rußlandfreundliche, klassenkämpferische Anschauungen mit solchen unter einem Hut zu bringen., die in der freien Wirt­schaft, im Völkerbund, in der Evolution das Heil sahen. Aber stärker als diese klaren Unterschiede im Wollen und Denken war das geistige und menschliche Band, das alle Teilnehmer umschlang und das immer über die andern in fruchtbarer Weise miteinander diskutieren konnte.

Viele Thesen waren- von einer großen Bestimmtheit ge­tragen, auch einige von einer Radikalität, die starke Spuren proletarischen Einflusses tragen. In der Frage des Imperia­lismus war man einer Meinung in der Verurteilung jeder bewaffneten Unterdrückung und kapitalistischer Ausbeutung fremder Völker durch die Nutznießer des kolonialen und -Mandatssystems, die eine ständige Kriegsgefahr bedeuten und seit 1919 Ursachen neuer Blutvergießen geworden sind. Die be­waffnete Einmischung in China bedeute ebenfalls eine neue Kriegsgefahr. Deutschlands Wiedereintritt in das Kolonial­system schaffe neue Ausbeutung und vermehre die inter­nationalen Reibungsilächen. Einig war man auch in der Stellungnahme zu den Rassenfragen, indem man zu der These gelangte, daß Rassenvorurteile keine natürlichen Ur­sachen haben, sondern auf PseudoWissenschaft beruhen und wirtschaftlichen Interessen. Den Angehörigen aller Rassen sind gleiche Entwicklungsmöglichkeiten zu gewährleisten. Jedes Volk hat das Recht zur Selbstregierung. Die weiße Rasse hat kein Recht zur Herrschaft über die farbigen Völker. Freund­schaftliche Beziehungen zwischen den weißen und farbigen Völkern, besonders der Jugend, können zur Lösung der Rassen­vorurteile beitragen. Man verlangt die vollständige Oeffnung aller Grenzen, besonders in schwach bevölkert»n Ländern, zur freien Einwanderung für alle Völker und Rassen. In der Minderheitenfrage kam man zu der These der vollen Unterstützung aller nationalen Minderheiten in ihrem Kampf um ihr Selbstbestimmungsrecht und der Erhaltung ihrer kul­turellen Eigenart und dann weiter zu der Forderung des Auf­baus von Schulen, die durch ihren Unterricht zur gegenseitigen Verständigung beitragen, der Aufhebung der Paß- und Zoll­kontrollen und einer weitgehenden Gesetzesangleichung in den Grenzprovinzen der beteiligten Länder. Eine stark um- fochtene These wurde die zur Frage des lkerbunds. Sie lautet:Der Völkerbund dient in seiner gegenwärtigen Zu­sammensetzung den Interessen der kapitalistischen Mächte und versagt gegenüber den Forderungen allgemeiner nationaler Selbständigkeit, sozialen und weltwirtschaftlichen Ausgleichs und fortschreitender Abrüstung. Unter diesen Umständen be­deuten die militärischen.und wirtschaftlichen Machtmittel, über die er zu Zwecken von Sanktionen verfügt, eine große Gefahr. Darum ist am Völkerbund in seiner gegenwärtigen Gestalt nur insoweit Interesse zu nehmen, wie der Fortfall gewisser von ihm geleisteter weltwirtschaftlicher Regelungen und juridischer Schlichtungen noch schlimmere Störungen veranlassen könnte. Dagegen kann der Völkerbund nur dadurch zu einem zuläng­lichen Werkzeug des Friedens und Ausgleichs werden, daß sich die soziale, politische und ideelle Struktur der ihn zu­sammensetzenden Staaten ändert. Als ein ergänzendes poli­tisches Hilfsmittel hierzu erscheint die unmittelbare Wahl von Völkerbundsdelegierten in den einzelnen Ländern." In der Stellungnahme zu Paneuropa kommt ein ähnlicher poli­tischer Wille zum Ausdruck:Geographische Nachbarschaft und kulturelle Verwandtschaft verschiedener Nationen bedingt zwischen ihnen engere politische und rechtliche, wirtschaftliche und geistige Beziehungen. Diese können zu internationalen Organisationen führen, denen begrenzte politische, wirtschaft­liche und juristische Befugnisse zugeteilt sind. Hingegen be­deutet ein geschlossenes großstaatliches Gefüge bei derartigen Organisationen eine große Gefahr unkontrollierten imperia­listischen Machtmißbrauchs." Bemerkenswert ist schließlich auch noch die Ueberzeugung, in der man einig war, daß die Ueberwindung des Imperialismus die Umwandlung der heutigen kapitalistischen Wirtschaft in eine ausbeutungsfreie Wirt­schaft voraussetzt.

