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Gründung eines Habdiner- und Jehrersemanrs in Ungarn.

Wie es ia der Natur der Uebergang-perioden liegt, daß sie allerlei Ueberzriffen und Ausschreitungen Raum gewähren, die brr ler Wiederkehr geordneter Zustände zu den allerseltensten Erschein!»»- gen gehören, so müssen wir auch die jüngst vorgrkommenen Wirren in r-erschievenen Gemeinden, anläßlich ihrer Seelsorger und Schul- -ltbrer. mit dem Tröste hinnehmen, daß ritse bellagenSwerthen Er- icheinungen mit der Beseitigung des schwankenden Zustande- ein Ende nehmen werden. Wir leben gegenwärtig, nicht nur in Folge der ihrer Lösung rntgegenharrenoen politischen Krisis, an welcher alle Bewohner des Landes bclhciiigc find7 sondern noch ganz besonders wegen rer Unentschiedenheit unserer bürgerlichen Stellung in einer solchen Periode des Ueberganges. Der ehemalige, jede freie Thätig» keil zurückcrängenve büreaukratische Einfluß, der auf unsere Gemeinden lästere, ist wobl beseitigt, aber die Gewährung der so sehnlichst ge- wünschten Autonomie ist' noch von keiner Seite anerkannt und auS- gesprochen worden. Und wenn dies auch wäre, so fehlte, um diese Concession zu einer gedeihlichen unk ersprießlichen zu machen, nicht mehr und nickt weniger als eine allgemeine Regelung rer Gemeinde- angkttgrnhcllen. ohne welche kein wünschenswertbcr Erfolg denkbar ist. Es fragt sich nun, wie diese Regelung und Organisation de- schaffen sein soll, wie weit ihre bindende Kraft sich erstrecke, um nicht der freien Selbstbestimmung rer einzelnen Communen hemmend in den Weg zu treten, unr endlich von wem sie ihren AuSgang nrh- men solle.

Biele erachten eine centralifirende Eonsistorialverfassung, wie sie in Frankrrich besteh», als zweckentsprechend, um eine gleichförmige, nach keiner Seite ausschreitenrc Fortentwickelung bei uns zu begrün- den. Dagegen möchten sich wieder Andere vor einer verartigcn Ein- richlung um jeden Preis verwahren, um keinem dem Judenihume in seinem Wesen widerstrebenden, hierarchischen Gebühren Eingang zu gestatten. Beide Ansichten haben ihr pro und contra, deren Ausrin- andttse-ung hier zu weit- führen würde. Doch zweifelt Niemand, daß dasjenige. welches sich auf einfache, zwanglose Weise bewirken läßt, sich unter allen möglichen Mitteln am ehesten empfehlen muß. Ein solcher Modus der mittelbaren Einflußnahme auf die zeitgemäße Gestaltung der ungar. jür Gemeinden erscheint uns in der Grün- cung einer LanreSanstalt zur Ausbildung von Rabbinen und Schul- lrbrern. Eben jetzt wird aus Lemberg geschrieben, daß daselbst ein Seminar für Rabbiner und Lehrer errichtet wird. Zu diesem Zwecke ist vom Ministerium ein 230.000 fl. betragender Fond bewilligt worden, welcher an- Kaiser Joseph II. Zeit von den sogenannten »Judensteuerzuschlägen für Schulzwecke" erwachsen, unv seit 1806 zu anderweitigen Zwecken verwendet worden. Dieses gerechte Fürgehen rer Regierung läßt uns hoffen, daß den Jude» in Ungarn nicht- in cen Weg gelegt werden wird. wenn sie das als Hayna u'sche Strafcontribution erflossene und nachher gleichfalls für Schulzwecke verwendete Kapital 'einer Million zum Behufe der Errichtung des genannten Seminar» in Anspruch nehmen möchten.

Da* ein solche- Institut in Ungarn mehr als sonstwo dringlich ist. geht schon ans dem Bedürfnisse hervor, solche Rabbinen und Lehrer in Zukunft zu aquiriren, die mit der Geschichte und den Lerhältnissen des Landes innigst vertraut find und die ungar. Sprache in dem Maße inne haben, um entsprechende Kanzelreden und sonstige Lorträge darin halten zu können. Alle diese Erfordernisse lassen sich am besten im Lanke selbst erwerben. In gleicher Weise ist es wünschenswerth. daß die pädagogische Ausbildung des Lehrer» im nationalen Sinne ermöglicht werde, um nicht ewig bei Besetzung unserer Lehrerstellen auf Solche angewiesen zu sein, die bei dem besten Willen ihrer Aufgabe in der Einflößung eines vaterländischen GotfleS nicht Nachkommen können.

