Aus Oppeln nach Afrika
WIE AUS ISAAK EDUARD SCHNITZER EMIN PASCHA WURDE
In den jüdischen Kreisen Europas wurde Anfang unseres Jahrhunderts voller Stolz der Name Emin Pascha erwähnt. Ein Beispiel, was nicht ein Jude alles leisten kann, ein Name, der mit dem Aufbau der Kolonien des deutschen Kaiserreiches verbunden wurde. — Jahre später gehört der Name der Vergangenheit an, aber es reizt immer wieder, sich mit dieser Persönlichkeit zu beschäftigen Isaak Eduard Schnitzer muss ein Mensch von ungeheurer Begabung gewesen sein, aber auch ein Opportunist, der ohne erkennbare Gründe aus türkisch-britischen Diensten sich dem deutschen Kolonialismus zur Verfügung stellt. Er wurde am 28. März 1840 in der oberschlesischen Stadt Oppeln geboren. Nach dem Tode seines Vaters, als sechsjähriger, wurde er getauft, etwas was in seinem späteren Leben keine Rolle spielte. Er studierte Medizin, aber aus unbekannten Gründen praktiziert er nicht in Deutschland, Bondern geht schon 1865 als Quarantäne Arzt nach Albanien, das noch zum Osmanischen Reich gehörte. Dort kommen ihm seine linguistischen Fähigkeiten zu Nutze, er lernt arabisch, türkisch und persisch. In diesen Jahren ändert er seinen Namen in Emin Mehmed, wobei das türkische Wort Emin aus d. semitischen Amin kommt, der Zuverlässige, der Vertraute, in der Türkei eine Amtsbezeichnung, die höhere Beamte in der Kassenverwaltung bekamen, — die sollten ja zuverlässig sein. Von 1870 bis 1874 ist er Privatarzt des Gouverneurs, inzwischen ist er auch Moslem geworden. Im Jahre 1876 kommt er nach Khartum, dem ’Elephantenrüssel’, der sudanesischen Hauptstadt am Zusammenfluss des Weissen mit dem Blauen Nil, als Militärarzt des britischen Generals Charles G. Gordon, der ihn in die Äquatorprovinz mitnimmt. Der Engländer, weitgereist und bibelfest, erkennt schnell die Fähigkeiten seines Arztes, und Setzt ihn 1878 zum Gouverneur der Provinz ein, mit dem Titel Bey. Emin Bey unternimmt Forschungsreisen, stellt zoologische wie botanische Untersuchungen an. Zusammen mit Gordon hat er es sich zur Aufgabe gesetzt, den Sklavenhandel zu unterdrücken, durch den damals arabische Händer die Bewohner gan zer Dörfer verschleppten.
Im Sudan bricht 1881 der Mahdi-Aufstand aus, eines sudanesischen Vorgängers Humenis, der die Bevölkerung elektrisierte. 1883 ist Emin Bey mit seinen Hilfstruppen von der Verbindung mit dem Norden, mit Ägypten, abgeschnitten. (Gordon wurde 1885, am 25. Jan., in Khartum ermordet.) Emin, seit 1884, Emin Pascha, kann seine Provinz lange gegen die fanasichen Massen der Mahdianhänger halten. Im Jahre 1885 setzt er sich mit einem Teil seiner Truppen nach Westen ab, er kommt bis in das Gebiet Ugandas, an den Albert- see. Die Briten, aber auch die Deutschen be- schliessen, ihn suchen zu lassen. Die deutsche Gruppe von Carl Peters geführt, beginnt an der Küste und zieht von dort nach Westen in Richtung Victoriasee, die Briten, unter Henry Morton Stanley, wandern vom Kongogebiet nach Norden, wo sie nach 15 Monaten Emin Pascha am Albert- 'see antreffen. Emin Pascha wollte nicht ‘gerettet’ werden, es dauert lange, bis es Stanley gelingt, ihn zu überreden. (Es gibt Stimmen, dass Emin Pascha geäussert haben soll, dass ihn Stanley durch ‘Täuschung und Gewalt’ gezwungen habe, sein Lager zu verlassen.) Am 10. April 1889 beginnt der Treck an die Küste, die sie am 4. Dezember in Bagamojo, der damaligen Haupstadt Deutsch Ost
Afrikas, erreichen. (Dar es Saalom wurde erst 1891 Hauptstadt, heute die von Tansania.) —
Im Dezember 1889 beginnt das letzte Kapitel dieses dramatischen Lebens. Emin Pascha, der Arzt, Verwaltungsbeamte, ethnische Forscher, Linguist, und Sammler, stellt sich dem Kolonialismus des Kaiserreiches zur Verfügung. Wilhelm II., scheinbar gut beraten, schickte zu seiner ‘Befreiung’ ein Telegramm, das bei einer militärischen Parade in Bagamojo verlesen wurde: “Es hat mir zur besonderen Freude gereicht, dass die deutsche Truppe des Reichskommissars Dinen den Weg an die Küste bahnen konnte’’. Eine historische Fälschung (denn Peters hat ihn nicht gefunden, und Stanley war mit ihm in Bagamojo) die in die deutsche Kolonialgeschichte eingegangen ist. Bei einer Feierlichkeit im Kreise deutscher Kolonialoffiziere und Verwalter kommt der Mohammedaner Emin Pascha in feuchtfröhliche Stimmung, es soll der Sylvester Abend gewesen sein, er verwechselt ein Fenster mit der Tür, und fällt tief herunter. Eine Kopfwunde brachte ihn für längere Zeit ins Krankenhaus, aus Berlin wird ihm jetzt der Kronenorden II. Klasse mit Stern vreliehen. Im April 1890 führt er — nun in deutschen Diensten — eine Expedition in das Gebiet des Victoria- und Albertsee, den Quellgebieten des Weissen