Der JüOifchc MittelftanÖ

9*t-52 _ Beilage zumJQÖlfchen Hanöroerher" Oftober 1938

Kostengestaltung im Einzelhandel

Der Kaufmann, der seinen Handelsbetrieb wirtschaftlich gestalten will, muß sich vor allem mit der Kostengestaltung befassen. Eine Untersuchung des Statistischen Reichsamts liefert für diesen Zweck reichhaltiges Material. Dieses ermöglicht es, die Geschäftsergebnisse einer großen Anzahl von Einzelhandelsbetrieben der verschiedenen Branchen und Betriebsgrößen zu zergliedern und gewährt dadurch einen tieferen Einblick in die Kostengestaltung der verschiedenen Zweige des Einzelhandels.

Der Hauptteil der Ausgaben des Einzelhandels wird selbst­verständlich durch den Wareneinkauf verursacht Zur Finanzierung dieses Einkaufs reicht in der Regel das Eigen­kapital des Einzelhändlers nicht aus. Er muß fremde Gelder, also Kredite zu Hilfe nehmen. Diese können entweder von Banken, Sparkassen, Kreditgenossenschaften usw. zur Ver­fügung gestellt werden, oder der Einzelhändler muß Liefe­rantenkredit in Anspruch nehmen. Die oben erwähnte Untersuchung zeigt, daß auch heute noch der Lieferanten­kredit bei weitem an Bedeutung überwiegt. Je größer die Lagerhaltung Ist, in- desto größerem Umfange muß im allge­meinen Lieferantenkredit beansprucht werden. Aber auch andere Momente, so z. B. eine umfangreiche Kreditgewährung an die Abnehmer des Einzelhandels, d. h. an die Verbraucher, können (sofern der Einzelhändler nicht durch eine orga­nisierte Absatzfinanzierung entlastet ist) zu einer verstärkten Inanspruchnahme von Lieferantenkredit nötigen.

Der Kreditbedarf des Einzelhandels ist demgemäß in denjenigen Branchen besonders hoch, in denen die Lager­haltung sehr große Kapitalien bindet Im Textilwaren- Einzelhandel beträgt das Im Lager investierte Kapital nach den statistischen Feststellungen 71, 5 Prozent des Umsatzes (wobei die Umsatzgrößenklasse von 50 000 bis 100 000, XA Jahresumsatz zugrunde gelegt ist), im Wäsche-Einzel­handel der gleichen Umsatzgrößenklasse sogar 79,5 Prozent Im Lebensmittel-Einzelhandel ist der Anteil der Lagervorräte am Umsatz sehr viel niedriger. Ferner ist ein Unterschied zwischen Barverkauf und Kreditverkauf zu beobachten. Die Kreditgewährung an die Kundschaft fällt bei denjenigen Einzelhandelsbetrieben kapital- und kreditmäßig nicht erheblich ins Gewicht die Uberwiegend auf Barzahlung eingestellt sind. In einigen Einzelhandelszweigen hingegen, so z. B. im Möbelhandel, nehmen die Außenstände beträchtliche Teile des Betriebskapitals und der Kreditmittel des Einzel­handelskaufmanns in Anspruch.

Außer der Lagerhaltung und der Kreditgewährung an die Kundschaft spielen die Gehälter un d Löhne der im Einzelhandelsbetriebe beschäftigten Angestellten und son­stigen Arbeitnehmer in der Kostengestaltung des Einzel­handels eine wichtige Rolle. Wie groß auch auf diesem Gebiete die Unterschiede zwischen den verschiedenen Branchen des Einzelhandels sind, kann durch einige Beispiele deutlich gemacht werden:- Im Textilwareneinzelhandel der Umsatzgrößenklasse von 50 000, bis 100 0000, XH ist im Durchschnitt je eine Arbeitskraft zur Erzielung eines Jahres­umsatzes von rund 10 100, Jtftl erforderlich. Dagegen entfällt im Möbelhandel auf je eine beschäftigte Arbeitskraft ein Jahresumsatz von rund 12 200, JVH, im Kolonialwaren­handel ein Jahresumsatz von rund 14 800, XM , im Tabak­warenhandel sogar ein Jahresumsatz von 22 800, JStl. Andererseits muß im Einzelhandel mit Damenhüten schon für einen Umsatz von 5000, Jthl Je eine Arbeitskraft beschäftigt werden. Die Ursache dieser großen Unterschied­lichkeiten ist leicht verständlich. Im Damenhut-Einzelhandel nimmt der Verkauf infolge der hohen Ansprüche des kaufenden Publikums an Beratung, Bedienung, Aenderungen usw. die Verkaufskräfte in besonders hohem Maße in Anspruch. Der Verkäufer kann also in dieser Branche nur einen verhältnismäßig kleinen Umsatz bewältigen. Auch im Textilwareneinzelhandel erfordert der Verkauf oft viel Zeit und Mühe von dem Verkäufer. Dagegen vollzieht sich dieser im Kolonial- und im Tabakwarenhandel im allgemeinen glatt und schnell, so daß eine einzelne Verkaufskraft für einen sehr viel bedeutenderen Umsatz ausreicht. Besonders groß ist der Bedarf an Kräften und damit die Aufwendung für Löhne und Gehälter in denjenigen Branchen des Einzel­handels, in denen beim Verkauf häufig Aenderungen an den Waren vorgenommen werden müssen, die neben der Verkaufstätigkeit auch handwerkliche Arbelt erfordern. Das ist beispielsweise wiederum im Einzelhandel mit Damen­hüten in besonders großem Umfange der Fall. Infolgedessen werden In diesem Handelszweige nicht weniger als 18,1 Pro­zent der Umsätze durch Aufwendungen für Löhne und Gehälter beansprucht Dagegen sind im Tabakwarenhandel die Löhne und Gehälter nur mit 2,1 Prozent am Umsatz

