Gegründet von Dr. Wilhelm (Seev) Freyhan

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MITTEILUNGEN No. 29

DES VERBANDES EHEMALIGER BRESLAUER UND

IN ISRAEL E.V.

N^yn npa April 1971

SCHLESIER

Actions-Conüte: Dr. Lilli Berg-Platau, Dr. William Boss, Benno Cohn, M.d.K. Heinrich H. Cohn, N. Heimann, Erich Lewin, R. Löwenberg,

Dr. Prager, M. Pick, J. Sachs, M. Schmerel-Hofstein.

Briefadresse: Erich Lewin, Bamat-Gan, Mazadastr. 27. Tel. 749754 Vorsitzender ERNST TAUBEB

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...und jeder, der viel vom Auszug aus Aegypten erzählt, ist rühmenswert.

I.

Es war im ersten Weltkrieg. Aus Fulda, wo die Ausbildungszeit für Gebirgsartillerie beendet war, wurden wir drei jüdischenEinjährigen,L.B. und S. zur Feldtruppe nach Rumänien abkom­mandiert. Wir stammten aus Breslau und hatten in Fulda ein halbes Jahr lang viel Kontakte mit jüdischen Familien, mit Wertheims, Haases, Lan­daus und anderen. Der Provinzialrabbiner Dr. Kahn hatte sich unserer besonders angenommen. Wir brauchten nicht in der Kaserne zu wohnen und erhielten sogar rituelle Verpflegung. Nach mehreren Tagen Bahnfahrt stiessen wir also in Rumänien zur Feldtruppe, einem Gebirgsartille­rie-Regiment, unvergessen unser besonders juden­freundlicher Kommandant, Hauptmann M., Fab­riksbesitzer aus Eberswalde.

Es war bitterkalt in diesem Teil Altrumäniens, wir kampierten in Orten wie Focsani, Odobesti, Rimnicul-Sarat. Die Bevölkerung war teilweise ge­flohen; soweit sie noch in den Orten lebte, ernährte sie sich kärglich von Mamaliga (einem Brei von Maismehl). Infolge einer Erkrankung des Pferde­bestandes wurde unsere Truppe vorübergehend nach Siebenbürgen in'Ruhe verlegt. Das Früh­jahr nahte und damit das Pessachfest. Unbedingt wollten wir drei einen Sederabend arrangieren.

Weit und breit gab es keine jüdischen Bewoh­ner, keine Synagoge keine entsprechenden Mög­lichkeiten für das Fest. Nur ein Päckchen mit

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Mazzot war mit der Feldpost eingetroffen. So hal­fen wir uns selbst: Die Sederschüssel wurde ange­richtet, bittere Kräuter und Salzwasser bereitge­stellt. Ei und ein Stückchen Fleisch am Knochen wurden angeräuchert und es fehlte nicht das Cha­rasset, Nüsse mit geriebenem Apfel und Wein alles war wie daheim im Elternhaus. Auf dem Ti­sche stand eine Flasche Wein, umgeben von Glas­bechern, ein Pokal war für den Propheten Eiiah bestimmt. Wir legten Kissen auf die Stühle und nur eines fehlte eine Haggada. Man schlug vor, die Haggada auswendig zu singen, ein jeder von \ms wusste Teile davon aufzusagen manchmal wurde wohl ein Stück übersprungen und es fehlten einige Gebete dazwischen. Jedoch das Hallel wur­de gemeinsam gesungen, es folgte Nischmat. Ea- chad mi jodea und Chad gadja. Die Tür öffnete sich und herein trat nicht Eiiah der Prophet, son­dern jüdische Kameraden von anderen Truppen­teilen, die in der Nähe kampierten. Sie hatten un­ser Singen und Beten gehört und beteiligten sich, teils mit anderen neuen Melodien aus ihrer Hei­mat, nun am Gesang mit Bruchstücken und ein­zelnen Abschnitten aus der Haggada, zwar bunt durcheinander gewürfelt, bald leise, bald laut. Sie sangen die Melodien in ihrer Schwermut, aber auch voller Jubel, um den Allmächtigen zu preisen. Dann kam die Doama Marioara, die Gattin des Lehrers, bei dem wir einquartiert waren, und ihre Schwester Vetutza und brachten uns eine Schüs­sel geschmorter Fische, Eier und Kartoffeln.

