Die Mecklenburgischen Juden um 1750.
Von Otto Neumann, Berlin-Wilmersdorf.
Bei den Arbeiten zur Aufstellung der?'Stammtafel meiner Familie, es liegt das etwa 25 Jahre zurück, wurde ich seitens des damaligen Großherzogl. Geheimen und Haupt-Archivs in Schwerin in der entgegenkommendsten Weise unterstützt. Auf alle Anfragen erhielt ich ausführlichste Auskunft und von jeder gewünschten Urkunde wurden mir Abschriften 'gegen eine geringe Schreibgebühr zur Verfügung gestellt.
Unter diesen Urkunden befindet sich auch eine Steuerliste aus dem Jahre 1760. Der Titel lautet:
Auszug
aller privilegierten Inden und
was selbige laut der, mittels herzogl. Verordnung vom 20. Septbr. 1760 Communicirten Specification An Schutz-Geld Zur Herzogl. Renterci von Anno 1749 dis zum Termins Trinitatis 1760 bezahlet haben, und darauf nach insinuation gedachter Specification, nemlich den 1. Oktober 1760 Restiren.
In der Liste, die also bis auf 1749 zurückgeht, sind die Zahlungen der Steuerbeträge nach den Steuerjahren 1749/50—1759/60 bzw. die Restanten einzeln aufgeführt. Weiter weist die Liste das Datum des Privilegiums der Steuerzahler auf. Dieses Datum, das von Wichtigkeit für die Familienforschung ist, habe ich den Namen beigefügt, ebenso als Fußnote Bemerkungen, die von Interesse sind.
An Steuern zahlten die Juden 12 Taler, nur in wenigen Fällen (9) beträgt die Steuer 6 Taler. In einem einzigen Fall (siehe u.) heißt es: der Aufenthalt und ein kleiner Handel ohne Abgabe verstattet.
Wenn man den damaligen Wert des Geldes berücksichtigt und ferner, daß das Privilegium in den weitaus meisten Fällen nur den Hausierhandel auf dem Lande gestattete, so waren 12 Taler für diese armen Hausierer schon eine ansehnliche Belastung. Die Liste weist deshalb auch eine ganze Zahl von Restanten auf.
Aber man muß sagen, daß die Juden in Mecklenburg, wenn sie dieses Schutzgeld zahlten, seitens der Landesregierung auch stets vollauf in Schutz genommen sind. Sie haben sich im Lande stets wohl gefühlt.
Nach der Emanzipation, besonders aber von Mitte des vorigen Jahrhunderts an, setzt ein allgemeiner wirtschaftlicher Aufschwung der jüdischen Bevölkerung ein. Es gab schließlich im Lande kaum eine jüdische Familie, die in ärmlichen Verhältnissen lebte.
Dabei hatte bei gutem und engem Zusammenleben mit der christlichen Bevölkerung eine starke Anlehnung an Art und Gepflogenheit derselben stattgefunden. Das spezifisch jüdische Leben ging dabei fast ganz verloren, mehr noch, als anderswo.
Die Einwanderung hielt während der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts an. Die 60er Jahre weisen die Höchstziffer der jüdischen Bevölkerung auf. Dann, besonders im letzten Viertel des Jahrhunderts, setzt, wie überall, die Abwanderung aus den kleinen Gemeinden ein. Heute sind diese größtenteils verödet.
Nach dem naheliegenden Hamburg hatte schon stets, auch in früherer Zeit jedenfalls in Verbindung mit geschäftlichem Verkehr, ein Abwandern stattgefunden. Viele Hamburger Familien führen ihren Ursprung auf Mecklenburg zurück.
Ich habe nun noch versucht, zwischen der Steuerliste von 1750/60 und den Protokollen betreffend Annahme der Familiennamen im Jahre 1812 einen Konnex zu finden.
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