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ger geistreich auSgeführte Consequen; dieser Systems auf De« tailfrugen fiudst man hauptstchlich iS de« Orga» dieser Schale, der v. g. Geigerichen Zeitschrift.

/ Ich muß mir die Kritik dieses, wie gesagt, noch Herr- schenden Systems für das nächste Kapitel Vorbehalten. Hier »s ich nur den historischen Faden verfolge, fragt eS sich, ob in den später» Erscheinungen im Iudenthume, ein wesentlich »euer Standpunkt erobert worden ist?

Dir praktischen Versuche, die auf die noch nicht abge- schloffenen Bestrebungen der historischm Schule folgten, sind der Frankfurter und der Berliner Reformverein.

Sind diese Versuche über ihre Voraussetzungen hinaus» gegangen, ist in ihnen ein theoretischer oder rin praktischer Fortschritt sichtbar?

Der Frankfurter Reformverein begann damit den bisher VSN dm Theologe» noch furchtsam vechülltery ivenn nuch ge» kaunten Widerspruch jwischen ״Lehre und Leben", zwischen der geltenden religiösen Norm und dem praktischen Verhak- len» zwischen dem wahrhaften-philosophischen Zeitbewußtsein »nd den bornirten alten Vorstellungen, zu denen man sich «och äußerlich bekennen muß in seiner schneidenden Schärfe aufzudrcken. Er stellte den MvsaiSmuS, d. h. den sittliche« Faktor desselben als ein der Fortbildung fähiges und unter» worfeneS absolutes Element auf; sagte sich aber ohne Clau- sei vom ganzen Talmud und von dem MeffiaSdogma lvS.

Hierin lag ein großer theoretischer Fortschritt, aber kein praktischer. Insofern als der Frankfurter Reformverein dem Talmud unbedingt die Autorität aufkündigte, und das politische Dogma von dem Messias in die Brüche warf, schnitt er die ganze vermeintliche Entwickelung des Iudenthumö seit seiner politischen Vernichtung energisch durch, und knüpfte bei den Anfängen der religiösen Idee an. Das war durchaus ״un» historisch" i« Sinne der historischen Schule, "die darum die» sen Schritt desavouirte; aber nichts desto weniger war rS «in Fortschritt. Man wollt« nichts von einer Entwickelung wissen, die auf solche Irrwege geführt hatte; man wollte vielmehr daS schöpferische sittliche Prinzip- des Iudenthums von allen seinen historischen Hüllen befrei», einen ganz neuen voranssetzungSlosen Prozeß beginnen lassen. Darin lag ein theoretischer Much, eine Energie, vor der die historische Schule erschrecken mußte. ׳Fiel ja damit ihr ganzes System über dm Haufen.

War hierdurch aber auch ein praktischer Fortschritt ge» «onnen, war hierin -der Anfang einer Realisirung der Reli» gion zur allgemeine« Freiheit gegeben? Nein, daran fehlte eS! Ich kann hier wiederholen, was ich bei ein«

andern Gelegenheit *) über diesen Gegenstand sagte: Jbit Frankfurter Erklärung war ein« bloße Erpekwratio» de« «Ü, giösen Bewußtseins, daS a»< seinem Zwiespalt himmstwnwen wollte, dadurch, daß eS chn aufdeckte; eS glaubte sich damit begnügen zu können, wenn die Subjektivität sich Lust machte durch eine heilsame krittsche Ausscheidung stockiger Elemente. Dadurch war aber nur dem Individuum geholfen, nicht der Gesammtheit. Der Einzelne, der sich von dem unsittlichen Dualismus zwischen ״Lehre und Leben" befreit hatte, war vor sich gerechtfertigt, aber nich» vor der Allgemeinheit; so kam immer als Facit eine Menge steier Einheiten heraus, aber keine einheitliche freie Gemeinde. Man hatte mit einem Worte erst ein Schiboleth, aber noch keine positive Form der Vereinbarung." DaS war das Gebrechm, an dem dieser kühne Versuch der Befreiung scheiterte. Es fehlte ihm das constituirende Prinzip, die organifirende Idee, dir allein zum letzten Ziel aller religiösen Bewegung führ«, zur praktischen Grmrinfreiheit. Das populäre Bewußtsein und seine wissenschaftliche Vertreterin, die historische Schule, fühlten die« sen Manges gleichfalls lebhaft; aber sie drückten ihn in ihrer Sprache anders auS. Man sagte allgemein, der Reform- verein negire bloß ohne etwas Positives aufzustellen. DaS ist freilich ungeschickt und unverständig genug gesprvchm, denn aus der Negation der Unsteiheit bricht die Fülle der Freiheit als die reichste Positt'on hervor. Aber wie gesagt, ״eS fehlte leider nur das geistige Band" um mit Mephistopheles zu reden.

Bei dem Berliner Reformverein, der um einige Jahre später als der Frankfurter in'S Leben trat, begegnen wir fast der umgekehrten Erscheinung. Hier war kein theoretischer wohl aber ein prakn'scher Fortschritt sichtbar.

Der Berliner Reformverein stellte sich ganz auf den Boden der historischen Schule. Auch er ging aus dem drü- ckendcn Bewußtsein des Widerspruchs zwischen der inner» Ueberzeugung des gebildeten Israeliten und den ererbten Vorschriften und Formen, die noch ihre Geltung behaupten. Er will festhalten an dem Geist der heiligen Schrift, den er als Zeugniß göttlicher Offenbarung anerkennt aber er will nicht mehr'״der Zwingherrschaft deS tobten Buchstabens unterworfen sein, nicht mehr Gebote beobachte«, die keinen geistigen Gehalt in ihm haben;" und schließlich, er will nicht mehr den geltenden religiösen Eoder als unveränderliche« Ge» setzbuch anerkennen. Also eS ist ihm hauptsächlich um eine Mvdificativn, um eine freie Fortbildung des in der Erstar» rung liegenden jüdisch-talmudischen ReligionSweseuS zu chu»;

') Itrael. d. Ivten Jahrh. Herautg. von De. M. Hetz, Jahr-.

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