Universitätsgeschichte und jüdische Familien­forschung.

Von Guido Kisch, Halle a. d. S. (Schluß.)

III.

Die jüdischen Doktoren der Universität Frankfurt an-^der

Oder.

Wert und Wichtigkeit der universitätsgeschichtlichen Quellen für die jüdische Personen- und Familienforschung sollen an einem Beispiel deutlich gemacht werden, welches zugleich die Methodik für die wissenschaftliche Auf­schließung und Bereitstellung ähnlichen Urkundenmaterials zeigen will. Im folgenden gehe ich ein Verzeichnis sämtlicher Juden, die an der Universität Frankfurt an der Oder zu Doktoren promoviert worden sind. Es ist unabhängig von der früher erwähnten Liste der jüdischen Studenten angefertigt, die Louis Lewin aus den gedruckten Matrikeln ausgezogen und bearbeitet hat, bildet aber eine Ergänzung zu ihr, so daß nunmehr für die Geschichte des Studiums von Juden an der alma mater Viadrina, welche 1811 eingegangen ist und in der Breslauer Universität eine Fortsetzung gefunden hat, der ganze Quellenstoff gesammelt vorliegt.

Auf Befehl des Großen Kurfürsten, der bekanntlich in seiner Jugend in Holland den Geist religiöser Duldsamkeit kennen gelernt hatte und während seiner ganzen Regierung den Juden die toleranteste Behandlung zuteil werden ließ 19 ), wurden im Jahre 1678 zwei jüdische Jünglinge aus Polen, Gabriel Felix ben Moses, genannt Moschides, und Tobias Kohen, als Studierende der Medizin in Frankfurt immatrikuliert und von dem freigebigen Fürsten sogar, durch Stipendien unterstützt 20 ). Daß sie die ersten Juden waren, die hier studiert haben, ist von Lewin gegen alle Anzweiflungen überzeugend dargetan. worden 20 ). Die Feststellung des Datums der ersten Immatrikulationen und Promotionen von Juden ist nicht allein kulturhistorisch interessant, sondern darüber hinaus für personen- und familiengeschichtliche Nachforschungen von Wichtigkeit, indem man aus solchen Angaben sofort erkennen kann, ob nach der in Frage stehenden Lebens- oder Studienzeit eine Immatrikulation an der betreffenden Universität überhaupt als wahrscheinlich und möglich in Be­tracht kommt.

Wenn ein Jude in Preußen die Erlangung der Doktorwürde anstrebte, mußte bis zum Jahre 1784 für jeden einzelnen Fall die besondere Bewilligung des Königs durch das Oberkuratorium eingeholt werden. Auf welche Weise die Verpflichtung dazu und das königliche Recht, in der Form eines soge­nanntenKonzessionsreskripts nach Empfang der entsprechenden Gebühren die Promotionsgenehmigung zu erteilen, historisch entstanden und zu erklären

19 ) Vgl. Guido Kisch, Die Anfänge der jüdischen Gemeinde zu Halle, Jahrbuch der Historischen Kommission für Sachsen und AnhaltSachsen und Anhalt 4 (1928), S. 136 f. "j,

L. Lewin, an den oben -in Anm. 12 bezeichneten Stellen, die von Krauß, Geschichte der jüdischen Ärzte, S. 80 f. und Anm. 226, übersehen worden sind.

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