Da sich nun aber alles Verdrängte nach nutzen ptojiziert, werden sie notgedrungen zu Rebellen und Revolutionären in der Auhenwelt, die nicht wollen, Hatz der Mensch besser werde, sondern nur, datz er es besser babe. „Der Mensch ist. wie er ist. zu ändern ist nur das Aeuhere." Dieser regatioe Glauben hat sogar seine Märtnrer. Die hervorragendsten jüdischen Köpfe stehen solcher Lehre ot'l nicht ga «z fern, mährend in der christlich-arischen Welt ihr nur die triebgebundenen. urteilslosen Massen Zuströmen. N cht ein Deutscher. Engländer, Franzose, Italiener, Niederländer, Skandinavier von Niveau hat ernstlich etwas mit Mcjrrismus zu tun.
Erstaunlich genug Ht mit jenem radikalen Judentum häufig gesellschaftlich verflochten jenes weltlich-sadyuzäischc. vom alten Liberalismus abstammende. Iüdentum, ! das in hohem Mähe schuld ist an der Kabarettinerüng unserjcs künstlerisch literarischen Lebens. Die Widcrstandslosigseit der gröhitädtilchen tlkichtjuden hat indessen so zugenomnten, datz sie da lu'tig und urteilslos mitmachen. Niemand wird bc haur>ten. datz die „Vlagazine" und „«Frauenzeitschriften" nichtjüdischer Perlage ein menschlich höheres Niveau cinhalten als die jüdischen. >
„I't es denn ein Wunder." fragen manche Iudeii. „wenn Menschen mit spezifisch jüdischen Erfahrungen in Gegensatz zur Gemeinschaft geraten?" Nein, ein Wunder ist es nicht, die schuld liegt, wie nicht oft genug gesagt werden kann, auf beiden Seiten. Wenn aber der Mensch nichts-i anderes als das' Erzeugnis der Umitände wäre, diese aber notwendig, den Juden zum GZellschaftsfeind machen mühten!— und diele ebenfalls nicht von Iuden stammende resignierende Milieutheorie wird von den entwurzelten Juden meist vertreten , dann wäre den Antisemiten ein so unwidc leglichcs Argument zur Unterdrückung gegeben, wie sie bis jeht keines besitze». Wir itehcn auf dem entgegengesetzten Standpunkt. Clmk'id) die Milieutbeorie„die Hehler der entwurzelten Juden
„erklärt", so.doch nicht zwangsläufig. Vielmehr gibt es jenseits des Milieus auch im Judentum eine Substanz, die stärker ist alt Milieueinflüsse, vorausgesetzt, daß man sich ihrer bewutzt! bleibt und sie vom Individuum aus immer wieder schöpferisch neubelebt.
Abendländisches Wesen, auf antikem Humanismus und der christlichen Lehre von der einzigartigen Seele aufgebaut, steht und fälst mit dem.Individualismus. Der individuelle Mensch lebt zjwar in der Kollektivität. aber sein Akzent lieg! in seinem Inneren. Von hier aus vermag die Individualität die Gcmeinschpft zu wandeln, und von hier aus gibt es auch einen diskutablen Sozialismus, der jeden Einzelnen in seiner Seele berühren und ihn teilhaftig machen möchte nicht nur der materiellen, sondern auch der Gemüts- und Geisteswerte unserer abendländischen Kultur. Wer dagegen die Masse, als solche, cujfriift. von einem Proletkult gegen individuelle Menschcnwcrtf träumt, der macht sich zum Feind unseres abendländischen Menschentums. Das hat. wie gesagte im Abendland noch kein nichtjüdischer Geist von einigem Rang getan. Tut es aber ein Iudc, so kann dies nicht auf un befangener Einsicht beruhen, sondern nur auf einem durch Ressentiment verkrümmten Denken, denn er hilft damit den Ast abiägen. auf dem er selber sitzen möchte, und auf dei: er dank seiner Verflochtenheit mit der abendländischen Kultur auch gehört. ,
Alles hängt nun davon ab, ob eine jüdische Elite dies nicht nur ver teht, sondern auch zum überzeugenden Ausdruck bringt. Gesc zieht dies nicht. "dann wird das entwurzelte Iudentum zu n „inneren Feind", nicht wegen seiner Rasse, sondern wege r seiner Eefinnung. Der Antisemitismus aber hat dann gr te Gründe, vom Fortbestand eines „intellek tucllen Ghett >s" zu sprechen.
lBezecbtigler Nachdruck au» .Wespennester, Zweite Folge", von Oscar A. H. Schmitz. Copyright 1929 Musarion Verlag, München.)
