Kurzmitteilungen unseres EG L-Mifarbeiten

Dass Hamburgs Bürgermeister der Jahre 1965/71, Professor Dr. Herbert Weiclunaiui, der, 1983 in der Hansestadt gestorben, in verehrungsvoller Erinne­rung geblieben ist und weiter bleibt, zeigt auch die Tatsache, dass neuerdings ein Preis und eine Medaille nach ihm benannt worden sind. Gestif­tet von dem bewundernswert hochherzigen Ham­burger Industriellen Dr. h.c. Kurt A. Korber, be­steht der Preis (25.000 Mark) aus fünf Reisesti­pendien; diese sollen Jugendlichen, die schon den ebenfalls von Körber gestiften Schülerwettbewerb Deutsche Geschichte gewonnen haben, einen mehrwöchigen Auslandsaufenthalt ermöglichen. Dabei sollen sie über ein selbstgewähltes Thema des Alltags eine Reportage schreiben; die beste dieser Arbeiten wird mit der Herbert-Weichmann- Medaille belohnt werden.

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Von 1858 bis 1868 war (der spätere Professor) Dr. Ludwig Oelsner Lehrer am (Jüdischen) Phi­lanthropin in Frankfurt/M. Vorher schon war er in Gleiwitz tätig gewesen, und nach 1868 stand er im öffentlichen Schuldienst der Mainstadt. Jetzt, 75 Jahre nach seinem Tod, taucht der Name die­ses 1831 in Bernstadt geborenen Historikers wieder auf: Seine in Berlin geborene, über Spanien und England nach Südamerika emigrierte Enkelin hat nämlich dem Archiv des Leo-Baeck-Instituts in New York eine Anzahl von Oelsner-Papieren, man könnte sie seinen geistigen Nachlass nennen, ver­macht. Das Material besteht nicht nur aus Fami­lienunterlagen und aus Dokumenten über seinen Werdegang, sondern enthält beispielsweise auch Briefe von Oelsners berühmten Lehrer Leopold v. Ranke (17951886) sowie einen Band handge­schriebener Oelsnerscher Gedichte, die Jahre 1846/59 umfassend, ferner Buchbesprechungen u.a.m. 1864 war Oelsner der Autor des Werkes Schlesische Urkunden zur Geschichte der Juden im Mittelalter. In Frankfurt gehörte er in seinen späteren Lebensjahren dem 1. (paritätischen) Stiftungsvorstand der Freiherr Mayer Carl von Rothschild'sehen öffentlichen Bibliothek (für neuere Sprachen und Musikwissenschaft) an. Die­se wurde ein wesentlicher Bestandteil der Stadt­bibliothek und musste Anfang 1934 auf Geheiss der NS-Behörden ihren Namen ändern inBiblio­thek für neuere Sprachen und Musik (Frhr. C.v. Rothschildsche Bibliothek)

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Professor Walter Z. Laqueur, der mit einer Reihe vielbeachteter Werke hervorgetretene Histo­riker (Naher Osten; Sowjetrussland; Weimar; Ge­schichte des Zionismus;Heimkehr Reisen in die Vergangenheit u.a.) und Publizist, hat von Inter Nationes (Bonn-Bad Godesberg) den mit 10.000 Mark dotierten Preis für Literatur und Bil­dende Kunst für 1984 erhalten. 1921 in Breslau geboren, 1938 nach Palästina emigriert und dort ausgebildet, ist er seit 1957 Gastprofessor an ame­rikanischen Universitäten, seit 1964 in London der Direktor derWiener Library "/Institute of Con­temporary History und, parallel dazuz, seit 1970 Professor für Zeitgeschichte an der Universität Tel Aviv. Bereits 1973 wurde Laqueur mit dem Buchpreis des LondonerJewish Chronicle aus­gezeichnet.

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Die Hamburger Kunsthalle, das führende Mu­seum der Hansestadt, hat für ihre Gemäldegale­rie das von Ludwig Meidner (18841966) gemalte Bild des Dichters Johannes R. Becher (1891 1958) erworben. Es entstand 1920. Meidner hatte sich nach dem Ersten Weltkrieg mit dem etwas jüngeren expressionistischen Dichter befreundet

Bisher kannte man nur dessen schon 1316 gemaltes Bildnis, das sich in der Deutschen Aka­demie der Künste in Ost-Berlin befindet, und ein gezeichnetes Porträt aus dem Jahre 1919. Meidner zum Hundertsten hiess die Ausstellung von Ölbildern, Zeichungen und Druckgrafik in der Saalbau-Galerie in Darmstadt, dem Ort, in dem der in Bernstadt/Schlesien geborene Maler 1966 starb.

Der jetzt 62jährige Historiker Günter Böhm, Santiago/Chile, hat den ersten Band einer Ge­schichte der Juden in Chile, die Jahre 1592 bis 1639 umfassend, abgeschlossen. Der Autor, gebür­tiger Breslauer, ist seit 1967 an der Staatsuniver­sität in Santiago Professor für die Geschichte der Juden in Südamerika. Es ist nicht sein erstes Werk auf diesem Gebiet. 1937 in die Schweiz emi­griert, kam Böhm 1939 nach Chile. Er studierte Geschichte und Kunstgeschichte an der Univer­sität der mittelchilenischen Grosstadt Concepcion und wurde zunächst Journalist, insbesondere Kunstkritiker.

