Es wäre höchste Zeit, daß wir eben versuchen, uns zu konzentrieren, und daß wir unsere eigene Kraft kennen lernen, damit man endlich aushöre, auf uns zu reiten!
Dorrespondenzen.
Deutschland.
Tie Versorgung »er russtschen »«isenkinder.
Berli«, 21. August. Ein schwierige», überaus oer- dienstvolles Werk ist glü-klich zu Ende geführt worden:
Die Versorgung der durch die Progrome verwaisten Kinder*) kann nunmehr als gesichert gelten. Nachdem die Großlogc des B'nc Brith-Orden», als deren Vertreter Herr SHamund Berge! ganz Hervorragendes ge- leistet hat, für die in Deutschland unterzubingenden Kinder in weitestgehender Weise gesorgt hat, sind am vorigen Mittrvoch durch Verinitteluug des ״Hilfsvereins der Deutschen Juden" neunzehn Kinder unter Begleitung der unermüdlichen Fräulein Bertha Pappenhcim - Frankfurt a. M. nach England überführt worden. Am Donnerstag haben ivcitere dreißig Waisen, geleitet vvti Fräulein Perl in 01111 ! Odessa, mit dein Schnelldampfer ״Amerika" die Reise nach New Bork angclreten. Zur Einschiffung dieser iiach Amerika bcstinunlen Kinder ivaren vom ״Hilfsvcrein der Deutschen Juden" die Herren Paul La » kar - Hamburg und Dr. Bernhard «ahn ui Cuxhaven anivesend. Sic brachteil mit den Kindern zu- saimneii die Nacht vom Mittivoch auf Toiincrstag an Bord des Tamvfcrs ״Amerika" zu. Es verdient besonders hervorgehoben zu werden, daß die Direktion und sämtliche Beamten der Ausivaiiderer-Hallen der ״Hamburg-Amerika- Linie" wetteiferten, diesen beklagenswerten Opfern der Greuel jede erdenkliche Aiisnierksamkeit zu eriveisen. Am Freitag brachte Fräulein Klausner als Vertreterin der Alliunce IaraMlto l'niversell p m-fil .tfinhi'r — ji-rfid-
Mädchcii und zwei Kiiabe» in das Erziel,״ngs-Jnstitut
zu Ahlem. Diese, sämtlich durch den Progrom in Bialustok verivaisten acht Kinder geliören zwei Familien an: sechs sind Geschwister L c iv i 11 , die anderen beiden Geschwister M a k i c I. Sic wurden für Ahlem auSgcivählt, »in dein Wunsche der Verwandten, daß sic vereinigt bleiben, zu genügen. Bei ihrer Ankunft in Hannover von Herrn Inspektor Silberbcrg empfangen, trafen die Kinder nachmillags 5 Uhr in Ahlem ein, wo herzliche Ausnahme sie bald zutraulich machte. Am Montag (20. August) begann der Unterricht, den sie mit fünf anderen, vor Kurzem ausgeuonnnenen russischen Kindern gcmcinsaiii er- halte», bis sie des Hochdeutschen mächtig gcivordcn sind. Fünf der »eil eingetroffencn Kinder - die fünf jüngeren , Geschwister Leivin — sind Schützlinge der Alliance 18r&- 1 Mite rnivereelle; die drei anderen »ntersiehc» der Für- I sorge des ״Hilssvcrcins der Deutschen Juden." !
Ter Austritt au« der Synagogen-stemeinde.
Berlin, 20. August. Eine Entscheidung von grund- sätzlicher Wichtigkeit ist Seilen» des Oberverwaltung»- gericht» ergangen: Rechtsanmalt F., der von der Siutt- agogen- Gemeinde zu den Kultnssteuerir herangezogen' worden ivar, hatte in seinem Klage - Antrag auf Frei- stellung betont, daß sein Vater bereit» vor zivanzig Fahren infolge religiöser Bedenken aus der Siinagogen- Gemeinde auvgetrete», mithin auch er selbst steuerfrei sei. Das Lbcroenvaltungsgericht ivieS jedoch die Klage ab, indem u. A. ausgeführt wurde, daß der Vater des Kläger» allerdings au» der Synagogen - Geineinde aus- geschieden sei, aber für seinen minderiährige» Sohn s. Z. keine Austritts - Erklärung abgegeben habe, der letztere also Mitglied der Swiagoge,,-Gemeinde sei.. Nach den,. Gesetze vom 28. Juli 1847 soll jeder Jude der Synagogen- Gemeinde seines Wohnortes angehören. Die Möglichkeit de« Austritt« aus dem Judentum sei erst durch da» Gesetz vom 14. Mai 1873 geschaffen, der AuSttitt aus der religiösen Gemeinde ohne gleichzeittgen Austritt aus dem Judentum erst durch Gesetz vom 28. Juli 187« in allen Deilen der Monarchie ennöglicht worden. Die von einein
*) Durch Me Lteben«würdigkell der Letter de« ,Hils«verein« der Deutschen Juden" sind wir in der Lage, an anderer Stelle d. Bl. die Waisen mit den wackeren Damen und Herren, Me da« Fürsorgeiverk geleitet haben, tm BUde vorzusühren, Red.
Juden für sich vor dem Richter abgegebene Erklärung, daß er religiöser Bedenken wegen au« der Synagogen» Gemeinde auStrete, habe Rechtswirkungen nur zwischen ihm selbst und der Geineinde, lasse aber die Zu» gehörigkcit seiner Ehefrau und Kinder unberührt. Frei von dem gesetzlichen Gemeindevsr- band ewerde ein Änd erst mit der eigenen Erklär- ung; bis dahin bleibe eS zu dem Vermögen der Synagogen- Genieinde beittagspflichüg.