beteiligt Im Textilwaren-Einzelhandel machen die Lohn- und Gehaltsaufwendungen Im Durchschnitt 8 Prozent des Umsatzes aus. In dieser Hinsicht ist der kleine Einzelhändler, der den Verkauf allein oder unter Zuhilfenahme von Familienangehörigen zu bewältigen vermag, naturgemäß günstiger gestellt Denn er hat keine oder nur geringe Aus­gaben für Löhne und Gehälter, richtiger gesagt: die Ent­lohnung für seine eigenen Arbeitsleistungen und für die­jenigen seiner Familienangehörigen fällt praktisch mit den Reineinkünften aus seinem Betriebe zusammen. Dieser Vorteil des Einzelhandels-Kleinbetriebs wird freilich welt­gehend durch Benachteiligungen auf anderen Gebieten, so z. B. beim Einkauf, ausgeglichen.

Diese und ähnliche statistische Berechnungen sind fin­den Kaufmann vor allem deshalb beachtenswert, weil sie ihn dazu anregen, zu kalkulieren und sich mit der Kosten­gestaltung seines eigenen Unternehmens eingehender zu beschäftigen. Wenn heute zahlreiche Jüdische Einzelhandels­kaufleute versuchen müssen, In fremden Ländern, unter oft von den gewohnten wesentlich abweichenden Verhältnissen neue kaufmännische Betriebe, oft kleinen und kleinsten Ausmasses, zu errichten, so werden ihnen derartige statis­tische Feststellungen, soweit sie allgemeingültig auch für andere Länder sind, oft gute Dienste leisten können. Je geringer das Anfangskapital Ist über das der Einzelhandels­kaufmann im fremden Lande verfügt desto wichtiger ist es, daß er über die Kostengestaltung seines Betriebes von vorn­herein volle Klarheit gewinnt Nur dann wird er richtig kalkulieren und von Fehlschlägen, denen oft ein unberech­tigter Optimismus hinsichtlich der Kostengestaltung zu­grundeliegt bewahrt bleiben. Gerade In diesen Fällen wird nicht außer Acht zu lassen sein, daß ein kleines oder kleinstes Einzelhandelsunternehmen von gesunder Struktur stets einem größeren vorzuziehen ist dessen Kosten in einem Mißverhältnis zu dem verfügbaren Betriebskapital stehen.

Steigende Großhandelsumsätze

Ueber die Bewegung der Großhandelsumsätze gibt es nicht so zahlreiche und ins einzelne gehende statistische Angaben wie über die des Einzelhandels. Die vorliegende Umsatzstatistik des Großhandels für das Jahr 1 937 zeigt aber, daß auch Im Großhandel die allgemeine Entwicklung der Umsätze unter dem Zeichen eines kräftigen Auf­schwunges stand, der sich im ersten Vierteljahr 1938 im großen und ganzen welter fortgesetzt hat Ueberdurch- schnittlich starke Umsatzerhöhungen weisen der Großhandel >uit Schokolade und Süßwaren, der Schuhwarengroßhandel, der Großhandel mit Edelmetallwaren, mit Uhren und Uhren­bestandteilen, der Kraftfahrzeugteile-Großhandel sowie der Textil-Großhandel auf. Schwächer war die Umsatzsteigerung dagegen im Großhandel mit Baustoffen, mit sanitärem Installationsbedarf, mit Zahnbedarf sowie mit Fahrrädern und Fahrradteilen. Im einzelnen waren beispielsweise die Umsätze des Süßwarengroßhandels im Jahre 1937 um 21 Pro­zent höher als in dem vorangegangenen Jahre, die des Schuh­warenhandels um 19 Prozent die des Tabakwarengroß­handels um 12 Prozent. Dagegen haben sich die Umsätze des Baustoffgroßhandels nur um 6 Prozent, die des Großhandels mit sanitärem Installationsbedarf ebenfalls um 6 Prozent und die des Großhandels mit Flachglas um 8 Prozent erhöht Die Umsätze des Schrottgroßhandels sind um 18 Pro­zent die des Eisenwarengroßhandels um 11.1 Prozent ge­stlegen. Der Großhandel mit Edelmetallen zeigt eine 20prozentige Umsatzzunahme, und der mit Uhren und Uhren­bestandteilen sogar eine 25prozentige. Auch die Umsätze des Kraftfahrzeugteile-Großhandels sind um 22 Prozent gestlegen. Im Großhandel mit Drogen und technischen Chemikalien Ist andererseits eine Umsatzzunahme um 8 Prozent, in dem mit kosmetischen Artikeln und Seifen eine solche um 13 Prozent ermittelt worden. Der Großhandel mit Fahrrädern und Fahrradteilen mußte sich mit einer lHprozentigen Zunahme der Umsätze begnügen.

Verschieden groß war auch die Umsatzsteigerung der verschiedenen Zweige des Textilwaren - und Beklel - d u n g s - Großhandels. Doch sind hier die Unterschiede nicht so bedeutend wie zwischen anderen Branchen des Groß­handels. Die höchste Umsatzzunahme ist die des Stoff- Großhandels, die auf 22,9 Prozent errechnet wurde, die kleinste die des Großhandels mit Bekleidungszubehör, die 15,1 Prozent betrug. Die Entwicklung der Umsätze bewegte sich hier also in einer verhältnismäßig sehr gleichmäßigen Welse nach oben.

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