Die Bedeutung der Raffenhygiene für die jüdische
Familie.
Von Rafael Becker, Warschau-Otwock.
Vom Standpunkte der modernen Wissenschaft ist es gewiß ungenügend, nur die Kinderpflege,und die Kindererziehung als die einzige Form der Rassenzüchtung und der Rassenverbesserung zu betrachten. Obwohl diese beiden Momente — die richtige Kinderpflege und die sachverständige Kindererziehung — ungemein wichtig sind und sehr viel zur Gesundung des Geschlechtes wie im physischen so im psychischen Sinne beitragen können, sind sie doch angesichts der feststehenden Formen des vorhandenen Komplexes der Bedingungen und Möglichkeiten, welche der schon geborene menschliche Organismus mit sich bringt, nur sehr begrenzt imstande, jenen Komplex zu modellieren und zu verändern.
Auch die spezielle Versorgung und Pflege der schwangeren Mutter, obwohl sie auch zur Hebung des Gesundheitszustandes des neugeborenen Kindes unbedingt notwendig ist, genügt noch nicht. '
Um einen wirklich gesunden Nachwuchs zu erhalten und eine vollwertige Generation im physischen und psychischen Sinne zu schaffen, müssen wir noch weiter zurückgreifen. Wir müssen zurückgehen bis zur Zeugung. Noch mehr, die Hygiene des Kindes, wenn ich so sagen darf, soll schon vor der Zeugung beginnen, - denn mit dem Momente der Zeugung des Kindes wird seine physische und psychische Eigenart in ihrer Grundlage determiniert, und die beste Pflege während der Schwangerschaft und die vorzüglichste Behandlung und Erziehung des Kindes werden nicht imstande sein, die schon vorhandenen und im Keime vererbten Krankheiten zu beeinflussen.
Dies feststellend, treten wir dann auf das Gebiet der eigentlichen Rassenhygiene, oder wie es in der jetzigen Wissenschaft heißt, — das Gebiet der euge- nischen Entwicklung des menschlichen Geschlechtes, was auch das Ziel jeder Familienforschung ist.
Welche sind aber die Grundzüge der Eugenik, die uns Richtlinien zur Erziehung eines gesunden Geschlechtes geben? Unter Eugenik versteht man eine Wissenschaft, welche bestrebt ist, durch theoretische und praktische Maßnahmen die menschliche Rasse zu verbessern, es ist die Wissenschaft der „Rassenveredelung".
Die erste wissenschaftliche Begründung erfuhren diese Bestrebungen durch zwei große englische Naturforscher: Charles Darwin und Francis Galton. Der letztere hat auch das Wort „Eugenik" geprägt.
Und wenn Darwin in seinem Werke: „Ursprung der Arten" die Bedeutung der Vererbung hervorgehoben, so sprach Galton zum erstenmal aus, daß geistige und körperliche Eigenschaften vererbbar sind und daß die Menschheit durch die Vermählung hervorragend tüchtiger Frauen mit ebensolchen Männern ganz besonders veredelt werden könne.
Aufs deutlichste aber ist der Beweis von der Erblichkeit der Eigenschaften von dem Pater Gregor Mendel, der zugleich Botaniker war, erbracht worden. Seine Experimente mit der Kreuzung von Pflanzen, in welchen er die Erblichkeit von Eigenschaften direkt mathematisch erfassen konnte, sind nach beinahe 40 jähriger Vergessenheit vor 20 Jahren wiederum ans Licht gebracht worden und sind^ jetzt zur Grundlage der modernen Erbkunde geworden.
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