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Im Andenken an den Anfang 1943 mit seiner Frau (Berta geb. Schüller) nach Auschwitz ver­schleppten Gleiwitzer Rechtsanwalt Dr. Ernst Kohn wurde Anfang Januar imInstitute of Con­temporary History and Wiener Library in Lon­don eine Plakette enthüll*. Die Initiative zu die­sem, in seiner Art selten pietätvollen Akt war von Kohns ältester Tochter Hilde und deren Ehemann, dem Industrie Kaufmann Max Kochmann (Basil- don/Essex), ausgegangen, die beide seit langem im Jüdischen Gemeinde- und Organisationsleben Eng­lands stehen. 1888 in Berlin geboren, war Ernst Kohn nach dem frühen Tod seines Vaters nach Gleiwitz gekommen woher seine Mutter stammte Als schwerbeschädigter Offizier aus dem 1. Welt­krieg zurückgekehrt, wurde er Partner einer an­gesehenen Anwaltssozietät in Gleiwitz u. blieb von 1938 an noch vier Jahre lang als sogenannter Rechtskonsulent, zuletzt als einziger in ganz Ober­schlesien, für den Rest der jüdischen Gemein­schaft tätig. Ferner war Dr. Kohn Vorstandsmit­glied, zeitweise Vorsitzeznder der Synagogenge­meinde Gleiwitz und führend in jüdischen Reichs­organisationen wie dem Jüdischen C.-V. und dem Reichsbund jüdischer Frontsoldaten.

Der 1899 in Beuthen/Oberschlesien geborene Arzt Dr. Paul Immerwahr, vor seiner Auswande­rung Medizinalrat in Gleiwitz, ist nach längerer Krankheit Ende Oktober in Chicago gestorben. Zuletzt in Downers Grove/Illinois ansässig, hat er in der neuen Heimat den Beruf eines praktischen Arztes ausgeübt. In seiner Vaterstadt hatte Im merwahr die jüdische Volksschule besucht und 1913 das Beuthener Hindenburggymnasium absolviert Ausser in Breslau studierte er in Rostock, Frei­burg i. Br. und München. Ein treuer KCer, ge­

hörte er lange zum Vorstand des oberschlesischen Landesverbandes des C.-V. Wie sein Onkel, Justiz­rat Wilhelm Immerwahr (18651935), war Paul Immerwahr landesgeschichtlich und jüdisch-histo­risch interessiert. Auch hat er sich schon früh mit Fragen der Rassenforschung publizistisch be­schäftigt.

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In Bloomington ün U)3-Bundesstaat Indiana, wo er seit 1972 als Professor an der Universität lehrte, ist der Germanist Oskar Seidlin gestorben. Die zumindest seit nahezu 40 Jahren ungewöhn­lich erfolgreiche und vielfach ausgezeichnete Lauf­bahn des 1911 (als Oskar Koplowitz) in Königs- hütte/O'berschlesien geborenen Wissenschaftlers und Autors hat damit ein allzu frühes Ende ge­funden. 1933 hatte er aus Deutschland auswandern müssen. 1935 wurde er in Basel mit einer Disser­tation überOtto Brahm als Theaterkritiker, die 1936 als Buch herauskam, zum Dr. phil. pro­moviert. Seit 1939 wirkte Seidlin, unterbrochen allerdings durch Kriegsdienste in der amerikani­schen Armee, an Schulen in den U.S.A., bis 1972 an der Ohio State University in Columbus. Seine Forschungen und Interpretationen galten insbe­sondere Eichendorff, Goethe, Schiller, Thomas Mann und Hermann Hesse. Unter anderem gab er den Briefwechsel zwischen Arthur Schnitzler und Otto Brahm heraus. 1983 erhielt er den nach dem deutschen Kunsthistoriker benannten Georg-De- hio-Preis. Schon vorher waren ihm zwei Eichen­dorff-Medaillen, eine Goethe-Medaille (1963), 1975, in Würdigung seiner hervorragenden Leistungen auf dem Gebiet der Eichendorff Forschung, der oberschlesische Kulturpreis des Landes Nordrhein- Westfalen und 1968 derPreis für Germanistik im Ausland der Akademie für Sprache und Dich­tung verliehen worden. Seit 1954 war Professor Seidlin mehr als einmal Gastprofessor an deut­schen Universitäten, aber Berufungen auf Lehr­stühle in Deutschland blieben erfolglos. Hingegen hat er längere Zeit fürDeutschland-Funk, Köln, gearbeitet.Herkommen und Erneuerung nann­te sich, völlig zutreffend, die 1976 in Tübingen er­schienene Essaysammlung zu Seidlins Fünfund­sechzigstem im Mittelpunkt des Bandes steht die Literatur der Goethezeit.

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KOENIGSHUETTE - BRESLAU MANNHEIM NEW YORK

Verspäteter Glückwunsch für Dr. Max Gruenwald

Dr. Max Gruenewald, in den Jahren 1926/38 Mannheimer Gemeinderabbiner und 1934/38, gleichzeitig, auch Gemeindevorsitzender (ein ein­maliger Vorgang in der jüdischen Gemeindege­schichte Deutschlands), begeht am 4. Dezember in Millburn (N.J., USA) seinen 85. Geburtstag, rüstig und aktiv geblieben wie eh und je. Er ist eine Persönlichkeit, die sich hüben wie drüben um das Jüdische Leben hoch verdient gemacht hat. In seiner Mannheimer Amtszeit, die ihn persönlich und beruflich erfüllte, war er u.a. Mitgründer des örtlichen Jüdischen Lehrhauses, hatte seit 1935 Sitz und Stimme im Oberrat der Israeliten Ba­dens (Karlsruhe) und gehörte ab 1934 dem Präsi-

(Fortsetzung auf Sette 6)

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