—*H 10 H-
DrsnumemtionL-HnIMlNI.
Mit diesem Monate hat der zweite JahrglNlg unserer bis jetzt in den weitesten -reisen beifällig anfgenonwienen Zeitung begonnen.
Unverändert in Tendenz, Format und Ausstattung soll der neue Jahrgang, doch in Bezug auf Reichhaltigkeit des Stoffe«, rasche« und umsichtiges Eingehen auf die wichtigsten da» Iudenthum aller Staaten und Länder, namentlich aber unsere« engern ungarischen Vaterlandes betreffenden Tagesfragen und Angelegenheiten einen sichtlichen Fortschritt bekunden. Diesen Zweck zu erreichen, haben wir eS abermals an Mühe und Opfern nicht fehlen lassen, neue und anerkannte literarische und artistische Kräfte für unser Journal zu gewinnen, während e« un« gelungen ist, die!bisherigen Herren Mitarbeiter zu fleißigern, gesteigerten Leistungen für die Zukunft zu veranlassen. Solcherweise kann eS keinem Zweffel unterliegen, daß die folgenden Blätter an Werth und Mannigfaltigkeit des Inhaltes den bisher erschienenen nicht nur nicht nachstehen, sondern sie noch um Vieles überbieten werden.
Au« diesem Grunde rechnen wir auf eine fortgesetzte Geneigtheit und warme Theilnahme des P. T. Publikums, da« wir zur baldigen Anmeldung deS UkUeU Abonnements hiemit höflichst auffordern.
Die ״Allgemeine Jllnstrirte Jndeazeitung" erscheint nach wie vor jeden Freitag einen Bogen Großformat.
Ganzjähriges Abonnement 8 fl. österr. Währ. — Halbjähriges 4 fl. österr. Währ.
Für diejenigen P. T. Abonnenten, deren.Abonnement mit letztem Jänner 1861 zu Ende geht, ist der Pränumerations-Betrag: ümonatlich (Februar — Ende Juni) 3 fl. 34 kr. österr. Währ.; — llmonatlich (Februar — Ende December) 7 fl. 34 kr. österr. Währ.
Pest, im Jänner 1861 . Der Herausgeber der ״Allgemeinen Allukrirten Illdenzeitnng."
Die Zeit «nd nnsere Haffnnnge«.
1 .
86. Wie die übrigen Bewohner des ungarischen Vaterlandes, so sind auch die Israeliten durck den Umschwung, der seit dem 20. October 1860 begonnen hat, im innersten Wesen tief ergriffen worden. Sie verfolgen mit Wünschen nnd Hoffnungen den Lauf der Ereignisse, erwarten mit lebhafter Sehnsucht die feste gesetzliche Gestaltung, welche die« unser Heimatbland in nächster Zukunft schon gewinnen soll. — Diese Sehnsucht, die Wünsche und die Hoffnungen, sie fließen zuvörderst au« der Empfindung de« Ungars, als solcken, der in dem Wohle des Vaterlandes das eigene erblickt und eS erkennt, daß für den Einzelnen und den Theil kein Heil gedenkbar, so das Ganze vom Unbehagen beherrscht und das Gefühl der Befriedigung in der Gcsammcheit vermißt wird; — eS ist mit einem Worte die Theilnahme d«S-LandeSkindeS und deS Patrioten, die den Israeliten hiebei erfüllt.
