BERLIN, im November 1905. *' . ' . No. 8.

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Bericht der Grossloge für Deutschland

U. O. B. B.

Nachdruck sämmtlicher Artikel aus diesen Berichten verboten.

Fernsprecher: I>. Wolff, VI. No. 4619, Wilhelmstrasse 118.'

Den Opfern der Verfolgung zu Hilfe zu kommen".

Das ist eine der vielen Aufgaben, die wir auf uns ge­nommen. Seit Jahren wird sie uns durch blutige Greuel in schier endloser Weise vor Augen geführt; seit Jahren wird die Noth in jenen Ländern durch unerträglichen Druck immer grösser und schwerer; seit Jahren wächst das Unrecht und die Erniedrigung der osteuropäischen Juden zu einer erschreckenden Höhe, deren Erlösung fast hoffnungslos j er­scheint; seit Jahren müssen ungezählte Scharen von Juden ihr Väterland verlassen, in dem sie ein friedloses und freud­loses Dasein fristen, das sie trotz aller Bitterkeit lieiss lieben und dem sie^mit allen Kräften in bester Weise dienen möchten, um in ferneren Welten Freiheit und Erwerb zu suchen; seit Jahren werden die Kräfte der westeuropäischen Glaubensge nossen in immer intensiverer Weise angespannt für die Hilfe, die immer wieder nur den kleinsten Theil des Elends be­heben kann. Wahrlich, wir müssteu die Existenzberechtigung verlieren, wollten wir auf unserem Wege zur Menschheits- Wohlfahrt an diesen schuldlosen, leidensvollen Opfern der Verfolgung achtlos vorübergehen. Schon bald nach der Gründung des Ordens in Deutschland sind {wir für sie thätig gewesen, die erste grössere Spende der jungen Deutschen Reichsloge galt den vertriebenen Russen. Und immer dringender wurde die Hilfe erbeten, immer reichlicher flössen die Gaben für die Unglücklichen. Altbewährte grosse Organisationen widmeten und widmen noch heute Zeit, Kräfte und Gelder für die Verfolgten, neue Institutionen gesellen sich hinzu für den Dienst der Liebe und Erbarmens, Gemeinden wetteifern in Erweisung von Wohlthat und Wohlfahrt für die ent­rechteten Glaubensbrüder. Da stehen auch wir nicht zurück, voll Wehmuth und Trauer um das Looi der Geängstigten und Gequälten tragen wir unser Scherflein bei, um in ge­meinsamer Arbeit hüben und drüben zu helfen, zu heilen die schweren Wunden, die Unverstand und Willkür ihnen ge­schlagen. Der ganze Orden in allen Welttheilen ist ge- wissermassen in--ständigem Aufmarsch zur Linderung der Noth und des Jammers, denen sie täglich, stündlich ausge­setzt sind. Und Niemand, ausser ihren Stammesgenossen er­barmt sich ihrer. Sie sahen das unverschuldete Unglück, sie lasen von den barbarischen Verwüstungen und blutigen Greueln, sie hörten den markerschütternden Nothschrei. Europa schweigt! Alle Anstrengungen durch Wort und Schrift, alle Vorstellungen zu ihren Gunsten verhallen macht-undwirkungslos,

vergeblich alle Mahnung zur Einstellt, vergeblich alle Beweise ihrer Handlungsweise wider'Gesetz und Recht. Wir Brüder im Reiche sind ofiue Einftuss, können nur unser Mit­leid laut ausrufen, unsere Theilhahme ihnen bekunden, unser Mitgefühl ihnen bezeugen. - Aber jenseits des Oceans, im Mutterlande unseres Orden*, wo* ein-freier Geist allenthalben waltet, wo Menschenrechte geljten 'uM verfochten werden, wo die Gleichstellung aller Konfessionen und Rassen vollendete Thatsache ist, erheben unsere BBr. ihre .Stimme für die ent-

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rechteten, erniedrigten zusammengepferchten Glaubensgenossen. Unser zu früh dahingeschiedener .Otdenspräs. Leo N. Levy hat nach den blutigen Exzessen in Kischinew in Gemeinsam­keit mit mehreren hochangesehenen Männern unseres Glaubens Veranlassung genommen, an den Thro'u des russischen Reiches die Bitte um menschliche Behandlung der russischen Juden gelangen zu lassen. Es'hat'die Aufmerksamkeit der ganzen civilisierten Welt erregt. Und unser jetziger höchster Be­amter im Orden, Br. Kraus in Chicago, hat den Muth gehabt, während der Friedensverhandlungen sich an den Führer der Vertretung Herrn" "Witte zu wenden, zu ver­suchen, das Leos der russischen Juden zu bessern. Er suchte

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eine Audienz nach, die ihm wiHig- gewährt wurde. Am 14. August fand die denkwürdige Unterredung statt in Gegenwart des M i n"i s t e fV«; und des russischen Gesandten Baron Rosen mit unserem Präs. Kraus und den Herren Schiff, Se 1 i g.tn a n n'. 1 Si r a us s und Lew in- sohn. Der Präs: des Ordens B. Bv erging sich nicht in Klagen und Bitten, hat nicht die entsetzlich traurige Lage der Juden in bewegten Worten geschildert, sondern der volle, untrügliche Beweis wurde gegeben, dass die russischen Juden in den Vereinigten Staatenj inj welchen sie volle Freiheit gemessen, gute, patriotische, nürajiche -Bürger sind, und dass aller Grund vorhanden ist zu. der Annahme, dass, falls Russ­land den Juden die gleichet! "Rechte "einräumt, welche den übrigen Einwohnern zustehen, die Juden in patriotischer Weise sich als gute und "zuverlässige Unterthanen bewähren und bethätigen würden, sie,, die Auch unter den jetzigen traurigen Verhältnissen dem Kaiser,* dem Vaterlande treu anhängen. Verschiedene Fragen wurden, beiderseits gestellt und erörtert, und sämmtiiehe Ä owesende betheiligten sich an ihrer Erörterung. In seinem Briefe an uns schreibt Br. Kraus:Es ist weder nothwendig noch möglich, diese Unterredung in allen Einzelheiten wiederzugeben, es genügt, festzustellen, dass die Lage und die Behandlung der Juden