So verlief einst ein Seder in der Fremde.

II.

Mein Vater war lange Jahre in Breslau The­aterarzt und so war es im Hause meiner Eltern üblich, neue Theaterkünstler die in der ihnen fremden Stadt zunächst keinen Anschluss hatten, regelmässig einzuladen, damit sie sich einerseits desto heimischer fühlen, andrerseits wichtige Per­sönlichkeiten der Stadt bei uns kennen lernen soll­ten überhaupt um freundschaftliche Kontakte mit der neuen Umgebung herzustellen. Diese schö­ne Tradition meines Elternhauses habe ich in Tel- Aviv fortgesetzt und speziell an den Freitagaben­den erscheint manchePrimadonna, mancher Ritter vom hohen C bei uns zu Gaste. So habe ich u.a. auch mit einem Kapellmeister und seiner Gattin gute Freundschaft geschlossen. Er ist ge­bürtiger Italiener aus Triest, sie eine Japanerin aus Tokio. Unsere Freundschaft wird weiter brief­lich aufrecht erhalten, nachdem sie jetzt an der

Gran Opera in Barcelona tätig sind. Auch in Ischl haben wir uns kürzlich wiedergesehen. Das wäre alles nicht der Rede wert, nur von dem Sederabend wollte ich berichten, zu dem wir die beiden Künst­ler zu uns eingeladen hatten. Sie wären eigentlich an diesem Festabend ganz allein gewesen und so nahmen sie unsere Einladung mit Freuden an. Sie wollten schon lange die Gebräuche dieses jüdi­schen Festes kennen lernen. Erstmalig hatten wir an diesem Abend also Andersgläubige an der Se- dertafel, denn er war Katholik, sie eine Buddhi­stin. Mit höchstem Interesse verfolgten sie die religiösen Gebräuche, Hessen sich von Mazza und Maror, von dem Auszug aus Aegypten erklären, von der Zeit unserer Befreiung, sie stellten verständi­ge Fragen und man belehrte sie den Vorschriften des Pessach gemäss. Mein Freund war übrigens in dem Alten Testament sehr beschlagen und wusste zu den Kommentaren viel beizutragen. Je­denfalls waren beide Gäste von unserem schönen Fest sehr positiv berührt und sie empfanden die Haggada als wichtiges Erbgut aus alter Zelt. Die traditionelle Feier des Sederabends gehört bis heu­te mit zu ihren schönsten Erinnerungen an Tel- Aviv, wie sie schrieben.

Julius Sachs

Liebe Mitglieder und Freundei

Wir haben uns bemüht auch diesmal wieder, Ihnen eine Zeitung zu überreichen, die in ihrem Umfang das bieten soll, was viele von uns erwar­ten. Erinnerungen aus Breslau, Jugenderlebnisse, Fragen des Alltages, Bilder aus Israel und aus der Welt. Wir bieten Ihnen Hilfe durch Suchanzeigen und verbinden Sie mit Ihren Freunden und Be­kannten. Immer wieder rufen Touristen oder Neu­einwanderer unser Büro an, um Auskunft über verschiedenste Dinge einzuholen. Die Grösse der Zeitung, die in 1500 Exemplaren Jetzt erscheint, ist mit vielen Kosten verbunden. Wir bitten Sie sehr Ihre Mitgliedsbeiträge pünktlichst einzusen­den, damit wir so weiter arbeiten können. Spenden undGoldenes Buch auf den Namen unseres Gründers Dr. Wilhelm Seew Freyhan (Altersheim­fonds) werden mit bestem Dank entgegengenom­men. Bitte beachten Sie neue Banknummer: Ein­zahlung, Überweisungen sind an Bank Japhet, Tel Aviv, Rothschild Blvd. 11, Konto NO: 24195 (durch Computer ist die Nummer umgestellt) oder an Erich Lewin, Ramat Gan, Mazadastr. 27, Israel, zu richten.

Verband ehemaliger Breslauer Ernst Tauber, 1. Vorsitzender