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״ Relativismus" legt er erkmntniStheoretisch die Unzuläng- llchkett der Philosophie dar; und in scharfer kritischer Be- leuchtung behandelt er in der Revue generale NeumarkS große» Werk über die jüdische Religionsphilosophie. Alle diese Abhandlungen erregen die Aufmerksamkeit der ge- lehrten Welt, speziell seine Lehrer an der Berliner Lima mater bekennen öffentlich, au« diesen Werken selbst viel geschöpft zu habm, und oersvlgen den Werdegang Aschke- uasyS mit liebevollem Interesse.

Aber schon die Jahre de« Studiums waren solche praktischer Arbeit. An der Adaß-JiSroel Religionsschule hat er zuerst gearbeitet unter Dr. Meier Hildesheimer als Leiter, im Kreise vieler Gleichstrebendet. Er brauchte wohl ansangS die Anleitung; solche Geister, die inS Ungemessene streben, finden schwer die Meisterschaft dcS EichbeschränkenS, die Fähigkeit, sich verständlich zu geben und milzuteilen, sich in kleine, gangbare Münze umzuprägen. So arbeitete er an sich selbst und an seiner materiellen Ertüchtigung und hatte die Genugtuung, die verwitwete Mutier nach Berlin noch sich ziehen zu können und ihr den Galten durch hingebende SohneSIiebe zu ersetzen.

Reis und in sich geschlossen war er, als er nach dem Süden Amerikas übersiedelle, die Liebe zu den Seinen bezwingend, da« große ihm dargebotcne WirkungSseld als eine heilige Ausgabe betrachtend. Nicht bequem ward er in der neuen Welt gebettet; physisch«, geistige und seellsch« Anstrengungen ohne Zahl warteten seiner. Die nächste Kolonie seiner Rabbinat» ist 18 Stunden von Buenos Aires entfernt welche Reisestrapazen also waren unser- weidlich! Die seiner religiösen Führung An vertrauten bildetm keine durch geschichtliche Band«, durch Gemeindetradition und gleiche Erziehung geeinte Masse, jeder eine Welt für sich, jeder forderte einen andersartigen Rabbiner als Ober- Haupt! Endlich in der Hauptstadt Argentiniens die ver- seuchende Atmosphäre der Parvenütum«, der über Nacht auS Bettlern erwachsenen Geldartstrokaten, die Gefahren eines gespreizten liigb life und der schrankenlosen^Genußsucht. Ach, unsere Brüder dort sind nicht von dem Tift'verschont geblieben, allzuoicle, auS gewohnten Verhältniffen heraus- gerissen, haben mit der Heimat auch ihre Ideale verloren: Der junge Rabbiner griff zu mit sester Hand; die Kräfte der Religion, die in ihm bisher mehr theoretischen Charakter gcttagen, werden Plötzlich Erziehungsmächte, die allein im- stände sind, der Veräußerlichung des Leben« einen Damm entgegenzusetzen. Er wird ein Freund der Kolonisten, ein geistiger Berater und Führer, besonder» der Lehrerschaft, der überall wieder Sinn und Verständnis sür jüdisches Geistesleben weckt; der Lehrer der Jugend, in der die jüdische Eiedelung erst ihren ethischen Sinn wieder be- kommen kann..

Und wenn ihm in seiner Einsamkeit, in der Trennung von de», Geistesleben der Studienjahre einnial weh umS Herz wird, bam> greift er wieder zur Feder, und setzt die philosophische Arbeit früherer Jahre fort. So bleibt er mit der Wiffrnschaft. in Kontakt Seine größte Vcröffent- lichung au« diesen Jahren ist die Abhandlung ,Zur Phänomenologie der Mystik", bei der ihin seine intime Kenntnis de« CyassidiSuiuS hervorragend zu statten kommt, ?!ich! logisch und nicht psychologisch kann das Wesen der Mystik wie der Religion überhaupt erfaßt werden; alle Versuch« in diesen Richtungen sind gescheitert. Nur als ״ Phänomen", als Erlebnis, als unmittelbare Tatsache de« Ich, das sich in absolutem Werte gegenüber der Welt fühlt, ei» WcrtvcrhältuiS zwischen sich und der Gesamtheit der Dinge fordert, als Erlebnis, daS als solches die höchste innere Gewißheit in sich trägt, kann jede Religion und jede Mystik in ihrem innersten Wesen verstanden werden.

Wer hätte es geahnt, daß seinem großzügigen Beginnen kein Ende, dtesem hingcbenden Werke kcüi Abschluß gewährt werde» würde! Wenn dem König David der Tod am Sabbath al« Endziel verheißen war, Aschkenasy ist am rar שנתון , am VersöhnungStage gestorben. In einer der neuen Heimatsstätten unsercr unglücklichen Brüder ist er plötzlich zusamme,,gebrochen. Da« Verborgene und Unerfoffchltche ist de« Ewigen, unsere« Gotte»; unser aber ist die Pflicht,

den Helden, den Pionier jüdischer Ideen, den Träger der Fahr« de« Judentum» als solchen zu ehren, seiner zu hinken und ihm zu danken allezeit.