Wenn in der Frage der großen internationalen Politik die Möglichkeit einer Zusammenarbeit im künftigen Weltbund der Jugend gegeben ist, kam man in der Frage des sozialen Rechts.

nur ru der Erkenntnis der Möglichkeit einer weiteren Dis­kussion. Hier waren wohl die letzten Ziele klarer als die nahen Wege. Vielleicht ist man hier wirklich mit einer zu großen Erfahrungsmasse des letzten Jahrzehnts der Revolutionen und Reaktionen belastet, als daß man in der Frage Revo- , lution-Reformation oder Sozialismus-Industrialismus sich klar entscheiden kann.

Weltanschauliche Gegensätze erschweren hier auch schon die letzte Entscheidungsmöglichkeit auf Grund sachlicher Er­kenntnis. Weil die Subjektivität weltanschaulichen Erkennens und religiöser Erfahrung wohl am allerschwersten die Erkennt­nis von der Gegenseitigkeit der weltanschaulich-religiösen Be­rufung der verschiedensten Nationen, Rassen und Klassen durchdringen läßt,. mußte wohl die von Eberhard Arnold und Nikolaus Ehlen geleitete Arbeitsgemeinschaft für Religion und Weltanschauung ein frühzeitiges Ende erfahren. Man gelangte zwar auch hier noch an bestimmte Situationen der praktischen Wirklichkeit, besonders an das Problem der Gewaltanwendung, indem man sich dahin entschied, daß es keine Möglichkeit reiner Gewaltanwendung gibt, daß aber alles Tun durch das Ziel der Zukunft und des Friedens bestimmt werden müsse, so verschieden auch die Einzelwege sind.

Erfolgreicher im Blick auf den künftigen Weltbund der Jugend hat dagegen wieder die Arbeitsgemeinschaft für Päda­gogik getagt, die unter Leitung Dr. Honigheims stand. Hier einigte man sich weitgehend über die Probleme der Gewalt, die im weiteren Sinne unlösbar von der Struktur der mensch­lichen Gesellschaft ein Ergebnis des Gemeinschaftslebens und daher auch in gewissem Grade organisch wäre. Sie dürfe sich aber nicht zur entwicklungshemmenden Autorität eines ein­zelnen oder einer Gruppe steigern. Weniger einig war man sich über den Träger der Erziehung, da die Antworten gemäß der jeweiligen Weltanschauung verschieden ausfallen. Jede Erziehungsgemeinschaft soll aber ihre Arbeit in der Forderung des brüderlichen, friedlich-aktiven Menschen gipfeln lassen. In der Zeit eines beginnenden Staatsabbaues und der Parlaments­krisen muß nach einem objektiven Faktor der Erziehung Aus­schau gehalten werden, der die Weiterentwicklung der Kultur und Erziehung auf angemessenem Niveau gewährleistet. Honigs­heim erscheint das nun durch Errichtung lokaler und über­geordneter Schulparlamente bis hin zum Weltschulparlament, nach dem Rätesystem möglich. Die Arbeit in dieser Gemein­schaft wurde sehr stark von den Erfahrungen und Schilde­rungen aus dem Auslande befruchtet, so daß sich zuletzt jedem Teilnehmer an dieser Arbeitsgemeinschaft das Bild einer neuen, brüderlich-kameradschaftlichen Schule aus dem Geiste der Jugend, der Gemeinschaft und des neuen Menschen ergab.

Etwas abseits und vielleicht zu guter Letzt noch mit Recht im Mittelpunkt stand die Arbeitsgemeinschaft für Lebens­reform, die den Aufgabenkreis des 'kommenden Weltbundes der Jugend umschreiben sollte, um die Krebsschäden der Zeit auf dem Gebiete der Sitten und der Lebensführung in gemein­samer Arbeit einzudämmen und Pflanzstätten gesunden Da­seins gründen zu helfen.

Dem Weltkampf gegen die verheerenden Wirkungen des Alkoholmißbrauchs und der geschlechtlichen Zügellosigkeit muß allmählich eine Weltfront der Jugend gegen den Unfug des Rauchens wie des Gebrauches irgendwelcher erregender oder aufregender Rausch- oder Reizmittel und für eiweißarme, vitaminreiche und aus ethischen Gründen fleischlose Gemüse-, Obst- und Frischkostnahrung angegliedert werden. Statt des Großstadtnachtlebens mit Revue und Tingeltangel Morgen­gymnastik, Morgenfreibad, Waldschule, Siedlung, Wochenende. Statt Kneipen und Destillen Milchhallen, Frühstücksstuben, Volkshäuser, Jugendheime, Jugendherbergen, Stadien, Jugend­burgen. Nach dem Trink-, Rauch- und Frackzwang ist auch der Kleiderzwang, angefangen bei Kindern auf dem Lande an heißen Tagen, abzubauen. Körper, die sich auch sehen lassen können, trainierte, wohlgeformte, sonnengebräunte, sollen sich auch sehen lassen dürfen, so sehr wir uns auch jeden Fortschritts in Richtung auf einfache, farbenfrohe Männer und Frauen­kleidung freuen wollen. So ungeheuerlich seinerzeit Frauen­studium und Koedukation erschienen und so grundlos sich hinterher viele hierbei erhobene sittliche Bedenken erwiesen,

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