Doitfcbtum als Glaube.
Von Dr. Mü
Iler-Claudius.
I
1.
Die Denkformcn des Antisemitismus.
Der ärgile Widersacher jeder Verständigung ist da4 Schlagwort. Denn die denkbiologische Aufgabe des Schlogwortes in die, das Komplcre, Verschlungene, Gärende, in irrationale Tiefen Reichende und also das, was nur mühsamen: Denken ^und Graben zugänglich wird, in der Formel eines einzigen -Wortes a n i ch a u I i ch zu macken. Diese plastische, ilbcr eben deshalb notwendig undifferenzierte Veranschaulichung durch das Schlagwort Hl das tragische Widerspiel zu der jiicht veranschaulichenden, sondern dis in 'Wurzel und Erbreich hin analysierenden. Erkenntnis.
Es gibt keine geiitige Bewegung, in der es notwendiger in, sich dies vor Augen zu halten, als den Antisemitismus. Wesenscrkenntnis statt Schlagwortglaube das ist die Forderung. die man durchaus'nicht in erster Linie an die Träger des Antisemitismus selbst zu richten hat.. Sondern vor allem und iimiicr wieder an diejenigen, die ihn bekämpfen wollen. Neun . Zehntel aller wohlgemeinten „Aus klärungsarbeit" iit Kampf gegen Schlagworte -^Tnit Schlagwortcn. Und ali'o ganz und gar der ewige Kampf Don Cuichotes gegen die Windmühlenflügel.
In der Tat: Kann man in eine ernsthafte E:örterung antisemitischer Gedankengefüge eintreten, ohne das; inan alsbald - nicht bei den Antisemiten, sondern bei >en Aufgeklärten - auf die beliebten Schlagworte vom „pc litischcn". „wirtschaftlichen", „gesellschaftlichen", ^.kulturellen", „wissenschaftlichen" Antisemitismus stützt?! Dem'billigen Schlagwort entströmt billige Weisheit:'Wenn erst die verworrenen politischen oder wirtschaftlichen Verhältnisse^ sich gebessert haben werden, oder: wenn erst das „Unwissenschaftliche" der Rassen
theorie nachg|wiesen und durchgedrungen sein wird — dann, wie kann es hnders sein, ist dem Antisemitismus der Boden entzogen. Er! iit dann endlich) entwurzelt, er verdorrt, knickt um. und wo er wucherte, blüh» reine Humanität. Und damit erlehigt sich auf das leichteste, freundlichste und beauemste die Frage nach der Stellung der Iugend zum Antisemitismus. Tüchtig aufklarcn, kräftige Propaganda, alle Widerlegungen des Rassenankisemitismus äufgeboten — wie mutz der Geilt der Iugend «ich aufhsllen. Und der Einzelne? Nun, er ist „für Aufklärung", und damit hat er hochherzig und endgültig das Seine gelan.
Nein! Zene Schlagworte verhüllen. Sie trügen. Es gibt weder einen wirtschaftlichen, noch einen politischen, noch einen kulturellen. noch einen rassischen Grund des Anti semitismus. Allein die Tatsache, datz er auf allen Lebens gebieten, voitz religiösen bis zum ökonomischen, in die Er scheinung tritst, zeigt, datz seine Motivation schon in einer Zone gesucht ^werden mutz, die alle diese Lebensgebiete untermauert und jne ihre Kräfte in sie alle hineinstrahlt. Er ist also nicht in Erfahrungen gegründet, die innerhalb jener Lebensgebietö vom Einzelnen und der Gruppe gemacht werden, sondern er gieht notwendig diesen Erfahrungen voraus. Er formt und deutet sie um. Er ist mithin in der Tiefe nicht anders zu begreifen, denn als eine ganz bestimmte Form des Denkens selber.
Ehe wirdiese Form des Denkens näher charakterisieren, suchen wir sie in der Erscheinung des Rassenantisemitismus auf. um uns [über den Begriff des Antisemitismus als Denkform zu verMndigen — eine Verständigung, die von der erheblichsten praktischen Tragweite ist.
-Die Rasientheorie und die aus ihr hergeleitete Rassenethik steht aus diesen Sätzen: