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stände« zur Probepredigt und hat den reichstenBei- fall geerntet. Seine Wahl wäre nach diesem Erfolge zweifellos, wenn die Stadt allein zu bestimmen hätte. So haben aber dieObscuran- ten-Gemeinden der Umgegend die Majorität, so daß man noch Nicht- Vorhersagen kann.
Leipzig. 10 . März. (Einladung zum dritten ordentlichen Gemeindetage.) Laut Beschluß der AuSschußsitzung vom 2. Februar d. I. finden die Verhandlungen des statutenmäßig abzuhaltenden dritten ordentlichen Gemeindetage« zu Leipzig Sonntag den 11. April d. I., Vormittag« 10 Uhr, in der Synagoge, Zentralstraße 15, statt. Vorbehaltlich noch etwa eintretender Aende- rungen, ist die Tagesordnung wie folgt festgesetzt: 1) Konstituirung deS Bureau«. 2) Rechenschaft-- bericht des Ausschusses und Decharge. 3) Die Frage des obligatorischen Religionsunterrichts (Referent Hr. vr. Adler). 4) BezirkSarmenpflege (Referent Hr. vr. Bielefeld). 5) Beamten-Pen- sionSfrage (Referent H. L. Hausdorff). 6) Bericht über Mendelssohn-Vereine (Hr. Rabb. vr. Gold- schmidt». 7) Bericht über die judenfeindliche Be- wegung in Deutschland (Referent Hr. RechtSan- walt E. Lehmann). 8) Neuwahl des Ausschusses. 9» Eventuelle Anträge laut § 9 des Bundes«. statutS letzten AlineaS.
Die verehrlichen Bundesgemeinden sollen die von ihnen zu wählenden HH. Deputtrten mit schriftlichen Vollmachten versehen, welche sie frühzeitig, spätestens bis 1. April, einzusenden haben. Eine Vorberathung findet in der Pri- vatwohnung des Vorsitzenden Sonnabend den 10. April. Abends 7 Uhr, statt, wozu die HH. Abgeordneten und die außerordentlichen Mit- glieder des Gemeindebundes eingeladen werden und bitten wir dieselben, sich gefälligst TagS zuvor oder Sonnabend Vormittags im Bureau deS Gemeindebundes, Brühl 85, melden zu wollen. Diejenigen deutsch - israelitischen Ge- meinden, welche bis zur Eröffnung des Gemeinde- tageS ihren Beitritt als Bundesglieder erklären, sind zur Theilnahme an den Berathungen des- selben durch Deputirte berechttgt.
Breslau, 25. März. (Orig.-Korr.) Die hebräische Unterrichtsanstalt versammelte ihre Zög- linge am Geburtstage des Kaisers früh Morgens 8—9 Uhr in der Klaffe 7 der städtisch-kacholi- schen höheren Bürgerschule. Daselbst hielt der Leiter derselben, Hr. vr. P. Neustadt, eine zu Herzen gehende Anrede über die Bedeutung des TageS. — Hierauf folgte ein feierliches und ergreifendes Gebet, welches die Schüler stehend mitbeteten und mit welchem die Feierlichkeit ihren Abschluß fand.
Frankreich.
Paris. Die ״Vossische Zeitung" bringt in einer ihrer letzten Nummern einen intereffanten
von Büchern der verschiedensten Größen und Einbände enthielt.
Die vierte Wand, in welcher zwei hohe Fenster das Tageslicht durch doppelte Vorhänge gedämpft in das Gemach einließen, trug über einem zier- lichen Schreibtische eine Pendeluhr und einige Pastellbilder und Photographien.
An dem breiten Schreibtische, der recht« und links mit Schriften bedeckt war, die cheilweise auch aus den halbgeöffneten Schublädchen her- vorlugten, saß, über ein Heft gebückt, ein behä- biger Mann mit schwarzem auf die Brust herab- reichendem Barte, in dem ich, obschon ich damals bartlos und sehr schmächtig war, mich selbst erkannte.
. Die hoch am Himmel stehende Mittagssonne schien in daS freundliche Gemach und einige durch Lücken der gestickten Vorhänge gedrungenen Strahlen fielen auf da« Papier vor mir und beschienen eine eben vollendete Predigt.
Noch einmal laS ich die Arbeit durch, und von derselben recht befriedigt, stand ich ans. um durch da» Gemach auf ׳ und abschreitend, die eben niedergeschriebenen Ideen noch ein Mal zu durchdenken.
