daß er aber noch außerdem auch an dem Tage, welcher chm als Juden als Werktag gelten sollte, sowohl durch die allge- meine Landessitt« als auch durch die ausdrücklichen Lorschrif- trn deS Staates zur Ruhe veranlaßt, resp. genöthigt wird. Diese Eollij M^ i st nicht von heute und' nicht von gestern, sie wurde ajJr Mher weder in der Weise gefühlt noch beachtet wie setzt. Der Jude war ehedem so sehr von der Wichtig« keit und Unverletzlichkeit seiner Feiertage durchdrungen, daß kein irdischer Nachtheil etwas in die Wagschale legen konnte; daun waren auch die GewerbSverhältniffe im Allgemeinen und in Beziehung auf die Stellung der Juden insbesondere ganz anderer Art, so daß der Nachtheil auch wirklich nicht in dem Maße hervortrat. Die Verhältnisse habm sich dann «esent- lich geändert. ES" ist bedauerlich, daß das religiöse Gefühl an der Kraft, mit der rS auch Verlusten gegenüber sich er- hält, bedeutend verloren hat; aber bekennen wir eS nur, daß auch der Betrieb des Gewerbes im Allgemeinen in so ganz neue Phasen getreten ist, die von den Juden in der neueren Zeit ergriffenen Gewerbe, Gottlob, so ganz anderer Art sind, daß der Nichtbetrieb derselben an zwei auf einander folgen- den Tagen jeder Woche fast zur Unmöglichkeit geworden ist. Was soll nun unter solchen Umständen eine Versammlung von Lehrern der Religion thun? Man ist "mit der Antwort sehr rasch, bei der Hand; sie soll aussprechen, daß der seit drei Jahrtausenden bestehende, von der überwiegende« Ma- jorität der Judenheit auf dem ganzen Erdenrunde mit aller Strenge und Sengstlichkeit gefeierte, ja selbst bei einem gro« ßen Theile derer, welche sich über viele seiner Satzungen hinwegsfyen oder ihn für ihr Leben ganz ignorirrn, doch als wesentliches Gebot deS Judenthums angesehene, wenn auch von ihnen verletzte, Ruhetag nunmehr zur Unmöglichkeit ge- worden und daher einfach als Werktag zu erklären sei, hin- gegen der bis jetzt lediglich als Werktag angesehene, von einer andern Confessio» gefeierte, , mit fremden Religionsideen verwebte, und zur Unterscheidung von unS angenommene Tag auch von uns als Ruhetag zu adoptirrn sei. Kann man ernstlich eine solche Anforderung machen? Ist dieser Ent« schluß wirklich ein so leichter? Gesetzt, die theologische De- batte darüber sei ganz zu Gunsten der Verlegung geschlos- sen — und daß sie dieß bei Weitem nicht ist, ist nur zu hekannt, — müßte auch dann nicht ein solcher Akt geradezu aus dem Entschlüsse der ganzen Glaubenögemeindt hervor- gchn, dürfte eine Versammlung,״ die überhaupt daS Organ der gegenwärtigen religiösen Ueberzeugungen, der bereits erkannten und allgemein gefühlten Bedürfnisse sein kann und will, eine« Ausspruch über diesen Gegenstand thun? Eie war sich ihrer Stellung, welche «inen jeden Eingriff in
die freiere Entwickelung zu vermeiden hat, genug bewußt, wenn sie» da der Gegenstand doch berührt wurde, gegen die Berlegung in ihren Beschlüssen nicht direkt sich ausgesprochen hat; von ihr zu verlangen, sie solle sie bevorworten, das ist wahrlich, selbst abgesehen von aller theologischen Erwägung, rein vom Standpunkte deS praktischen Lebens betrachtet, mehr alS Unbesonnenheit, eS ist ein Zeichen von gänzlicher Ber« blendung, von Verkennung der ganzen Berhältniffe.
Allein, sagt man, wenn ihr eingesrhen habt, daß ihr in dieser Frage eine Ausgleichung nicht erwirken könnt, wozu, euch gar mit dem Gegenstände befassen? Wir haben Recht, wenn wir behaupten, daß ihr euch mit Kleinlichem befaßt, das Wesentliche umgangen habt, daß eure Thätigkeit nicht den Erwartungen entsprochen und ihr das in euch gesetzte Vertrauen Sicht gerechtfertigt habt. — Ich frage aber, ist eS nicht durchaus nothwendig, daß eine Versammlung von Leh, rern der Religion in entschiedenstem Ernste mit dieser offenen, alles gesunde religiöse Leben auszehrenden Wunde sich be- schäftige?. ES muß immer mehr zur Klarheit kommen, daß hier der wunde Fleck in unserm religiösen Leben ist, mit allem Nachdrucke darauf hingewiesen werden, dann wird die Heilung näher gebracht werden. Die bisherige Gedanken- und Gesinnungslosigkeit in diesem Punkte muß in ihrer gan- zrn Nacktheit aufgewiesen werden. Es ist schmachvoll, wie man bis jetzt, während man oft mit jüdischer Frömmigkeit prunfte, mit eingeschläfertem Gewissen diesen Kernpunkt eines religiös-kirchlichen Lebens mißhandelte; dieses Gewissen regt sich daher auch, so oft der Punkt ernstlich zur Sprache ge- bracht wird, aber statt, wie eS sollte, sich gegen sich selbst zu wenden, klagt eö diejenigen an, welche eS aus seiner Schlaf- trunkenheit aufweckrn. Nein, diese Frage muß zur Entschei« düng kommen, wenn das Judrnthum ein kräftiges dauerndes Leben behalten soll, und sie wird zur Entscheidung kommm, wenn sie nur immer und immer dem Bewußtsein vorgeführt wird, sie muß zur Entscheidung kommen, mag eö sein, wie eö wolle, durch einen gereisten Entschluß der Gesammtheit. Auö der schaudererregenden "Verwirrung und Unklarheit, in deren Schlund daS ganze religiöse Leben verschlungen wird, muß das Judenthum» muß eine seiner wesentlichsten Jnstitu- tionen, der Tag der Weihe und der Ruhe gerettet werden, und aus der Unklarheit kommt man nur, wenn sie recht leb- hast in ihrer Halbheit und Leere nachgewiesen wird.
Nun, entgegnet man, eS mag sein, daß die Bersamm- lung hier nicht anders verfahren durste; aber mußte sie nicht gerade den Verlust, welcher nun einmal durch die faktische Nichtbeobachtung des SabbachS erzeugt wird, auf irgend eine, sei׳ es auch mangelhafte, Weise zu ersetzen suchen? Da nun