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Bei der Beerdigung am Sonntag, den 28. d. M. auf dem Friedhofe der Adaß JiSroel hielt Herr Dr. D.

Al« die Schreckenskunde unser Ohr traf, daß unser teurer treuer Schüler Dr. Hirsch Aschkenasi, Rabbiner der jüdischen Kolonien in Argentinien, plötzlich au» diesem Leben geschieden, da ward unser Herz von Angst und Zittern ergriffen. Wehmutsvoll riesen wir auS: ודוח־, י לארץ ביום אוו 'ramm נשהיים rar, כיום ההוא נאום ד א׳ והכאת' ו . Eine Sonne, die der Judenheit eine« ganzen Lande« daS Licht der תודה gebracht, hat Gott der Herr mitten im Tage untergchen lassen und so den! Lande da» Helle Licht in Finsternis verwandelt. Mitten au« seiner segensreichen Tätigkeit hat der unerblttlich« Tod einer liebenden Mutter ihren vielgeliebten Sohn, vielen Tausenden unserer jüdischen Brüder ihren fürsorgenden Leiter und unserer Lehranstalt einen ihrer trefflichsten Schüler entrissen. Angesicht« emeS solchen tiesschmerzlichen Verlustes könnte eS vergeblich er- scheinen, Worte de- Tröste« und der Benihigung vorzu- bringen. Nur bange Fragen drängen sich im ersten Augenblicke auf allen Lippen. Heißt e« doch in der Thora T8' עד אח אביך ואח אמך למק יארינון ;. und der Verewigte hat doch stets mit liebender Fürsorge dieser Gebot erfüllt, זה Sr ודנן אריכות ינדו , wo ist da» lange Leben dieses treu- sorgenden SohneS? Die heilige Schrift versichert יראת ד תוסיף יפים , die Gottesfurcht mehrt die Lebensjahre, und ra עץ ודיס היא למחדכים , die Thora ist ein Baum des Lebens für alle, die sie sesthalten, und der Verblichene war doch niit Ernst und Eifer bestrebt, Gottesfurcht und Thoratreue zu verbreiten, warum mußte er so frühzeitig die Stätte seiner segensreichen Wirksamkeit sür immer verlassen? Solche und ähnliche Fragen entringen sich im ersten Schmerzge» fühle den Lippen einer tiefgebeugten Mutter, der liesde- Ixübten Geschwister und Freunde de« Verklärten, und wir alle stehen hier tief erschüttert vor der himmlischen Bor- schung und flehen mit unserm größten Lehrer: הודיעני 0 ,נא את דדניך begnade uns doch mit der Erkenntnis, daß wir deine Wege und deine Wallung begreifen, daß kein leiser Zioeisel an deine Allgerechtlgkcit und Allgüte unser Herz beschleiche.

עד אבוא אל מקדשי אל אנינה לאחריתם . W. Trauer» vcrs. lasset un« eintreten in GotteS Heiligtümer, um da- wahre Endziel und die Bestimmung de« Menschen zu begreifen! Lastet uns lauschen den trostreichen Belehrungen der uns anvertrauten Heiligtümer Gottes, der heiligen Schrift und der heiligen Ueberlieserung unserer alten Lehrer, durch welche wir das Verständnis erlangen, sür da« höchste Gut und da« wahrhafte Heil ׳ de« Plenichen! Unsere Welsen lehren ( ר׳ יוחנן ני הוי מסיים ססרא ואיונ אמר: אשדי (נדנות ״ז טי שנדל נתווה ועמלו נתווה ועושה נחת רוח ליושרו וגדל נשם «נ ונספר נשם סוג, ועליו אט־ שלמה נחנמחו «נ שם טשפן «נ דום חמות סיום הולדו . AI» יד יוחנן das Buch Hiob beendigt hatte, lat er folgenden Ausspruch: Heil dem, der großge» zogen wurde in der Thora, sich dann mit ^er Thora ab- gemüht hat, und zum Wohlgesallen seine« Schöpfer- tätig gewesen ist, der großgeworden ist mit gutem ?!amen, und mit gutem Name» von hinnen geschieben ist. Aus einen solchen ist der Spruch im WeiShettSbuchc Salomo« anzu- ivcnden: Bester ein guter Name als gute« Salböl und besser der Tag de« Tode« al« der Tag der Geburt. Dieser weise Spruch de« ד ידען mit dm dazu angeführten Worlm der heiligen Schrist sind in allen ihre» Teilen bei unserem teucm Dahingeschiedenen in Ersülluug gegangen.

אשרי נד שנדל נתווה . Hirsch Aschkenasi, «in Sproß einer berühmten Glehrte» Familie, ein Nachkomme de« be- rühmten Rabbiner» Zebi Aschkenasi von Amstcrdan, Ver- sasscr de« Responsenwcrke» Chacham Zebi, ist von Jugend aus stet« durch bedeutende Gelehrte in der Thora und in dm talmudischen Disziplinen unterrichtet worden. Dabei