Für unsere Betrachtung von besonderer Bedeutung ist nun, daß die Blutgruppen, wie zuerst der Warschauer Forscher L. Hirszfeld mit seiner Frau Hanna gesunden Hat, bei verschiedenen Völkern in ungleicher Häufigkeit auftreten. Man findet also zwar alle vier Blutgruppen auf der ganzen Erde, aber beispielsweise ist die Blutgruppe A in Europa viel häufiger als etwa in Indien.
Man hat sich nun sehr bemüht, eine Gesetzmäßigkeit in der geographischen Verbreitung der einzelnen Blutelemente,festzustellen, und ähnlich wie man seit vielen Jahrzehnten die Verbreituug der Schädelformen und etwa der Haar- und Augensarbe auf der ganzen Erde zu ermitteln gesucht hat, so hat man nunmehr auch einen „Blutindex" berechnet.
Es sind bisher etwa 100000 Menschen aus den verschiedensten Ländern untersucht worden. Diese Zahl erscheint zunächst enorm, und sie ist es auch, was den Aufwand an technischer Untersuchungsarbeit betrifft, sie ist aber noch klein, gemessen an den 1800 Millionen Menschen, die schätzungsweise die Erde bewohnen. Die bisherigen Beobachtungen geben uns nur einen Ausschnitt, der kein ganz zuverlässiges Bild der wirklichen Verteilung sein muß.
Immerhin zeigen sich gewisse Zusammenhänge, und zwar besonders deutlich dann, wenn man-die Verteilung der Blutgruppen graphisch darstellt, wie das sehr anschaulich vor kurzem der finnische Forscher Streng in einer „Völkerkarte" getan hat. Diese „Völkerkarte" ist nicht eine Landkarte, in die die Blutgruppenverteilung bei den einzelnen Völkern eingetragen ist, sondern es sind auf einem weißen Blatt Papier nach mathematischer Berechnung Blutgruppenwerte aller bisher untersuchten Völker und Volksgruppen eingezeichnet. Nach dem Prinzip der Darstellungsart von Streng stehen die eingezeichneten Völker um so näher beieinander, je mehr die Blutgruppenwerte übereinstimmen. Leider muß ich aus Raumgründen darauf verzichten, diese Karte hier wiederzugeben. Man sieht auf ihr mit einem Blick, daß sich hier in einem Bezirk die Angehörigen der weißen Rasse, in einem anderen die gelbe, wieder in einem anderen die schwarze Rasse findet. Daß nicht einfach klimatische Verhältnisse ausschlaggebend sind, sieht man z. B. daran, daß afrikanische und amerikanische Neger ganz nahe beieinander ihren Platz haben. Innerhalb der einzelnen Bezirke sieht man noch Unterschiede, beispielsweise Chinesen und Japaner verhalten sich nicht ganz gleichartig, und auch in Europa ergeben sich teils Abstände teils aber auch deutliche Zusammenhänge zwischen den einzelnen untersuchten Menschengruppen.
- Die Bewohner Südosteuropas z. B. stimmen unter sich mehr überein als mit den West- oder Nordeuropäern, und in Deutschland bestehen Unterschiede zwischen dem Osten und Westen.
Was wissen wir nun über die Blutmerkmale der Juden?
Wo haben sie ihren Platz in der „Völkerkarte?"
Wir haben noch nicht sehr viel Daten über die Blutgruppen der Juden, wir besitzen nur einige Angaben über Juden aus Deutschland, Polen und dem Balkan, im ganzen gegen 1700 Personen. Wir können uns also nur vorläufig orientieren.
Wir finden, daß die einzelnen jüdischen Gruppen im allgemeinen ihren Platz in nächster Nähe der nichtjüdischen Bewohner des gleichen Landes haben. Das gilt insbesondere für die in Berlin und in Polen untersuchten Juden. Die Juden des Balkan haben von diesen etwas abweichende Werte wie wir sie ähnlich auch bei Nichtjuden vom Balkan und sonst aus Osteuropa kennen.
Man wird sich hüten müssen, aus solchen Feststellungen allzu weitgehende Schlußfolgerungen zu ziehen. Man wird z. B. nicht sagen dürfen, daß die völlige physische
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