Anschauung des Alterthums abspiegelt, sind die von alten jüdischen und christlichen Geschichtsschreibern aufgestellten Meinungen wohl zu unterscheiden, welche, mehr oder weniger unabhängig von der Ueberlieferung, mit Rücksicht auf die Stellung des Pro­pheten im Kanon und den Pragmatismus der israelitischen Geschichte sich gebildet haben. Das älteste jüdische Chroniken, welches uns. über das Zeitalter Habakuk's einige Auskunft giebt, ist das frühestens im 8. Jahrh. vollendete 8 e d e r 01 a m suta*. Diesem zufolge weissagten Joel, Nahum und Habakuk unter Manasse, und die Gottlosigkeit dieses Königs soll der Grund sein, daß er nicht in den Ueberschriften ihrer Pro- phetieen genannt ist * * * 4 ). Neuere jüdische Historiker aus dem

Apokryphon in so weit Glauben schenke, den prophetischen Charakter Habakuk's annullire: Aut enim recipit, e,t jam post lactam rem Habacuc texitur, aut vero non recipit et quasi propJveta scribit,

quae Ventura agnoscit (Praef. ad Habac. ad

Chromat. Episc.).

4) Dieser Ansicht, daß Habakuk unter Manasse geweissagt habe, treten die älteren jüdischen Exegeten (Alschech, Abra-

16. und 17. Jahrh., wie Abraham Zacuto (pvNp 'd), Gedatja Jechija (rtapn tbühw) und David Gans (NN HDä) fügen hinzu, daß Habakuk den Nahum oder (nach Abravanel) mit Nahum den Micha zum Lehrer gehabt habe. Unter den Vätern der Kirche versetzt ihn Clemens Alex, in dem seinen Ztgoo^avslg einverwebten israelitischen Ge­schichtsabriß in die Regierungszeit des Zidkia, das bis zum 20. I. des Heraklius reichende Paschalion weis't ihm den Zeitraum von Josia bis zum Anfang der Regierung des Cyrus an, nur Georgius Syncellus setzt ihn bis zu Manasse hinauf und zugleich bis auf den Hohenpriester Josua ben-Jehozadak, d. i., in die Zeit des Cyrus hinunter. Alles zusammen sind Hypothesen, mit.zuversicht­licher Keckheit, ohne Angabe auch.nur eines einzigen Grundes, ausgesprochen. Die späteren Schriftsteller wiederholten sie (wie z. B. Davides Scholiastes die Meinung des Cle­mens), jedoch, wie sich nicht anders erwarten läßt, ohne alle wissenschaftliche Begründung. Am bescheidensten spricht Au­gustinus (De civit. Dei XVUI, 13.) sich aus:Tres prophetae de miiiQnbus A-bdias, Naum et Abacuc. nee sua tempora dieimt ipsi, nee in Chronicis Eusebii et Hie-roymi, quando prophetaverint, invenitur. Das Apokryphon vom Bel und Drachen muß ihm also nicht als kompetentes historisches Zeugniß gegolten haben, wie Lud. V i v e s richtig bemerkt.

§. 3 .

Ansichten der nachref. älteren Theologen.

Die vorurtheilsfreie, gründliche Forschung nach dem Zeit­alter der Propheten und ihrer Weissagungen begann erst nach der Reformation, welche die Mutter, wie der wissenschaftlichen Exegese, so namentlich der biblischen Jsagogik wurde. Aber in der Frage nach der Abfassungszeit der Prophetie Habakuk's kam es unter den bibelgtaubigen Theologen der nachresorma- torischen Zeit zu keiner übereinstimmigen Lösung, nicht ein­mal, weil die Anregung fehlte, zu einer allseitigen Discussion der Gründe und Gegengründe für die eine oder andere An­sicht. In Bestimmung des terminus aquo berücksich­tigte man die Ueberlieferungz der terminus ad quem war dadurch gegeben, daß man den biblischen Begriff der Weissagung fesihielt und dieselbe weder in eine verständige Combination noch in eine illusorische Dichtungsform post' eventum abstumpste. Somit war die Sphäre abgegrenzt, in der man sich, bewahrt vor barocken Einfällen, wie sie später zu Tage kamen, bewegte. Einige traten der Angabe des 8eder 01 am bei, und setzten die Abfassung der Prophetie Habakuk's unter Manasse. So Herrn. YVitsius in den Miscellaneen, Franc. Buddeus in der Historia ec- clesiastica V. T., Jo. Gottl.'Carpzov in der 1 n- troductio s ). Andere, durch den Inhalt des Buches be-

vanel rc.) bei, wenn sie nicht, wie Jbn-Ezra, ihr Urtheil völlig zurückhalten.

5) Ebenso Iluetius (Demonstr. Ev.), Wolf (Bibi. Hebr. II. p. 182.) u. A.