No. 2.1903.

Jüdisches

Jahrg. XXVII.

Litteratur-Blatt.

Zur Beleuchtung aller Judentum und Juden betreffenden literarischen Er» cheinungen auf dem Gebiete der Philo sophie, Geschichte, Ethnographie, Theo logie, Orientalia, Exegese, Homiletik, Liturgik und Pädagogik.

Verantwortlicher Redacteur: Rabbiner Dr. M. R&hmer in Magdeburg.

Verlag und Expedition:

Arthur Scholem, Berlin C. t Rossstr. 3.

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Die sieben Jahre der egyptischeu Hungersnot.

Von Heinrich Brugsch.

(Fortsetzung.)

In den Zeiten der späteren egyptisehen Dynastien, als Aethiopien für Egypten so gut wie verloren war und Einfalle der dunklen Bevölkerung, nach der egyptisehen Grenze hin,. die südlichsten Teile des Pharaonenreiches bedrohten, befand sich regel- massig eine ägyptische Garnison auf Elephantine, um die Grenze zu decken und über die Sicherheit der Gegend zu wachen. Schon der alte Herodot weiss davon zu erzählen, denn er berichtet von 240000 Mann, -- ein wenig stark als eine blosse Garnison auf der schmalen Insel, die unter dem ersten Psammetichos, um die Mitte des siebenten Jahrhunderts vor Chr., von Elephantine über die Grenze nach Aethiopien hinein abzogen, weil sie vergeblich nach dreijährigem Aufenthalte auf ihre endliche Ablösung gewartet hatten und des königlich egyptisehen Dienstes überdrüssig geworden waren. Griechen und Römer setzten die alte Gewohnheit des Gamisondienstes fort und Hunderte in griechischer Sprache niedergeschriebene Sold - und Steuer- quittungen auf Scherbenstücken bezeugen in Schrift und Sprache die Anwesenheit ausländischer Truppen- körper.

Der Hauptstock der Bevölkerung der Insel und der gegenüberliegenden Stadt Syene bestand aus dunkelfarbigen Aethiopen vom Stamme der Kensi, die nordwärts bereits etwa in der Nähe der heutigen Stadt Edfu in Oberegypten ihre nördlichsten Ansied- lungen besassen und südwärts bis zum zweiten Wasserfall bei dem heutigen Wadi Haifa sich aus- dehnten. Es waren die Vorfahren der in der Gegen- wart unter dem Namen der Berabira oder Barberiner bekannten Bevölkerung, die längs der schmalen Nilufer zwischen den vorher genannten Punkten und südlich über Wadi Haifa hinaus bis nach Dongola hinauf ansässig sind und mit schweizerischer An- hänglichkeit ihre traurige, wenn auch sonnige

Heimat lieben. Ihre Sprache, das sogenannte Nuba, scheint die Tochter des ehemaligen Aethiopischen zu sein, das in Meroe die Hauptstätte seiner Ent- Wicklung fand und sich bis zu den Küsten des roten Meeres hin ausdehnte. Wenigstens lassen sich mehrere von den Alten überlieferten Wörter der altäthiopischen Sprache nur mit Hilfe des modernen Nuba erklären. Wenn beispielsweise Plinius den Namen der häufig von Nebeln umhüllten und daher von den Schiffen gesuchten Topasen-Insel durch das Wort ״topazin erklärt, das in der Sprache der Troglodyten oder der Höhlenbewohner in der Nähe der Küste so viel als ״suchen bedeute, so ist diese Erklärung vollkommen zutreffend, da noch in der heutigen Sprache des Nuba ״tabe-sun den Sinn von so viel als ״du suchtest besitzt.

Es erklärt sich hieraus zur Genüge, dass im Altertum das sogenannte Vorder- oder Oberland oder die nubische Provinz des egyptisehen Reiches nicht mit der Insel- und Hauptstadt Elephantine, sondern weit nördlicher ihren Anfang nahm, etwa in der Nähe von Edfu, woselbst die dunkelfarbige Bevölkerung die egyptische ״rote Rasse nordwärts ablöste. Das ist auch noch heutigen Tages der Fall.

Zwischen dem ersten Wasserfalle von Syene und der Insel Elephantine liegt ein kleines Felsen- eiland, das von den heutigen Anwohnern des Kataraktengebietes mit dem Namen Sehöl belegt, aber von Niemanden bewohnt wird. Die Insel zeigt nur steinigen Untergrund und die Felsblöcke mit ihren abgerundeten Kuppen steigen in malerischer Gruppierung zum blauen Himmel des Südens empor. Nur das Rauschen der Wasser der Katarakte unter- bricht die stille Einsamkeit des Ortes.

Und doch bildete dieselbe Felseninsel im Alter- tum einen Wallfahrtsort von eigener Bedeutung, denn Bildwerke und hieroglyphische Inschriften, nach allen Richtungen in das harte Gestein gemeisselt, geben den toten Felsmassen das Leben und erwecken geschichtliche Erinnerungen, die noch über das acht- zehnte Jahrhundert vor Chr. zurückreichen.

Nach uraltem Glauben befanden sich in der Nähe der Felseninsel die beiden Quelllücher des Niles, welche die Sage hierher verlegt hatte, bevor