Nils, mit dem Ziel, sich Unterwerfungsurkunden von den Stammeschäuptlingen zu erwerben, um d. Gebiete für Deutschland zu sichern. Er träumte von einer Landverbindung zwischen Ost- und Südwestafrika unter deutscher Verwaltung. Eine Pocken- epedemie unter den Trägern und Söldnern zwang ihn, eine viermonatige Ruhepause einzulegen, und in das Kongogebiet auszuweichen, wo er am 20. Oktober 1392 von Sklavenhändlern in Kinema ermordet wurde, denn der Aufgabe der Bekämpfung des Sklavenhandels ist er sich seit den Tagen der Zusammenarbeit mit Gordon treu geblieben. (Nach einer anderen Version ist er von einem Häuptling ermordet worden, der Bich an den Weissen rächen wollte.) Die Nachricht trifft acht Monate später in Bagamojo ein, und hat eine deutsche so wie belgische Strafexpedition ausgelöst. —
Emin Pascha konnte nicht wissen, dass am 1. Juli 1890, ein deutsch-britisches Afrika Abkommen ausgehandelt wurde, das die Einflusssphären in Afrika absteckte, und dass das Hissen der Deutschen Fahne in Mittelafrika durch ihn keine politischen Erfolge zeigte. —
Sein früher Tod hat ihm wenig Möglichkeit gelassen, wissenschaftliche Bücher wie persönliche Erinnerungen zu hinterlassen. Man kennt nur die Veröffentlichungen in Fachzeitschriften, in denen er wissenschaftliche Beiträge über viele Themen gab, Zoologie, Botanik, Ornithologie oder ethnographische Beobachtungen. In seiner Zeit gehörte er zu den wenigen Kennern Mittelafrikas. Die Frage, was ihn bewog, plötzlich und anscheinend unmotiviert, alle Verbindungen abzubrechen, in den deutschen Kolonialdienst zu treten und als deutscher Imperialist Plänen und Träumen nachzujagen, die selbst die konservativen Politiker in Berlin nicht realisieren wollten, ist ungelöst, — die Stimmen, die sagen, der Orden hätte es ihm angetan, machen es sich vielleicht zu einfach. — Der südliche Teil des Victoriasees ist zum Emin Pascha Golf geworden, sodass wenigstens eine geographische Bezeichnung an diesen Menschen, alias Isaak Eduard Schnitzer, erinnert.
HWG
IM LASSALLE-GEDENKJAHR
Am 31. August 1984 vor 120 Jahren starb Ferdinand Lassalle in Genf. Der 39jährige, aus Jüdischem Haus in Breslau stammende idealistische und ehrgeizige Politiker und Schriftsteller endete an den Folgen eines aus rein persönlichen Gründen geführten Duells. Er wurde in aller Stille in seiner Heimatstadt beigesetzt. An seinem Grab legte Heinz Kühn, Vorsitzender der Fried- r ich -(Ebert-S tif tung (Bonn) und langjähriger
früherer Ministerpräsident des Landes Nordrhein- Westfalen (Düsseldorf), einen Kranz nieder. Lassalle war der Sohn des Kaufmanns Lasaal oder Lassal. In Breslau ging er aufs Gymnasium und besuchte hier auch Handelsschule und Universität; hier hielt er auch seine ersten Vorträge und schrieb er seine ersten Aufsätze.
Lassalle, der das Zeitalter der grossen wir- schaftlichen und technischen Umwälzungen erlebte, setzte sich gegen die wirtschaftliche Ausbeutung und gegen die Rechtlosigkeit der Arbeiterschaft ein. 1863 war er in Leipzig der Gründer des "Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins” und wurde damit einer der Urväter der späteren deutschen Sozialdemokratie. Seine Verhandlungen mit Bismarck 1864 über “soziales Königtum”, über Zu- rückdrängung des Bürgertums, Beseitigung des Kapitalismus und des Dreiklassenwahlrechts blieben erfolglos. Einstellung gegen eine internationale Arbeiterbewegung entfernte ihn von Karl Marx; erst der Revisionismus, in den 90er Jahren von Eduard Bernstein (Berlin 1850 — 1932) begründet, bekannte sich eher zu den Lassalleschen Theorien. Die bekannteste ist das "Eherne Lohngesetz” das auf David Ricardo den Mitbegründer der klassischen Nationalökonomie, zurückgeht.
1975, anlässlich das 150. Geburtstages von Ferdinand Lassalle, veranstaltete das Hauptstaatsarchiv Düsseldorf eine Dokumentarausstellung über Lassalles Wirken in dieser Rheinmetropole. Hier lebte er von 1846 bis 1858; in den Jahren 1863/64 kehrte er wiederholt ins Rheinland zurück, um dort die Organisation des A.D.A. aufzubauen. Seine Erfahrungen in der Düsseldorfer Revolutionsbewegung 1848 und während der “Reaktionszeit”, die er ungebrochen überlebt, waren, wie die Aus- stelung zeigte, wesentliche Abschnitte seines Werdeganges.
Im früheren Breslau war der alte Karlsplatz in Lassalleplatz umbenannt worden. Man weiss auch, dass sowohl in Frankfurt/M. (-Riederwald) als auch in Berlin (-Lichtenberg) Strassen nach Lassalle heissen und dass bei Genf in der Nähe des Duellgeländes ein Lassalle-Gedenkstein steht.
E. G. L.
ALLE NEUERSCHEINUNGEN LIEFERT LANDSBERGER TEL-AVIV, BEN JEHUDA, 9.
TEL. 6 5 6 3 3 0
SPEZIALABTEILUNG FÜR DEUTSCHES ANTIQUARIAT AN- UND VERKAUF ZU GÜNSTIGEN PREISEN
3