MITTE ILUN G E N

des Israelitischen Lehrervereins für Bayern

Schrütleitung: M. Rosenfeld, München

Nr. 22 München, 8. Mai 1925

Sollen wir unsere Söhne dem jüdischen Lehrerberuf zuführen?

In Nr. 14 desJüdischen Echo" wird über Fre­quenz und Leistung der israelitischen Lehrerbil­dungsanstalt Würzburg berichtet und im An­schluß daran für den jüdischen Lehrerberuf ge­worben, den man heute alsaussichtsreich" be­zeichnet. Anfangsgehälter von 200250 Mk End­gehälter von-400500 Mk. seien doch wohl recht beachtenswert. Dem Artikelschreiber schwebte wohl die Mahnung vor: Pas b' melach tochel umajim bimsuroh tischten w'al hoorez tischon w'chaje zaar tichjeh uwatoroh attoh omel.Brot mit Salz sollst du essen und Wasser nach Maß trinken und auf der Erde schlafen und ein Leben der Entbehrung leben und mit der Thora dich ab­mühen." Für diese Lebensweise allerdings sind die angeführten Gehälter selbst bei größerer Familie beachtenswert". Die wenigsten werden sich je­doch zu diesem asketischen Ideal aufschwingen können und wollen. Vielmehr wird der Stand­punkt des Rabbi Elosor ben asarjoh: Im en ke- mach en torahOhne Brot keine Gelehrsamkeit" den meisten zusagen. Welch tiefes psychologi­sches Verständnis spricht doch aus diesen kur­zen, prägnanten Worten. Sagen sie uns doch, und die Erfahrung bestätigt es immer wieder, daß selbst das idealste Streben eines Berufes durch wirtschaftliche Nöte, drückende Sorgen gehemmt und Mi seinen Leistungen stark beeinträchtigt wird. Daß den genannten Gehältern in ihrer heu­tigen Kaufkraft lange nicht die Bedeutung der Friiedensgehälter zukommt, weiß jedermann. Der Landlehrer ist schließlich noch günstiger daran als der Stadtlehrer, da ihm u. a. oft eine freie oder wenigstens billige Dienstwohnung zur Verfügung steht. Es hieße Altbekanntes wiederholen, wollte man darauf hinweisen, daß der jüdische Lehrer bei gleichem Gehalt doch schlechter gestellt ist als der nichtjüdische. Man frage den Stadtlehrer, den Familienvater, wie weit er mit seinem Gehalt reiche, ob er, trotzdem sich die Verhältnisse im vergangenen Jahre gebessert haben, nun ganz auf eigenen Füßen stehe, ohne noch der beschä­menden Unterstützung anderer zu bedürfen. Kann er die notwendigen Bedürfnisse seines Haushalts bestreiten, seine Familie ernähren, kleiden? Ist er bei etwaigen Zwischenfällen, wie Krankheit, Unglücksfällen usw. materiell gesichert? Sch'al owi'cho w'jagedcho s'kenecho w'jomru loch. Wir jüdischen Lehrer, die wir im Wandel der Zeiten mancherlei Erfahrung gesammelt haben, können ein Lied singen von Leid nud Sorge, Not und Ent­täuschung, Undank und Beschämung. Nöte, die uns schwerer trafen, als die ernsten Zeiten an sich sie mit sich brachten.

Ob die rechtlichen Verhältnisse des jüdischen Lehrers als eine Errungenschaft sich darstellen, die zur Ergreifung des Berufes locken

könnte, darüber wird bei der Erörterung des vor­liegenden Entwurfs eines Beamtengesetzes des Gemeimdeverbands zu reden sein!

Zur Frage der jüdischen Lehrerbildung

Auf unsere Anmerkung zu den Ausführungen des Herrn Seminaroberlehrers Anfänger-Würzburg über obiges Thema (Nr. 21 der Mitteilungen, Seite 53) erhielten wir eine längere Zuschrift der Semi­narleitung, auf Grund deren wir gerne feststellen, daß die vorgetragenen Bedenken hinfällig sind. Es wird auch von den sogenannten Nurreligions- lehrern die volle Profanbildung am Seminar ge­fordert; nur in vereinzelten Ausnahmefällen, welche praktisch wahrscheinlich niemals eintreten werden, würde dann das Religionslehrerzeugnis erteilt, wenn aus formellen Gründen ein Kandi­dat, der die volle Ausbildung als Volksschul- und Religionslehrer besitzt, zum Examen nicht zuge­lassen werden sollte. Es ist aus technischen Grün­den nicht möglich, sich über diesen Ausnahmefall weiter zu verbreiten; die Kollegen, welche sich für die Frage näher interessieren, können sich auf unserer Mitgliederversammlung weitere Aufklä­rung verschaffen.

Hnträge zur Mitgliederversammlung

Würzburg, den 24. April 1925. Die Vereinsmitglieder Goldstein, Mandelbaum y Hellmann und Stoll, sämtliche in Würzburg, stel­len den Antrag auf Statutenänderung mit dem Ziele:

a) die überflüssig gewordenen Gewerkschafts­bestimmungen aus den Satzungen auszu­merzen,

b) die Zugehörigkeit der nicht seminaristisch gebildeten Gemeindebeamten zum Lehrer­verein auch weiterhin zu ermöglichen,

c) den Verwaltungsapparat zu reduzieren. Zu diesem Zwecke wird beantragt:

1. In allen §§ wird an Stelle des WortesGe­werkschaftsmitglieder" das Wort außerordent­liche Mitglieder" gesetzt.

2. An Stelle der bisherigen Bezeichnungaußer­ordentliches Mitglied" ist zu setzenunterstüt­zendes Mitglied".

3. Das WortGewerkschaftskommission" ist zu ersetzen durch den BegriffKommission für wirtschaftliche Angelegenheiten".

4.1m besonderen wird beantragt zu § 2, 2. Satz: Er gewährt Beihilfen an ordentliche u n d außerordentliche Mitglieder und deren Hinterbliebene unter Berücksichtigung ihrer besonderen Lebensverhältnisse und der Dauer ihrer! Zugehörigkeit zum Verein. (Die unterstrichenen Satzteile sollen neu angefügt werden).

5.§ 2 sind die Wortenach gewerkschaftlichen Grundsätzen zu streichen.