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von verantwortlicher jüdischer Stelle her seine Aus­drucksform und seine organisatorische Bindung und Lenkung finden, sollte diewilde Emigration sich nicht in den Formen des Jahres 1933 mit allen ihren unheilvollen Folgen wiederholen oder in einer inzwi­schen neu entstandenen Form Irrwege gehen. Denn auch die neue Zeit fand ihre Konjunkturisten und ihre Phantasten. Neue, unkontrollierte Projekte wur­den von neuen, unlegitimierten Menschen propagiert, Gründungen wurden vorgenommen, Gelder gesam­melt. Gewiß: viele dieser Projektemacher und Orga- pisationsgründer sind gutgläubig, aber auch sie bilden eine Gefahr für alle die, die sich von ihnen beraten lassen und dann ihr Geld und kostbarste Zeit an Hoffnungen vergeuden, die sich nie erfüllen können. So ergab sich, ähnlich wie 1933, für die maßgebenden jüdischen Stellen zum zweiten Male die Notwendig­keit, nachdrücklich und autoritativ für die organi­sierte Auswanderhilfe einzutreten.

Indessen, in einem Punkte mußte sich eine der­artige öffentliche Stellungnahme von der früheren unterscheiden: sie konnte nicht ausschließlich die Sorge um das Wohl der auswandernden Brüder zum Ausgangspunkt nehmen; sie mußte auch die Lage derer ins Auge fassen, die nicht wandern können; und die Erwägungen, die in dieser Beziehung ange­stellt werden mußten, waren nicht nur wirtschaft­licher, sie waren zugleich auch politischer Natur. Sie mußten anknüpfen an das, was die Ursache dieser neuen Auswanderungsbewegung war, an die Nürn­berger Gesetze. *

Noch liegen bei Abschluß dieses Artikels die Ausführungsbestimmungen zu den Nürnberger

Gesetzen nicht vor. Aber niemand gibt sich Illu­sionen hin: sie werden uns weitere Erschwerungen bringen. Trotz alledem aber: die Nürnberger Gesetze wurden laut Erklärung von maßgebendster Stelle des Reiches erlassen, um ein erträgliches Ver­hältnis zwischen dem deutschen Volk und den in Deutschland lebenden Juden herzustellen. Es braucht nicht erst gesagt zu werden, daß diese Absicht mit den Wünschen und brennendsten Lebensnotwendig­keiten der Juden in Deutschland zusammentrifft. Und es kann nicht wundernehmen, daß die führenden jüdischen Stellen deshalb den Versuch unternehmen, auch von jüdischer Seite her dieses erträgliche Ver­hältnis anzubahnen. Denn ohne eine derartige Klä­rung würden wir ja niemals übersehen können, ob nicht ein gestern uns zugebilligter Lebensraum uns morgen entzogen wird. Oder, um gegenständlich zu sprechen: die Ariergesetzgebung in den Jahren nach 1933 hat uns unsern vorher innegehabten Lebensraum erheblich geschmälert, aber sie hat uns andrerseits auch einen aus den Gesetzen ablesbaren Raum belassen. Trotzdem konnten wir uns auf dem uns verbliebenen Terrain niemals einrichten, weil mit weiteren Ein­engungen zu rechnen war. Diese sind dann in der Tat gekommen: eben durch die Gesetze von Nürnberg. Es ist nur zu verständlich, daß diese weitere Raum­verengung eine neue Auswanderungswelle zur Folge hatte. Die erwarteten Ausführungsbestimmungen wer­den uns erst zeigen, was die Nürnberger Sesetze für un­sere Lebenspraxis bedeuten, und die Verengung un­seres Existenzbodens wird diejenigen am schwersten treffen, die nicht in der Lage sind, sich außerhalb der Reichsgreuzen neuen Grund unter den Füßen zu

Jüdische Winterhilfe

Die Juden sind in diesem Jahre am Winterhilfswerk des Deutschen Volkes nicht beteiligt. Sie werden durch das Winterhilfswerk des Deutschen Volkes nicht betreut und sollen auch zu Spenden nicht herangezogen werden.

Der Reichsbeauftragte für das Winterhilfswerk des Deutschen Volkes hat die Betreuung der hilfsbedürftigen Juden der Zentralwohlfahrtsstelle der deutschen Juden in Gemeinschaft mit den ihr angeschlossenen Stellen, in . Berlin dem Wohlfahrts- und Jugendamt der Jüdischen Gemeinde, nach den von ihm genehmigten Richtlinien überlassen. M

Die Richtlinien für die Jüdische Winterhilfe sehen für die Gebenden Opfer von gleicher Art und Hübe, für die jüdischen Hilfsbedürftigen im Rahmen der aufzubringenden Mittel Leistungen gleicher Art und gleichen Um­fanges wie das Winterhilfswerk des Deutschen Volkes vor.

Damit steht die jüdische Gemeinschaft in Deutschland vor einer neuen großen moralischen, finanziellen nnd organisatorischen Aufgabe, die zu den bisherigen Verpflichtungen für die Durchführung konstruktiver Hilfs- und Aufbauarbeit hier und in Palästina hinzutritt.

In wenigen Tagen und Wochen muß ein Werk der gegenseitigen Hilfe und Solidarität errichtet werden, das dem letzten jüdischen Hilfsbedürftigen im kleinsten Orte unsere Hilfe bringt und jeden Juden zum Opfer für die jüdische Winterhilfe heranzieht.

Die Unterzeichneten Verbände, Gemeinden und Organisationen rufen zur tätigen Mitwirkung an der jüdischen Winterhilfe durch persönlichen Einsatz und durch Opfer an Geld- und Sachspenden auf!

Kein Hungernder unserer Gemeinschaft darf in diesem Winter ohne Nahrung, kein Bedürftiger ohne Kleidung und niemand ohne Obdach sein!

Niemand darf in seinem Vertrauen auf unsere Hilfsbereitschaft enttäuscht werden. Unsere Gemeinschaft, die für die Linderung der Not des Winters in diesem Jahre auf sieh selbst gestellt ist, wird niemanden im Stieb lassen!

Seid Euch Eurer Verantwortung bewußt, wenn die jüdische- Winterhilfe Eurer Gemeinde in diesen Tagen zum ersten Male an Euch herantritt!

Reiehsvertretung der Juden in Deutschland.

ZentralansschuB für Hilfe und Aufbau.

Preußischer Landesverband jüdischer Gemeinden.

Vorstand der Jüdischen Gemeinde Berlin.

Central-Verein der Juden in Deutschland.

Jüdischer Frauenbund.

Oberrat der Israeliten in Baden.

Landesverband der israelitischen Religionsge­meinden Hessens.

Reiehsaussehnß der jüdischen Jugendvecbände. Reieh8bund jüdischer Frontsoldaten.

Sächsischer Israelitischer Gemeindeverband. Verband Bayerischer israelitischer Gemeinden. Oberrat der Israeliten in Württemberg. Zentralverband jüdischer Handwerker Deutsch­lands.

Zionistische Vereinigung für Deutschland. Groüloge für Deutschland U. O. B. B.

Vere ini gu n g für das religiös-liberale Judentum.

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