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II. JaheKmig
Israelitische Zeitung.
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HerausgMhen von :
Rabbiner Dr. Äterasder Kisch in Zürich.
Erscheint am an} 15. jeden Monates.
, Zürich, de« H Juni 1879.
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Für d,e Schweiz bei der Expedition der ..R. Isr. Ztg." in Zürich.j
Jttbalt.
Leitartikel: Der deutsch-israelitischc Gemeinde- bund. — Der Synagogenbau in Zürich (Forts, aus Nr. 9).
— Zur schweizerischen Handclsconvention mit Rumänien.
— Torrespondenzen u. Nachrichten aus: Deutsch- land, England, Frankreich, Italien, Oesterreich-Ungarn, Rumänien, Rußland, Schweiz, Nordamerika. -- Bet- mischtes. — Literarisches: Lvwenfiein, Geschichte der Juden am Bodcnsee. Bogelstein u. KarpeleS, Predigten.
— Bricskasie !1 der Redaktion.
Feuilleton: Das Jubenmädchen von Tanger. — Die Juden in Bulgarien. — Verschiedenes.
Der deutsch-israelitische Gemeindebuud.
Das Judenthum ist seiner und Ge-
HüvakchijHm -Lmnralisaftem
und der natürlich aus einer solchen folgenden Erstarrung abhold.
Die jüdischen Gemeinden haben sich daher seit urdenklichen Zeiten eine Autonomie zu wahren gewußt, wie sie von den politischen Gemeimvesen vieler Länder noch jetzt vergeblich angestrebt wird.
Schon zur Zeit des zweiten Tempels gab es nicht nur in Palästina, sondern auch in Jerusalem selbst landsmannschastliche Gemeinden mit eigenen Synagogen und eigenen Gebräuchen.
Die babylonische Gelntha, zu der sich in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten die Judenheit aller Länder zählte, hatte zwar scheinbar im Resch Gelntha und seinem Beirathe ein geistliches
«Hen nur scheinbar, m die Akademien in :t ihren Oberhäuptern e für die Gesammt
Oberhaupt. Dies ist Denn in Wirklichkeit Sura und Pumbedita ß eine nur consultative einrichtungen. ץ.-
Im Mittelalter, »a jß mehrere jüdische Sy- noden gab und der chrsWche Einfluß den Bann und die autoritative der Rabbiner hob,
gab es trotzdem keine Hierarchie unter den Juden.
Erst das napoleomfcht Regiment brachte den Juden mit der Gleichb«echtigung eine wohlorga- nisirte Hierarchie — fM Wohlthat. In den Ländern, die der napole^üfchen Macht unterworfen wurden, sah man dj^a Zmstitutionen einkehren, die- sygar^vv« d«r- M^-sMst freudig begrüßt wurde.
So bekam Westfalen ein Consistorium unter dem ״Kirchenrath" Jacobsohn, einem eigenthüm- lichen Menschen, der stets das Gute wollte, aber nicht immer seine eigene Person in den Hinter- grund zu stellen vermochte.
So wurde auch in Italien ein Consistorium nnt rabbinischer Stufenleiter eingerichtet.
In den fremden Ländern ging mit der sran zösischen Herrschaft auch diese Einrichtung ein, nur im französischen Mutterlande blieb die Ein- richtung bestehen und hat sich unter Leitung vor- trefflicher Männer bewährt.
Der Umstand, daß die Consistorial und Hie
rarchie-Einrichtung in Frankreich bisher dem Jndenthnm nur genützt hat, kann aber für die Sache selbst nicht als Beweis der Förderlichkeit dienen.
Das Judenthum läßt sich nicht nach Schab- lone von oben her dirigire».
Stünden statt der Isidor, Kahn,' Rothschild u. s. w. andere Männer an der Spitze der pa- riser Conststorien, würde das Judenthum bald darunter hart zu leiden haben.
Das Königreich Württemberg hat hiefiir einen sprechenden Beweis geliefert.
In viel kürzerer Zeit, als die Förderung des Judenthums in Frankreich bedurfte, ist da eine zersetzende Schädigung eingetreten, die man nur der uniformirten Unterosfiziersmethode in geist- licher Beziehung zuschreiben kann.
Geht es ja in diesem ״modernen Palästina" soweit, daß man kein Minjan abhalten darf, ohne die Erlaubniß der Obcrkirchenbehörde.
Wohin wären wir gekommen, wenn zur Has- monäerzeit oder während des Mttelalters solche Institutionen existirt hätten?
Im Großherzogthum Baden, wo die Leitung der ״geistlichen" Behörden der Israeliten in de- währten Händen ist und war, die der zersetzenden Neologie ebenso abhold sind, als tyrannisch-dunkel- männischem Fanatismus, kann man über die jü- dischen Kirchenbehörden nur Lobenswerthes sagen.
Das Ladenmädchen von Tanger.'")
