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Mitteilungen des Israel. Lehrervereins für Bayern Nr. 1

sehen Lehrervereins für Bayern hat einstimmig folgende

Entschließung

gefaßt:

Die vom Verband Israelitischer Gemeinden zur Zeit für leistungsschwache Gemeinden empfohlene Besoldung ihrer Beamten mit dreiviertel der staat­lichen Sätze hat bei der in vielen Gemeinden herr­schenden Leistungsunwilligkeit, trotz der Zu­schüsse des Verbandes, zahlreichen Beamten noch nicht Dreiviertelbesoldung gesichert. Leistungs­fähige Gemeinden, wie z. B. die Großgemeinde München, besolden seit Monaten, wenn auch vor­läufig und unverbindlich, ihre Beamten mit drei­viertel der staatlichen Sätze. Eine solche Besol­dung erscheint nicht gerechtfertigt und muß un­heilvoll wirken.

Sie drückt die Gehaltsempfänger, welche An­spruch auf Bezahlung nach Gruppe VIVIII hät­ten, in die Gruppen IIIV herab; sie mutet den Gemeindeangestellten zu, 25% des gesamten Per­sonaletats auf ihre schwachen Schultern zu neh­men, ein Opfer, das in der Regel die Kultussteuer­leistung auch der bestsituierten Gemeindemitglieder weit übersteigt; sie degradiert der Außenwelt gegenüber die Arbeit der Rabbiner und Lehrer und setzt das Ansehen des Judentums herab.

Das Beispiel hat besonders verheerend auf die Leistungswilligkeit der Klein- und Mittelgemeinden gewirkt und in vielen Fällen die Besoldung tief herabgedrückt. So ist auch in Bayern trotz 75%- iger Eingruppierung der jüdische Beamtenstand in seiner wirtschaftlichen Existenz schwer be­droht. Die Folgeerscheinungen sind, wie allgemein in Deutschland, auch hier: Flucht aus dem jüdi­schen Beamtenstand, Entvölkerung der Lehrer­bildungsanstalten, in vielen Gemeinden bereits das Fehlen jeder religiösen Unterweisung für Jugend und Erwachsene.

Der Israelitische Lehrervereiii für Bayern weist die breiteste jüdische Öffentlichkeit, ganz beson­ders aber die verantwortlichen Führer in den Ge­meinden und im Landesverband, nachdrücklich auf die Gefahren hin, welche dem Judentum aus der schon Jahrzehnte dauernden wirtschaftlichen Notlage des jüdischen Beamtenstandes drohen und erwartet dringend Abhilfe, damit der völlige Zu­sammenbruch des jüdischen Lebens in den Ge­meinden und der damit unvermeidliche Chilul Ha­schern gegenüber der nichtjüdischen Öffentlichkeit verhütet werde."

München, 24 Mai 1923. S. Dingfelder, M. Rosenfeld,

1. Vorsitzender Schriftführer

An die Mitglieder des Lehrervereins! Von Mitte Juni ab werde ich für mehrere Mo­nate von München abwesend sein. Ich bitte, alle Zuschriften an den Schriftführer M. Rosenfeld, München, Buttermelcherstraße 4/III, zu richten. Allen Freunden die herzlichsten Grüße!

S. Dingfelder.

Mitgliederstand des Vereins

Am 1. Juni 1923 zählte unser Verein 209 ordent­liche und 10 Gewerkschaftsmitglieder. Die Zahl der Pensionisten beträgt 30. Aus der Hilfskasse erhalten 23 Witwen und 6 Waisen Beihilfen.

Im vergangenen Jahre verloren wir durch den Tod die aktiven Kollegen:

Karl Kaufmann, Ellingen, Moritz Maier, München, Leopold Katz, Erlangen. Infolge Aufgabe des Berufes traten aus dem Lehrerstande und damit aus dem Verein 10 Mit­glieder aus.

Neu aufgenommen wurden: E. Liffgens, Fürth, und Katz, Aschaffenburg.

Von unserer Hilfskasse

Dank besonderer Zuwendungen konnten wir zum Wochenfest unseren Pensionisten, Witwen und Waisen Beihilfen im Gesamtbetrage von 1 Mil­lion Mark zuwenden, so daß in diesem Jahre be­reits 2 1 U Millionen für diesen Zweck aus der Hilfs­kasse ausbezahlt wurden.

An Spenden erhielten wir in jüngster Zeit durch Rosenfeld von einem ungenannten Freunde 100 000 Mark, durch Herrn Rabbiner Dr. Baerwald von Ungenannt 30 000 Mk., von der Maimonides-Loge in Nürnberg 10 000 Mk.

Bei dieser Gelegenheit erinnern wir die Kol­legen daran, die Beiträge unserer außerordent­lichen Mitglieder (Mindestjahresbeitrag 500 Mk.), die ganz der Hilfskasse zufließen, einzuheben.

Im hohen Alter von 80 Jahren verstarb in Neu­stadt a. d. Saale die Witwe unseres früheren Kol­legen Bergenthal. Im Namen der Hinterbliebenen sandte Herr E. Meyer, Berlin, zum ehrenden Ge­dächtnis der Heimgegangenen, die schon seit Jah­ren zugunsten unserer Kasse auf ihre Witwen­pension verzichtet hatte, 200 000 Mk. für die Hilfs­kasse. Wir werden der Verstorbenen in Dank­barkeit gedenken.

Personalien

Auf die neuerrichtete jüdische Volksschule in Neustadt a. Saale wurde Hauptlehrer Karl Wahler, bisher in Steinach a. Saale, berufen. Die Volks­schule in letzterem Orte wurde aufgelöst.

Lehrer Simon Blumenthal in Aub erhielt die Religionslehrerstelle in Neustadt a. Aisch.

Dr. Klugmann in München wurde unter Beför­derung nach Gruppe XI zum Studienprofessor ernannt.

In Nürnberg ist Dr. Bamberger zum Präsidenten der Maimonides-Loge gewählt worden.

Aus den Gemeinden

Erlangen hat die Stelle eines Religionslehrers ohne Gehaltsangabe ausgeschrieben. Unsere Ge­werkschaftskommission warnt die Kollegen vor Bewerbung, ohne sich vorher mit dem Vorsitzen­den der Gewerkschaft, Ehrenreich-Nürnberg, Sol­gerstraße 16, in Verbindung gesetzt zu haben. Wir erwarten, daß auch die außerbayerischen Kolle­gen, die ja mit uns im Jüdischen Beamtenbund zusammengeschlossen sind, Solidarität bewahren.

Der Vorstand einer Pfälzer Gemeinde wandte sich an unseren Verein mit dem Ersuchen, der Gemeinde einen Lehrer namhaft zu machen, der im Nebenberufe einen Handel mitFällen" (wört­lich) betreiben könnte. Vielleicht findet die Ge­meinde eher einen Fellhändler, der nebenher das Lehramt versieht.

In Aub ist die Religionslehrerstelle ausgeschrie­ben. Gehalt nach Tarif oder Übereinkommen. Wir empfehlen etwaigen Bewerbern, sich vor allem Gewißheit zu verschaffen, nach welchem Tarif die Besoldung erfolgen soll.

Neue Teuerungszulagen

Nach Bekanntmachung des Staatsministeriums für Finanzen beträgt die Teuerungszulage für die 1. Hälfte des Mai 1220%, für die 2. Hälfte 1700%. Hierzu kommt in besonders teuren Orten die Über­teuerungszulage, die für München 156% beträgt. Für den Monat Juni sind einstweilen 1700% als Teuerungszulage und 180% als Überteuerungs­zulage festgesetzt.