Der Urlaub de» »rasen Pückler.
Berli», 20. August. Interessanten Ausschluß über die ״gewichtigen Gründe", welche die auffallende Urlaubs- Erteilung an den Grafen Pückler veranlaßt haben, erhält man au« »achstehcndei» Bescheid, den beim Berliner Landgericht I, Oberstaatsanwalt Jsenbiel, auf eine Beschwerde des ״Centtal-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens" über die Hetz-Reden und -Flugblätter, zu denen der Drcschgraf seinen Urlaub benutzte, erteilt hat:
,Aus Ihre an de» Herr,! Iuftizniinister gerichtete, von diesem an den Herrn Oberstaatsanwalt am Kammergericht zur Prüsung und wetteren Beranlaskung abgegebene und von leßterem mit dem gleichen Aufträge mir zugeseriigte Eingabe ooin 21. Juni 1906 erwidere ich ergebenst, da» den. Ui rasen Pückler-Slein-Lschirne au« gewichtigen Gründe» zur Abwendung wirk- schastlichen Untergang« SIrasurlaub vom 2. Mai bi« 20. Juni 1906 gewähr! Ivorden war. Da Gras Pückler nach Ab- laus diese« Urlaub« seine Strase sreiwillsg nicht wieder angetreten hat, habe ich seine zwangSwetfe tkinlieserung in die Festung«- slubengesangenenanftalt z» Weichselmünde veranlaßt. Die gegen da« Auftreten de« Grasen Pückler während de« ihm gewahrten SIrasurlaub« gerichteten Vorstellungen sind damll erledigt. Wenn von dem Grasen Pückler Flugblätter strasbaren Inhalt« au«ge- geben werden, so ist e» ohne weitere« meine Ainlspslicht, dagegen mit de» INN zu Gebote stehenden Mttleln einzuschretten."
Und ivorin bestanden die ״geivichtigcn Gründe zur Abivendung ,virtschaftlichc» Untergangs" 2 Wi« die Liberale Karre- 1 ,n»ß-->z" ;׳! »-°>d°״— iv « ib, darin, da ß
de», Schloßhcrrn von Klein-Tschirne — eine Scheune abgebrannt w a r! Die Hauptsache ist, daß der ״wirtschaftliche Untergang" glücklich abgewendet wurde!
Ter Fleischer-Verband^ibrr die Schuh-Vctäubung.
KSuitzSderg i. Pr., 14. August. Wie bekannt und in Ihrem Blatte wiederholt hervorgchoben wurde, wird die Agitation gegen »nser rituelles Schlachtoerfahre» mit de,» Schlagivvrl beschönigt, daß die Schuß-Betäubung ״ganz ziveifellos" die beste, die alleinberechtigte Tötungs- art sei, mit der das Schächten den Vergleich nicht entfernt aushalte» könne. Unter diesem Gesichtspunkte geivinnen die Verliandlungen, ivclche der 2L. Deutsche Fleischer- Verbandstag, die größte und autoriiattvste Fachorganija- tion, dieser über alle Maßen gepriesenen Schlachlmethodc gewidmet hat, cmch für uns Interesse und Bedeutung. Seitens des Bezirks-Vereins Brandenburg ivar beanttagt ivordki), daß der VerbnndSIag gegen die Einführung des Schubapparats zur Tötung von Schlachtvieh Stellung nehnie. Lbernieister S e l t m a n n - Rudorf begründete folgende Resolution: _
»Tie heilte zuni. 29. Fleischer-BerbandSlag verjanunelten Detegienen-Vertteier de« Fleischer-Lerbande« Deutschland« miß- billigen da« Töten der Däilachttiere durch Schußapparat, in«be- sondere von Persviien, welche das Schlächtergewerbe nicht erlenit haben, au« solgenden Gründen: Rach den, Schuß versagt beim Stechen die ordnungsmäßige AiiSblutung sehr häufig, da in, Moment die Füße starr ziisamnieiigezogen, noch 10—lb Minuten und länger die Körper ohne Herztätigleit verfalle», dann einzelne Ader» überhaupt nicht mehr rein au«bluten. Zehn Zentimeter Ader mit Blut gefüllt, brtiige» hauptsächlich im Sommer die daranltegende» Klehchleile schnell zum Verderben, Da« Fleisch eine« durch Schußapparat getöteten Tiere« ist, da nicht so rttn auSgebluteh dunkel in Farbe, geht leicht in Schwammig- lett über und sührt sonnt zinn Mißlinge» der Dauerwaren. Durch da« Pulver geht der Brägen, auch die Kopspartie durch schlechten Geschmack verloren. Die Kugel ist häufig bet dem Zucken de« Tiere« in'« Rückenmark lind in den Kamm etnge- drungen: auch ist Gesahr für Menschen nicht ausgeschlossen. Dem ehrsamen Stand der Schlächtermeister und Gesellen, dessen Ruhm und Ehre e« stets und mit Recht ivar, ettie einwandfreie Lötung der Schlachttiere ohne Quälerei vorzunehmen, wird durch die allen tkrsährungen Hohn sprechende Dötung mittelst Sch ußapparat durch niederdrückende« Gefühl die Lust unh Liebe zum Handwerk verleidet."
Nach eingehender Besprechung, an der sich Häusser- mann -Stuttgart, U l I m a ״ n «Liegnitz, Burg-Berlin beteiligten, wurde folgender Antrag de« Verbands-Bor- standeS angenommen: