Das Jüdische Echo

Nummer 49_ 3. Dezember 1920 7. Jahrgang

Chanukah.

Die Tage des Festes, das wir gegenwärtig begehen, führen uns zurück in jene Zeit, hi der unserem von allen Seiten verfolgten, der Verzweiflung nahen Volke sich ein Retter fand, Frömmigkeit und Opferfreudigkeit, hohen Mut und Klugheit in sich vereinigend. Mattathias aus dem Stamme der Hasmonäer empfand die verzweifelte Lage seines Volkes mit dem größten Schmerze.Das Heiligste entweiht, Juda zum Sklaven erniedrigt, wozu sollen wir noch leben? waren die Worte des greisen Hasmonäers, die er an seine 5 Söhne und Freunde richtete, und mit welchen er sie zur Tat anfeuerte. Er hatte das Empfinden, daß Untätigkeit und Trauer im engen Winkel nicht zum Ziele führen; entweder Abhilfe schaffen oder ruhmvoll für die große Sache ster­ben. Von solchen Gedanken beseelt, trat die kleine Schar aus der Verborgenheit hervor und beispiellose Heldentaten bezeichneten ihren Weg. Der Erinnerung an diese Bewegung und ihre Fol­gen für unser Volk sind die acht Tage des Cha- nukahfestes gewidmet und gleichzeitig sind sie eine Mahnung an unsere Pflichten unserem Volke gegenüber auch in jetziger Zeiit. Wir haben nicht nötig, an dieser Stelle auf die traurige Lage un­seres Volkes in vielen Teilen der Welt hinzuwei­sen; wer die jüdische und allgemeine Presse ver­folgt, weiß, wie traurig es bestellt ist, wie Po­grome, wie sie grausamer die finsterste Zeit des Mittelalters nicht aufzuweisen hatte, auf die Unter­drückung unseres Volkes hinarbeiten. Wir sind nicht in der Lage wie unsere Ahnen, die Makka­bäer, mit dem Schwerte für unser Recht einzu­treten, wir können auch nicht durch Fasten und Einsetzung von Trauertagen das Verhängnis ban­nen. Wir müssen neben unserem Gottvertrauen, das in der traurigsten Zeit unser Volk nie ver­lassen hat, eine Tatkraft entfalten, welche eine Verbesserung der drückenden Lage in Aussicht stellt Gerade am Chanukahfeste müssen wir uns dieser unserer Pflicht erinnern. Das Fest gehört nicht nur in unsere Gotteshäuser, in Haus und Familie, es gehört in unsere jüdischen Herzen. Möge unser Herz die Makkabäerepoche in sich sprechen lassen; sie bildete einen Aufstieg un­seres Volkes, einen Aufschwung, wie wir ihn uns heute nicht schöner wünschen können.

Wir haben jetzt Gelegenheit, wie lange vorher nicht, unserem Volk in seinem Lande eine freie Heimat zu schaffen. Spannen wir alle. Groß und Klein, unsere Kräfte an, öffnen wirHerz und Beutel zur Unterstützung unserer großen Auf­gaben. Möge Jeder nach seinen Kräften zum Auf­bau Palästinas beitragen! Dile Makkabäer haben ihre körperliche und geistige Kraft für ihr Volk eingesetzt, mögen ihre Nachkommen sich würdig der Vorfahren zeigen! Jakob Fränkel.

Chanukah-Spende.

Die Jahrhunderte alte Sehnsucht des jüdischen Volkes soll in unseren Tagen erfüllt werden. Nach zwei Jahrtausenden der Verbannung vom Heimatboden, der Zerstreuung in alle Weltteile

und Länder, nach entsetzlichen Verfolgungen und Unterdrückungen sind die Juden von den Nationen wieder als Volk anerkannt und Palästina, das Ziel ihrer Träume, soll wieder zu ihrer Heim­stätte werden. Das Chanukahfest des Jahres 5681 wird von allen Juden, denen das Schicksal ihres Volkes am Herzen liegt, mit besonderer Weihe begangen werden. Milt Stolz erfüllt uns heute wieder der Mut des ganzen jüdischen Volkes, das allen Gefahren zum Trotz sich durch die Jahrhunderte erhalten hat und jetzt wieder einer neuen freien Entwicklung entgegengeht.

Aber noch ist die Heimstätte in Palästina nicht errichtet, zu deren Aufbau ungeheure Mittel nötig sein werden. Der Jüdische National­fonds, der Hauptfaktor der palästinensischen Kolonisation, ist als erster dazu berufen, das dortige Siedlungswerk, das er bereits vor dem Kriege begonnen hat, großzügig auszubauen. Wer ihn unterstützt, der hilft damit gleichzeitig zahl­losen unserer heimatlosen Brüder, die durch Krieg und Pogrome auch das Letzte verloren haben, ein neues Leben auf eigener Scholle zu bereiten. Großzügige Unterstützung ist daher am Chanukahfest, dem Fest der Freude und des Schenkens, die erste Pflicht unserer Stammes­genossen. Jeder Jude hat die dringende und hei­lige Aufgabe, mitzuarbeiten am Bau der jüdischen Heimstätte und nach besten Kräften den Jüdi­schen Nationalfonds zu unterstützen, damit noch in unseren Tagen dem jüdischen Wanderer eine Heim- und Zufluchtstätte in Palästina erstehe!

Beträge für die Chanukah-Spende können ein­bezahlt werden im Sekretariat des Jüdischen Nationalfonds, Wagmüllerstraße 19/0, Eingang Galeriestraße, oder auf Postscheckkonto Elisabeth Mahler 10121.

Ein unvorsichtiges Geständnis.

DerVölkische Beobachter veröffentlicht fol­gende Notiz, die von einer Anzahl rechtsstehender Blätter, darunter derSüddeutschen Zeitung, unverändert übernommen wurde:

In einem AufsatzHeute oder nie imJüdi­schen Echo vom 5. November 1920 klagt der Verfasser in bekannter rührseliger Weise über di'e verfolgten Juden. Nur einige Sätze mögen davon hier stehen, weil sie ein wissenswertes Einge­ständnis enthalten, das vielleicht umso wertvoller ist, als es aus dem jüdischen Lager selber kommt, wissen wir doch, daß der Deutsche Fremden immer eher glaubt, als seinen deutschen Volks­genossen. Es heißt da gleich zu Anfang des Auf­satzes:Man sollte die Schmach täglich in die Welt hinausschreien. Judenelend, wie nie in der von Judenblut besudelten Geschichte Europas bringt jede Stunde. Kein Hahn kräht danach. Was der Ukraine, in Polen, in Ungarn ge­schieht, ist zu scheußlich, um es in Einzelheiten wSederzugeben. Die große, vielfach von Juden geleitete Presse schweigt. (Dieser Satz ist vom Verfasser gesperrt!)

Eine Stellungnahme zu den angedeuteten Greueltaten gegen die Juden in der Ukraine, in