Mit großer Frend« dachte ich an den Ein- druck, den die Rede auf meine Zuhörer machen
_ Aene Israelitische Zeitung _
Artikel, der die dortigen jüdischen Bcrhältniffe bespricht und dem wir Folgende« entnehmen: Daß e« bei den Juden mit dem Aufbringen von Geldsummen zu religiösen und wohlthätigen Zwecken am allerbesten steht, darf als bekannt vorausgesetzt werden. Die Rothschild, Königs- Wärter, BischoffSheim, Goldschmidt, WeiSweiler, Günzburg. Garfunkel, Hirsch, Seligmann, Ca- mondo, Pereire, Thurnelffen, Halphen, Siegfried, Hentsch, Cremsel, Fonld, Bamberger, Schnapper, Stern, Cahen, Levy, Grieninger, Cremieux, Lipp- mann. Söe s. w. sind sämmtlich mehrfache Millionäre. Bon den Oppenheim, Erlanger, Fould, Laroche und einigen anderen sind zwar mehrere zum Christttithum übergegangen, aber eS bleibm der israelitischen Millionäre doch noch genug. Der Rothschild« gibt eS allein wenig- ftenS ein halbe« Dutzend hier, von denen jeder im Durchschnitt zwei oder drei Paläste besitzt. DaS Haupt der Familie, Gustav Rothschild, hält einen eigenen Rabbiner, hauptsächlich um seine Privatwohlthätigkeit zu besorgen, die täglich ein- laufenden Unterstützungsgesuche zu prüfen und danach zu verfahren. Es stehen ihm dabei noch einige Schreiber zur Seite. Der Rabbiner hat 50,000 Fr. Gehalt, der Oberkoch des Barons 40,000 Fr. In früheren Zeiten, 1840 bis 1848, war daS Haus Rothschild die Hauptstütze der hiesigen hilfsbedürftigen Deutschen. Die jüdische Gemeinde besitzt entsprechend zahlreiche Wohlthätigkeitsanstalten und Vereine. ES mag befremden, daß die Zahl ihrer Hilfsbedürftigen gar nicht unbedeutend ist. Besonders in der Um- gegend deS Stadthauses und einigen alten Stadt- vierteln leben zahlreiche jüdische Kleinhändler und Geschäftsleute, die bei zahlreicher Familie oft ihre liebe Noth haben. Biele davon durchziehen mit ihren Kasten, Tragschemel oder Karren die Stadt, um Seifen, Schwämme, Nadeln. Bänder, Zwirn, Knöpfe, Hauben, Mützen und Aehnliches, oder auch Obst und Gemüse zu verkaufen. Nicht selten wird Derjenige, welcher äußerlich leicht als Deutscher zu erkennen ist, von ihnen mit einem ״Landsmann, kaufen Sie mir doch was ab" an- geredet. Denn merkwürdiger Weise behalten auch die in Paris gebornenJuden die deutsche Sprache bei, was bei den christlichen Nachkommen ger- manischen Ursprungs meist nicht der Fall ist. Es besteht ein eigener Verein zur Unterstützung dieser kleinen Händler; derselbe gibt Denjenigen, welche ein solches Geschäft anfangen wollen, 50 bis 150 Franken zur Beschaffung der Einrich- tung und des ersten Waarenstockes.
Die beste, sicherste Einnahme haben die Pa- riser Kultusgemeinden durch die Beerdigungen. Letztere sind einer Gesellschaft — Soci4t<$ des powpes fun&bres — verpachtet, welche, außer verschiedenen sonstigen Abgaben, den KultuSge- meinden (1876) 3,162,016 Fr. jährlich zu zahlen hat. Diese Summe vertheilt sich, je nach der Zahl und dem Luxus auf den stattgehabten
werde, die gewöhnt waren, die sie und mich zugleich bewegenden Fragen der Zeit und der Religion von mir ans der Kanzel behandelt zu hören.
Ich fühlte mich so glücklich, so gehoben in dem Bewußtsein, daß mein Beruf, der gewiß ebenso wie andere oder vielleicht mehr als andere seine Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten habe, doch das große und edle Gefühl in mein Herz Pflanzte, daß ich bestimmt sei, das laut auszusprechen, was Alle dachten oder doch denken sollten; daß sch von der Kanzel und im Leben Trost und Aufllärung zu verbreiten habe; daß ich so glücklich war, gar oft zu hören, ich verstände e», in ׳die Worte, die ich aus dem eigenen Herzen schöpfte, die. Gefühle und Ge- danken hmeinzulegen, wie sie Andere in ihrem Herzen und Sinne hegten.
Glücklich und tzehoben fühlte ich mich, wenn ich in Gedanken die ebenvollendete Rede meinen ZuL-rern vortrug, nicht au» Eitelkeit, sondern im Gefühle der Erhabenheit de« Berufe« für Andere »ü denken. für Ändere zu fühlen, für Andere sprechen, ja für Andere beten zu dürfen.
