Nochmals: Die Frankfurter Judenstättigkeitsliste vom
Jahre 1802
Von Ada Heinemann, Frankfurt am Main.
Erich Klibansky veröffentlichte in den beiden ersten Jahrgängen dieser Mitteilungen (1924—1926) einen „Auszug der Stättigkeiten derer Juden und deren Weiber vom Jahr 1802“, den er im Frankfurter Stadtarchiv gefunden hatte und der mannigfache Rätsel aufgab. Daß er in einem städtischen Amt entstanden sein mußte, war klar, das bewies der Fundort und die unkorrekte Schreibung vieler Namen. Klibansky zweifelte nicht daran, daß die Liste den Bestand der jüdischen Gemeinde im Jahr 1802 widerspiegelte. Er wunderte sich daher, Namen von Personen darin zu finden, die nach Dietz’ „Stammbuch der Frankfurter Juden“ schon im 18. Jahrhundert gestorben sein sollten. Auch ich — in meiner Arbeit „Jüdische Frauennamen in Frankfurt a. M. zu Beginn der Emanzipation“ (Fft. Isr. Gemeindeblatt, Jahrg. 13, Nr. 6) — vertraute dem Datum 1802 und zog aus ihm und der Bezeichnung „Auszug“ Schlüsse, die sich jetzt als falsch erwiesen haben. Denn „woher“ ausgezogen ist inzwischen völlig geklärt und auch für das „wozu“ glaube ich die Veranlassung nachweisen zu können.
Bei Anfertigung seines Stammbaums fand nämlich Herr Dr. Fritz Ett- linger auf dem Frankfurter Stadtarchiv vier Judenstättigkeits- und Grundzinsbücher von 1697—1825, die ein vollständiges Verzeichnis aller Häuser der Judengasse und aller ihrer dm 18. Jahrhundert Stättigkeitsgebühr zahlenden Bewohner enthalten (vgl. Dietz S. 403, Nr. 13). Im Auszug von 1802 sind nun unter der Rubrik „Pagina“ Seitenzahlen angegeben, die völlig mit denen im letzten dieser Bücher übereinstimmert. Die Liste heißt deshalb „Auszug“, weil nur die Namen derjenigen Personen aufgenommen sind, deren Konten 1802 noch offen standen. Es gab ja im 18. Jahrhundert noch keine gesetzliche Zivilstandsbuchführung, daher konnte jemand längst gestorben sein und trotzdem das Konto noch offen stehn, weil fast immer die Witwe und in vielen Fällen die Kinder ein Interesse daran hatten, das vom Mann oder Vater betriebene Geschäft unter seinem Namen noch eine Zeitlang fortzuführen. Auch gab es keinen Meldezwang bei Sterbefällen. Das Konto blieb also oft noch Jahrzehnte lang offen, biis eine gelegentliche Aussage des Schulklöpfers dazu führte, es mit der Bemerkung durchzustreichen: „gestorben und cassirt“. Kein Wunder, daß der Auszug von 1802 z. T. noch Personen enthält, die schon vor der Mitte des 18. Jahrhunderts gestorben waren.
Somit wäre also die Herkunft der Liste völlig geklärt. Was aber war der Anlaß zu ihrer Herstellung? Auch diese Frage glaube ich jetzt beantworten zu können; ein glücklicher Zufall spielte mir einen Rechneibericht von 1802 (Ugb. D33 Nr: 116, Tom I [8]) in die Hahd 1 . Damals galten noch immer die alten Bestimmungen der Stättigkeitsordnung von 1616, wonach jährlich nicht mehr als 12 jüdischen Paaren zu heiraten erlaubt war und worunter nur bei 6 Paaren ein Teil fremd, d. h. von auswärts, sein durfte. Unter gar keinen Umständen sollte die Zahl der Fremden — man fürchtete vor 'allem den Zuzug von Armen — erhöht werden. Das führte zu vielerlei Mißhelligkeiten, und das Rechneiamt soll sich nun über die tatsächlichen Verhältnisse äußern. Zu diesem Zweck muß es natürlich erst