MITTE ILUN GEN

des Israelitischen Lehrervereins für Bayern

_ Schriftleitung: M. Rosenfeld, München

Nr. 20 München, 27. Februar 1925

Zur Verbandstagung

Am 15- März wird der Verband Bayerischer Is­raelitischer Gemeinden in Würzburg zu seiner 3. Tagung zusammentreten. Nahezu 2% Jahre sind seit der letzten Tagung vergangen, Jahre der schwersten staatlichen und wirtschaftlichen Er­schütterung. Es wird für alle Zeiten zu den größten Ruhmestaten des Verbandes zählen, daß er. da alles zu wanken schien, fest und mutvoll seines Weges schritt. Die bayerische Lehrerschaft wird es nie vergessen, daß der Verband ihr das Durch­halten in den Wirrnissen der Inflation ermöglicht hat. Dankbar erkennen wir an, daß der Verband einer gerechten Besoldung der Beamten den Weg geebnet hat. (Daß hier leider noch nicht alle Wünsche erfüllt sind, wird an anderer Stelle dieses Blattes gezeigt.)

Vertrauensvoll sehen die Lehrer der kommenden Tagung entgegen. Bedeutsame Fragen für die Zu­kunft unseres Standes sollen durch sie ihrer Lösung zugeführt werden. Vor allem gilt es, die Alters­und Hinterbliebenenversorgung für die Beamten in den Kleingemeinden zu sichern. Eine nicht ge­ringe Zahl unserer Mitglieder steht längst an der Grenze, die den Ubertritt in den wohlverdienten Ruhestand gestatten würde. Die Ungewißheit der Pensionsversorgung zwingt sie, in einem Alter, da andere Beamte ihre Tätigkeit schon lange ein­gestellt haben, im Dienste zu verharren. Es ist zu hoffen, daß hier Wandel geschaffen wird. Wir verknüpfen hiermit die Erwartung, daß durch eine entsprechende Regelung auch die Lage unserer Altpensionäre, der Witwen und Weisen verstor­bener Beamter gebessert wird.

Die bevorstehende Tagung wird sich auch mit der Schaffung eines Beamtenrechtes zu befassen haben. Es darf hier der Wunsch ausgesprochen werden, daß den Beamtenorganisationen noch vor Zusammentritt der Tagung durch Bekanntgabe des Entwurfes Gelegenheit zur Stellungnahme ge­boten wird.

Der Verband ist keine kirchliche Organisation, er beruht auf dem freiwilligen Zusammenschluß der Gemeinden. Man könnte hierin eine gewisse Schwäche erblicken, aber anderseits liegt gerade in diesem Aufbau ein besonderer Vorzug. Der Verband wird sich dadurch die Jugendlichkeit er­halten; er wird immer bemüht sein müssen, das Vertrauen seiner Mitglieder zu wahren, das Band, das sie umschlinge, fester und inniger zu knüpfen.

Wir Lehrer haben dem Verband von Anfang an unser Vertrauen geschenkt. Wir werden auch künftig gerne unsere Kraft in den Dienst des Ver­bandes stellen.

So wünschen wir der bevorstehenden Tagung einen segensreichen Verlauf. Möge der Verbands­gedanke, der Gedanke des Zusammenschlusses zu gemeinsamer Arbeit, der Gedanke gegenseitiger Hilfsbereitschaft, der Gedanke, daß das Ganze über den Teilen steht, durch die Versammlung neu gestärkt und gefestigt wenden. Möge der Verband fortschreiten na-chail el chail. R.

Beamter oder Schnorrer?

Von S. K i s s i n g e r, Hptl- a. D., Urspringen.

H. J. St. hat unter obiger Überschrift in der vorletzten Nummer unserer Mitteilungen ausge­führt, daß derjenige, dessen Casualien pauscha­liert sind, kein Recht hat. für dieselben noch etwas zu verlangen. Ich muß in diesem Punkte H. St. vollständig beipflichten, denn wer sich auf Pauschalierung eingelassen hat, hat sich von selbst jeden Rechtes einer weiteren Forderung begeben, wenn er seinen Beamtenstandpunkt nicht preisgeben will für das für ihn wenig schmei­chelhafte EpithelchenSchnorrer". Die Ausfüh­rungen des H- St. veranlassen mich aber dennoch zu einigen Gegenäußerungen. Die Pauschalierung z. B. der Mischeberach hat meines Erachtens nur Gültigkeit für den Gemeindeangehörigen, nicht aber für Fremde, von denen der Kantor das volle Recht hat, die Bezahlung des Mischeberach zu verlangen. Ganz besonders sei hier eines hervor­gehoben. Es gibt Leute, die gerne in die Artikel etwas hineinlesen, was gar nicht darin steht und schlechthin jeden Beamten, der sich für seine Nebendienste etwas zahlen läßt, als Schnorrer betrachten. Deshalb sei hier ausdrücklich betont, daß alle Leistungen eines Kultusbeamten, für die er nicht vertragsmäßig bezahlt wird, besonders honoriert werden müssen und er das volle Recht hat, die Bezahlung zu fordern, ohne gegen seine Beamteneigenschaft im geringsten zu verstoßen, so wenig wie dies z. B. ein Rabbiner tut, wenn er sich für Trauungs-, Grab- und sonstige Gelegen­heitsreden bezahlen läßt, wenn dafür keine Pau­schalsumme festgesetzt ist. Nun noch einige Worte zur Pauschalierung der Mischeberachgelder. Ich würde nur unter der Bedingung für diese Maß­nahme zu haben sein, wenn, wie dies in man­chen größeren Gemeinden heute schon bestimmt ist und auch in der Synagogenordnung für den Kreis Unterfranken im Jahr 1889 vorgeschlagen war, die Zahl der zu machenden Mischeberach auf 1 oder 2 und auch die Zahl die dabei zu nen­nenden Namen auf höchstens 6 festgelegt ist. Ge­schieht dies nicht, so ist der Schikanisierung des Beamten durch krakelsüchtige Leute Tür und Tor geöffnet und auch einer Belästigung der Ge­meinde Vorschub geleistet, denn es ist ja bekannt, daß oft gerade diejenigen, die sonst für das Recht schwärmen, am meisten zetern und sich zu rächen suchen, wenn ihnen einmal seitens des Beamten oder der Gemeinde ihr Recht angetan wird.

Anmerkung der Schriftleitung. Nach dem Grund­satze schomra ben ashechem haben wir auch vor­stehende Zuschrift zum Abdruck gebracht. Indem jedoch der gesch. Einsender eine verhältnismäßig nebensächliche Frage in den Vordergrund rückt, im übrigen aber dem Verfasser des Artikels, Beam­ter oder Schnorrer zustimmt, nachdem weitere ge­gensätzliche Meinungen nicht zum Ausdruck ge­kommen sind, so darf als erfreuliches Ergebnis der Aussprache festgestellt werden, daß die Lehrer­schaft das System derBesoldung aus der We­stentasche" einmütig ablehnt. Die Honorierung