O, wie armselig schienen mir Diejenigen, welche den theologischen Beruf gering ansahen, weil er keine Reichthümer heimbrmge. DieReich-
Beerdigungen.Die reformirtePfarrei erhielt (1876)
davon 46,940, die augSburgische 32,202, die jüdische Kultusgemeinde 27,091. Fr. Hieraus ergibt sich, daß die Juden am wenigsten Prunk bei ihren Beerdigungen entfalten.
Betreffs der Heirathen dagegen dürsten sie obenan stehen. Ich weiß einen Fall, wo Fron- ken 16,000 für eine Trauungsfeierlichkeit gezahlt wurden, wovon freilich der größte Theil auf die Ausschmückung der Synagoge, Musik und Gesang kam. Dabei ist dies noch lange nicht da» Kost- spieligste.
— Paris. Gräfin Esther Camondo ist am 3. d. M., 66 Jahre alt, in Nizza gestorben.
— DaS Budget für Kultus und Unterricht pro 1881 setzt für Geistliche des israelitischen Kultus 199,700 Fr., für Bauten von protestan- tischen und israelitischen Kultusstätten 100,000 Franken ein.
Oesterreich-Ungarn.
Wien. (Zur Verlobung deS Kronprinzen). Hr. H o r o w i tz hat anläßlich der Verlobung des österreichische» Kronprinzen Erinnerungen aus dem Leben der Großmutter der kaiserlichen Braut, der verstorbenen Frau Erzherzogin-Maria Dorothea, der Oeffentlichkeit übergeben. Daraus verdient der folgende Passus hervorgehoben zu zu werden, da Herr Horowitz als Lehrer an der Primarmädchenschule zu Preßburg schwere An- fechtungen von Seite der orthodoxen Juden zu erleiden hatte, was jedoch nicht hinderte, daß ihn die Erzherzogin zu ihrem Lehrer für hebräische Sprache erwählte. Hr. Horowitz schreibt: Da ich zwanzig Monate hindurch die Ehre hatte, Lehrer der Erzherzogin in der hebräischen Sprache und Literatur zu sein, so bin ich in der angenehmen Lage, manches Interessante aus dem Leben der hohen Frau mitzuiheilen, das nur Wenigen be- kann! sein und Viele interessiren dürste. Meine erste Unterrichtsstunde fiel auf einen Samstag. Neben mir auf dem Tische befand sich ein Schreib- zeug, um auf Verlangen Notizen niederzuschreiben. Wir begannen mit der Uebersetzung der Psalmen David's. Al» di« Erzherzogin׳ mich bald aus- forderte, die Radix eines Wortes zu notiren, entschuldigte ich mich -mit dem Sabbath, an dem zu schreiben mir verboten sei. .Ach verzechen Sie", sagte dii hohe Frau, .wiewol ich selbst mir eS nie verzeihen kann, eS vergessen zu haben; denn wahrlich, es hätte auf mich einen üblen Eindruck gemacht, Sie in meiner Gegenwart ein Religionsgesetz übertreten zu sehen." Von nun an kam Samstag nie wieder ein Schreibzeug auf den Tisch. Welche innige Verehrung die hohe Frau für die Bibel hegte, möge man Folgendem entnehmen: Wiewol die Einfuhr von Bibeln in Oesterreich verboten war, versuchte es doch eine hochgestellte Dame aus Württemberg 1000 Stück Missions-Bibeln einschmuggeln zu lassen. Die-
thümer, die ich jetzt in meinem Besitz wußte, wog kein Silber, kein Gold auf.
Während ich mit diesen Gedanken beschäfttgt auf- und niederschritt, pochte es an die Thüre und herein trat ein junger Mann, den ich Herz- lich begrüßte und mit dem ich ein halbe» Stündchen angenehm verplauderte.
Den jungen Mann hatte ich vor mehreren Jahren in einer entfernten Stadt getraut, nach- dem es meiner Vermittlung gelungen war, einige Bedenke» der Brauteltern gegen den biedern, aber unbemittelten Menschen zu besiegen. Jetzt hat er mehrere muntere Kinder, und so oft er durch unsere Stadt kommt, besucht er mich zu meiner größten Freude, um mir von seinem Glücke zu erzählen und seine Dankbarkeit immer erneut auszusprechen für meine damalige Bei- mittlung und den Segen, den ich über ihn ge- sprachen und der sich so wirksam bewiesen.,Heute hatte er noch Etwas besondere» auf dem Herzen, ich solle ihm versprechen, bei einer BeriS Mlah, wenn er so glücklich sei, dieselbe nächsten« zu feiern, persönlich zu erscheinen.
Nachdem er gegangen war, dachte ich mit Freuden daran, daß die» nicht der einzige der- artige Besuch sei, den ich von Zeit zu Zest er- halte, und setzte meinen unterbrochenen Geoanken-