Der Zusammenhang zwischen rer Errichtung eine- solchen > Landesinstitutes und der Beilegung der gegenwärtig vorherschenden j Wirren ia den Gemeinden ist nicht schwer nachzuweisen. Man be- j renke nur, wie ftbr von der zweckentsprechenden Wahl eine- Rabbi- 1 ners und LebrerS vaS geistige Emporkommen und die ursprießliche j

Entwickelung der Gemeinde im All-rmeiar» abhängt. Man bedenke ftnur, wie sehr insbesondere die Erhaltnng der Schule» und die zeitgemäße Einrichtung in den S-»agoge» von de» Geiste «d der Denkweise derer bedingt find, die di« heüige Ansgate der Jagend- und Bolksbtldung in Schule und Synagoge erfüllen sollen. Man be- denke endlich, daß, wenn beide Faktoren der Volksbildung, wenn Lehrer und Rabbiner von einem einheitlichen Streben beseelt und durchdrungen find, wenn sie mit gleichem Eifer dasselbe Ziel der Veredlung und des Fortschritts vor Augen haben, hiemit schon eine bedeutende Bürgschaft für die erfreuliche Umgestaltung der Verhält- niffe der ungar. Judrnheit gewonnen wäre. Diesen einheitlichen, aller Orten sich kundgeb'enden Erfolg gewährt eine Anstalt, wo Lehrer nur Rabbiner im jüdischen unv vaterländischen Sinne ihre Ausbildung erhalten. Ein solches weittragende Resultat haben wir von der Realisirung eines ungar. jüdischenLanveSsemtnar» für Rabbinen und Lehrer zu erwarten!

Diese- Institut ist aber nicht bloß wünschenswerth, e» ist uu- umgänglich nöthig. In Ermangelung eines solchen würden wir -früher oder später den größten Verlegenheiten preisgegeben werden, so oft es sich um die Besetzung eines Rabbinats oder PredigerpostenS handeln möchte.

Manche in jüngster Zeit von den ersten Gemeinden ausgegan- genrn Concurse mögen durch ihre Fruchtlosigkeit btweisen. daß es ein dringendes Betürfniß ist, für die Heranbildung von Rabbinen und Lehrern in der Heimat zu sorgen, und daß es nicht mehr wie sonst dem Zufalle überlassen bleiben darf, ob sich der Eine oder der Andere durch »Sturm und Drang-, trotz Hindernisse und Roth, zur Befolgung dieser ungeebneten Karriere herbeiläßt. Es muß über- dies dafür gesorgt werden, daß sie eine ihrem heil. Berufe ent- sprechende, geregelte und vollendete Ausbildung erhalten sollen. Möge es uns hiemit gelungen sein, den wahren Vertretern der un- garischen Judenheil ans Herz gelegt zu haben, daß sie die balvmög- liche Gründung dieser Landesanstalt anstrebe» und dir Verwendung der nunmehr zu Schulzwecken bestimmten Million als bleibenden Fond in geeigneter Weise bewirken möchten. Dieses Kapital könnte nicht bessere unv würdigere aber gewiß auch nicht gerechtere Verwen- düng finden, als indem es diesem allgemeinen Zwecke zugewirsen würde. Nachdem die Gesammtheit der ungar. Gemeinden dazu bei- getragen" hat, würde mit der Errichtung eine- Solchen nunmehr eben dieser Gesammtheit gleiche Rechnung getragen werden. Denn gewiß, ein Landesinstitut für die Heranbildung von Rabbinern und Lehrern ist bei zeit- und zweckmäßiger Pflege die sicherste Begründung eines gleichmäßigen, normalen, stetigen Fortschritt-, sowohl in sittlich- religiöser als auch in socialer Beziehung. Dieses Doppelinstitut bildet die Grundlage zu einem geistige», die ganze ungar. Judenheit umfassenden Bau. Bon der vereinten Wirksamkeit der aus dieser Anstalt hervorgehenden Lehr- und seelsorgerischen Kräfte ist das Beste zu erwarten. Möge eS uns daher bald gelingen, die in einer schweren Zeit entrichtete Strafcontribution einem so großen und weittragenden BildungSzwecke zugeführt zu sehen! F-n.

Die Mahl und der HeruL der kmckigen rsrael. Gemerndedertretung rn Pest.

(Schl,-. '1

Im Vorangegangenen war die Rede von einer guten Ge- meindeverfassung und von den Grundnormen für eine gute Gemeindeverwaltung. Nun wird zwar für die ge- wöhnltchen Gegenstände der Vorstand als da» Vollzugsorgan der Gemeinde die nöthigen Verfügungen treffen; allein die besonder» wichtigen Geschäfte werden hoffentlich durch die Statuten den Be- schltffe» der Generalversammlung Vorbehalten bleiben. Dahin werde» nun ohne Zweifel gehören die Anordnungen hinsichtlich des Gottes- dievsteS soweit sie nicht ausschließlich im Wirkungskreis der Seel- sorge gelegen find, dann hinsichtlich de» Lehrplanes für die Schule«, rer Spitalverwaltung, der Steuerumlage und der Stellenbesetzuug. ES braucht nicht erst bewiesen zu werden, wie nahe die einzelne»

') Sieht Ar. 23.