Patriotische Theilnahme? fragen Ävdenfreffcr aller Zungen, Parteien und Farben! Ja! antworten wir. Nur ein absichtticheS Verkennen der mensch- lichen Natur, nur die Gewohnheit, dem Juden, zufolge seiner besonderen religiösen Anschauung-- und Lebensweise, auch in allem Uebrigen eine aparte Gefühls- und Denkungsweise aufzudisputiren, mochte es bewirten, daß man die tausendfach sich aufdringende Wahrnehmung ignorirte, wie der Jude nämlich allenthalben, fast unmerklich und unwissentlich die Eigenthümlichkciten und Gewohnheiten, die Gesinnungen und Empfindungen, die Neigungen und Vorurtheile, ja auch die Schwächen und Gebrechen der Nationen in sich ausgenommen, unter welchen er gelebt, und daß er, selbst unter den miß» lichsten gesetzlichen Verhältnissen, sich mit tausend Banden an das Land ge- fesselt fühlt, das er seine Heimat nennt. — Vollends hier in Ungarn ist eS schon seit lange mehr als die Macht der Gewohnheit und des Instinktes, ist eS der bewußte HerzenSdrang, die sittliche Ueberzeugung, welche im Ver- eine mit anderweitigen Verhältnissen den Juden zum Ungar mit Herz und Seele machten. — Wir wollen zwar nickt der gesckichtlichen Wahrheit so sehr vor'S Gesicht schlagen, nock auch der ungarischen Nation ein ihrer unwürdige- — weil unwahres — Kompliment machen, um etwa zu be- haupten, daß die Geschicke der Juden hier stets die freundlichsten gewesen, und daß die grause Nacht des Mittelalters nicht auck hier ihre Schatten auf die Blätter, worauf die Erlebnisse und die Recktsverhältnisse der JSrae- litcn verzeichnet sind, geworfen haben. Aber so viel ist gewiß, daß eine Vergleickung seines Zustandes mit dem seiner Glaubensbrüter in vielen ankeren Ländern dem ungarischen Israeliten fein Heimatland von jeher dop- pelt theuer macken mußte. Ausnabmsgesetze, Besckränkungen.und Bedrückun- gen. unter welchen die Juten jenseits der Leitha unt der Karpathen seufzten, waren hier kaum dem Namen nach gekannt. Jener-Judenhaß, der sick mit gelehrten Phrasen aufputzt und im Philcscphenmantel einhergeht, ist ein spe- cisischeS Produtt des christl. germanischen, pur excellence tiefsinnigen
Deutschland«; auck der glühende religiöse Fanatismus, wie er unter slavischen Stämmen oft zu tteffen ist, fand in deS Ungars Brust keinen Grund und Boden. — Hingegen lebte die Masse der Israeliten in jenem größten Theile Ungarns, der die Abgeschlossenheit der Ghetti nicht kannte, schon seit lange in friedlicher Gemeinschaft und im freundlichen Verkehre mit ihren christl. Mitbürgern; und endlich konnte der gebildetere Jude, wenn auch außerhalb des ״BerfaffungSwalles" stehend, sich doch dem Einflüsse nicht entziehen, welchen öffentliches constitutionelles Leben auf jeden Denkenden nothwendiger Weise übt, und er begann, im Geiste wenigstens, sich mit dem politischen Leben und Stteben der Nation zu beschäftigen, zu einer Zeit, als im übrigen Ost-Europa fast alles öffentliche Leben erstarrt war, und die Begriffe ״Frei- heit und Vaterland" auch der nicktjüdischen Bevölkerung dort abhandm ge- kommen waren. —
Alles die« macht eS wohl begreiflich, daß der ungarische Jsraelite nickt erst seit gestern ein ungarisches Bewußssein in sich trägt und zeigt zur Genüge, in welch' grobem Jrrthum jene großen und tteinen Blätter, jene berufenen und unberufenen Rathgeber befangen sind, wenn sie in dem patriotischen Thun und Lassen der ungarischen Israeliten Koketterie, Schaustellung und Gott weiß was Alle« erblicken, nur nicht das, was es wirklich ist, den consequeuten Ausdruck jenes natürlichen Gefühles, wo- von der JSraelite stets durchdrungen war und ist; und wenn sie's nicht be- greifen wollen, daß der Jude vor Allem als echter Patriot den Ereignissen seine volle Theilnahme zuwendet.
Es wäre jedoch nicht kindliche Hingebung und Patriotismus, sondern verächtliche Wegwerfung und Kriecherei, es wäre Berrath an der angeborenen Menschenwürde, ja Berrath selbst am Vaterlande, dem er alle Kräfte weihen möchte, wenn der Jude seiner eigenen unveräußerlichen Rechte und Ansprüche vergäße, wenn er bei der vor sich gehenden Reorganssation des staatlichen Gebäude« in Ungarn nicht im Herzen und auf den Lippen die Frage trüge: Was habe ich zu erwarten, welcher Platz soll mir in diesem Gebäude ein- geräumt werden? Wird mir endlich Reckt und Freiheit zu Theil, oder soll die Ausnahmsstellung noch länger dauern?
Wohl gibt eS Momente im Leben der Staaten und Nationen, wo diese und ähnliche Fragen verstummen müssen. Wenn das Hau« in Flam- men steht und Zerstörung und Vernichtung chm drohen, da muß Jeder zur Rettung eilen, gleichviel ob er in finsterer Kammer darin zur Mielhe ge- wohnt oder sich als Eigenthümer darin behaglich gefühlt. Doch wenn von Neubau oder Wiederherstellung die Rede ist, da ist die Frage völlig berech- tigt, ob man auch fernerhin im dunklen, feuchten Kellerranm die kümmerliche Herberge finden oder ob es gegönnt sein toll in heimlicher, lichter und ge- räumiger Wohnstube am freundlichen Kamine sich zu wärmen. — So fragt auch der unzariscke Jude; und da die klare und bestimmte Antwort ihm erst ! dann werden kann, wenn die constitutionellen Faktoren der Legislatur ihr I regelmäßiges Zusammenwirken wieder begonnen haben werden, so sucht er
»