MITTE ILUN G E N

des Israelitischen Lehrervereins für Bayern

__SchrMtleitung: M. Rosenfeld, München

Nr- 19 _ München, 30. Januar 1925

Jahresbericht, erstattet auf der 43. Mitgliederversammlung

am 14. Juli 1924

(Schluß.)

Dieser Weg hat sich als rechtlich gangbar er­wiesen, aber seine allgemeine Durchführung schei­terte an den finanziellen Konsequenzen. Der Ver­band müßte neben den Gehaltsleistungen an die aktiven Beamten auch die nicht unerheblichen Prämien an den Versorgungsverband und Vio der Pensionen auf seinen Etat nehmen finanzielle Belastungen, deren dauernde Leistung nicht durch­führbar erschienen. Da wir viele hochbetagte Kol­legen in unserem Verein haben, stellte die Vor­standschaft des Lehrervereins wiederholt Anträge auf Ausführung der Stolischen Vorschläge, die auf der 2. Tagung einer dreigliederigen Kommission überwiesen wurden. Wir erhoffen, daß bis 10 Be­amte vom Verbände vorsorglich übernommen wer­den sollten. Wir benannten 10 Kollegen, die in Kleingemeinden wirken und die Grenze der 70 Jahre erreicht oder ihr nahe sind. In zweiter Linie benannten wir 10 Beamte, die zwischen 50 bis 60 Jahren stehen und nachrücken, sobald ein Beam­ter der 1. Gruppe pensioniert wird.

Das ist wohl keine restlose Lösung, aber eine, die die Finanzkraft des Verbandes tragen kann.

Wir sehen, daß der Verband auch im vergan­genen Jahre alle Kräfte einsetzte, um trotz schwie­rigster Verhältnisse die verfassungsmäßige Aufgabe der Fürsorge für Rabbiner, Lehrer, Kantoren und andere Beamte der Verbandsgemeinden zu erfüllen, wir müssen aber wie auch im Vorjahre feststellen, daß zahlreiche Gemeinden die Verpflichtungen ge­gen ihre Beamten nicht so erfüllten, wie die Fest­stellungsbescheide des Verbandes verlangen.

Die Groß- und Mittelgemeinden scheiden bei un­serer Kritik aus, da Berichte oder Beschwerden nicht eingelaufen sind. Die leistungsschwachen Ge­meinden haben häufig die Hälfte, in vereinzelten Fällen 3 / 8 des Beamtengehaltes aufzubringen. Da auch die staatliche Vergütung für den Religions­unterricht, ein angemessener Betrag für die freie Wohnung und die Schechita-Erträgnisse mit einge­rechnet werden, so kann die Aufbringung des Re­stes durch Steuern für die Mehrzahl der Kleinge­meinden nicht unerschwinglich und unerträglich sein. Wir geben zu, daß gerade in den letzten Mo­naten die Verhältnisse der Kaufleute und der Vieh­händler sich sehr schwierig gestaltet haben die Mitglieder der Landgemeinden waren aber auch früher nicht zahlungswilliger; als sie im Glück der Papiermilliarden schwammen, netzten die mächti­gen Fluten den Beamten noch nicht die Füße. Aufbesserungen in entwerteten Millionen und Mil­liarden sorgten, daß Rabbiner, Lehrer und andere Beamten keine übermütigen Millionäre wurden, sondern nach ihrer historischen Bestimmung arme Minnionäre blieben.

Seitdem der Verband besteht, sucht er vergebens nach einer brauchbaren Lösung und nach einem Mittel, zahlungsunwillige Gemeinden in zahlungs­willige umzuwandeln. Das erste und gerechteste Mittel, die Verkürzung der Zuschüsse, würde nicht

die Gemeinde, sondern den Beamten treffen; da die Gemeinden nicht daran denken, den Ausfall zu decken, wäre der Beamte der Leidtragende des­halb scheidet eine solche Maßregel von Anfang an aus.

Das Mittel des Beamtenstreiks, welches in Be­ginn der Gewerkschaftsbewegung mit ihren Hilfs­und Kampfmitteln bei unseren Beratungen im Vor­dergrund stand, hat sich als eine zweischneidige und für uns unbrauchbare Waffe erwiesen. Wir mußten auf ihre Anwendung verzichten, da unse­rem Verein die Autorität und die Gewalt fehlte, Streikbrecher fernzuhalten, und da uns die mate­riellen Mittel nicht zur Verfügung standen, strei­kende Beamte und ihre Familien genügend zu unterstützen. Dazu kommen religiös-moralische Be­denken, ob das Unrecht gegenüber dem Beamten diesem das Recht gibt, das religiöse Leben, den Gottesdienst und den Religionsunterricht durch Versagen jeder Tätigkeit und Verbot jeder Aushilfe unmöglich zu machen und die schweren Rechts­folgen für den Streikenden, der von unmittelbarer Kündigung bedroht war.

So haben wir im letzten Jahre von Zwangs­mitteln Abstand genommen und es gelang uns mit Hilfe des Verbandes und seiner Distriktsausschüsse, auf dem Wege gütlicher Verhandlungen manche Härten zu beseitigen. Zu friedlicher Lösung von Konflikten und zu Opfern sind Gemeinden dann sehr bald bereit, wenn eine Vakanz eintritt. Dutzende von Gemeinden finden, wenn sie die Stelle noch so oft ausschreiben, keinen Beamten, dann bewil­ligen die Gemeinden, wenn sie ein Jahr und län­ger ohne Lehrer, Vorbeter und Schochet vegetier­ten und den drohenden Verfall vor Augen sahen, dem Nachfolger gern die Rechte und vor allem die Besoldung, um die der Vorgänger vergeblieh kämpfte. Ich könnte Beispiele aufführen; ich ver­meide es, w r eil jeder Erfolg entwertet wird, wenn es auf Kosten und nackter Beschämung des Geg­ners geschieht, der sich belehren ließ.

Die Vereinigung von Nachbargemeinden zu Be­zirksgemeinden muß immer weiter ausgebaut wer­den. Nur so können aus leistungsschwachen Ge­meinden Gebilde geschaffen werden, die mit ver­einten Kräften sich ihre Schulen, Gottesdienst und Ritualeinrichtungen lebensfähig erhalten können, die aber auch einem Beamten ein Arbeitsfeld ge­währen. Ich teile hier den Standpunkt des Kol­legen Strauß-Westheim, der diese Frage in vor­bildlicher Weise in unseren Mitteilungen behandelt hat.

Damit komme ich zu den Aufgaben des Wieder­aufbaus. Ich will aber nach dem religiösen Gebot: Du sollst nicht in das Arbeitsgebiet eines anderen eindringen! die Behandlung dieser Frage unseren Referenten Stoll und Oppenheimer überlassen und da viel Arbeit auf uns wartet, die Zeit aber kurz ist, so lassen sie mich mit einem Gebeteswort schlie­ßen, wie ich begonnen habe. Wenn Feinde rings­um drohen, wenn es um die Ehre und Lehre des