Von
W. Herzbcrg.
In Tanger, einer Hafenstadt des Kaiserthums Marokko, lebte ein jüdisches Ehepaar, das sich unter dürftigen Verhältnissen immerhin anständig ernährte. Hajim Hachuel, so hieß der Mann, plagte sich von früh bis spät auf der Straße mit Hausirhandel, wobei er von seinem fast erwach- senen Sohne Jsachar unterstützt wurde. Aber das Glück wollte ihrem Fleiße nicht lächeln, so daß der Erlverb deS Handels kaum für die Familie hingereicht hätte, wenn nicht Hachuels Weib, Simcha, eine so kluge und unermüdliche Person gewesen wäre. Denn nicht nur, daß sie mit Hülfe ihrer Tochter alle häuslichen Arbeiten selbst ver- richtete, die beiden Frauen benutzten auch jede Mußestunde zur Anfertigung von Handarbeiten, insbesondere von künstlich geflochtenen Drahtgür- teln, die bei den Damen deS Landes sehr beliebt sind. Diese Tochter war im Jahre achtzehnhun- dert'ein und dreißig, in welchem diese Geschichte flch ereignete, siebzehn Jahre alt und von so wundervoller Schönheit, daß die Sage ging, die Juden würden um ihren Besitz von den Mauren beneidet. Ihre Eltern hatten sie Esther genannt
♦) «US den ״jüdischen yamilienpapteren" Hamburg, ׳Otto Meißner, die wir gerne in jeder jüdischen Familie wissen möchten.
nach der Mutter ihres Vaters, die in ihrer Ju- gend, wie die alten Leute in Tanger sich noch wohl erinnerten, eines ähnlichen Rufes genossen hatte.
Dem schönen Kinde wollte die stete Beschäs- tiguug nicht behagen, sie hätte gar zu gerne dann und wann ein herzliches Geplauder mit einer Ge- spielin gehabt. Ost. wenn sie im Hofe bei ihrer Arbeit saß, während die Mutter im Hause be- schäftigt war, ließ sie die Hände in den Schooß sinken und blickte gedankenvoll zu dem blauen Him-. mel empor, der sich prächtig über ihr wölbte. Sie dachte an den wunderbaren Garten, den sie einmal besucht, mit seinen Rosen und goldgelben JaS- minbüschen, mit seinen purpurnen Trauben, die am Rohrgeflecht emporrankten und an das lieb- liche Thal vor der Stadt, von dem krystallhellen Bu-Sefa durchströmt, wo sie zuweilen an Fest- tagen mit den Ihrigen unter blühenden Citronen- und Orangenbäumen gewandelt, wo sie gern ein Blümchen am Ufer gepflückt hätte nach Art junger Mädchen. Aber Simcha war streng. Sie liebte nicht unnütze Worte, noch wußte sie, was Zeit- vertreib sei. Esther durfte das Haus nicht ver- lasten, selbst am Sabbath nicht, denn ihre Mutter hatte vergesten, wie einem Kinde von siebzehn Jahren zu Muthe ist.
Unter diesen Umständen war Esther einer Bekanntschaft ftoh, die sie sonst nach den Bor- .uriheilen chres Volke- verschmäht hätte. In ihrer Nachbarschaft wohnte ein maurisches Weib, da
sich rühmte, alle Neuigkeiten der Stadt, von denen die arme Esther sonst kein Sterbenswörtchen zu hören bekam, aus erster Hand zu besitzen. Dazu war es dem Mädchen, wenn es bei sinkender Sonne ein Paar Minuten vor die Thüre schlüpfte, ein süßer Trost sich von Tahara, so hieß die Maurin, bedauern zu lassen; ja, wenn sie erzählt hatte, was sie den Tag über von früh an habe schaffen müssen, wenn dann die mitleidige Tahara voll Erbarmen die Hände über den Kopf zusam- menschlug, so wurde das gute Kind ganz gerührt und fing an zu glauben, daß ihr Schicksal wirk- lich bejammernswerth sei.
Wie mußte es auf dieses schon überspannte Gemüth wirken, als die Mutter eines Tages, sei es aus übler Laune, sei es aus gewohnter Strenge, das junge Mädchen wegen eines, wie diese glaubte, unbedeutenden Versehens hart auSschalt, ja, mit Schlägen bedrohte. Außer sich vor Angst und Entrüstung stürzte sie aus ihrem väterlichen Hause und suchte instinktmäßig bei ihrer Freundin Schutz.
Die Maurin erhob sich erschreckt, als Esther mit lautem Schluchzen in ihr Zimmer gewankt kam und jammernd neben sie auf das Polster sank.
״ WaS fehlt meinemGoldkind?" rief Tahara, indem sie bei dem Mädchen niederknieend eS Rebe- voll umfaßte, ״ wer kann so hart sein, meine sanft« Taube zu kränken, wer ber dem Anblick solcher- Reize ungerührt bleiben? . ^ Z
״ Spotte nur." murmelte das Mädchen, ^spytt nur, Tahara." ' ., ן י ,,־