Schicksal und Ausrottung -
der Juden in Deutschland
Die Tragik der Juden in Breslau
Am 30. Januar 1933 unternähm. Reichspräsident von Hinden- burg den für die Welt so verhängnisvollen Schritt, die Regierungsgewalt einem nach der Aussage des Zeugen Generalfeldmarschalls Paulus im Nürnberger Prozeß „wahnsinnigen Verbrecher”, zu übergeben. Damals ahnten die Juden in Europa nicht, daß damit auch das Todesurteil über sie gefällt worden war. Nicht umsonst hatten SA und SS auf ihren Propagandamärschen und Fackelzügen mit Vorliebe das Lied gesungen, in dem es heißt, daß sie erst ihres Lebens froh sein werden, „wenn das Judenblut vom Messei spritze.” -
Vor dem internationalen Militärtribunal in Nürnberg sprachen die Ankläger der Welt ihre erschütternde Sprache. In. dem größten Drama der Weltgeschichte, das sich vor den Äugen der lebenden Generation abspielte, bildete die Vernichtung und Ausrottung der Jutfen in Europa den grausamsten Akt.
A, Die Behandlung der Juden in Deutschland von 1933—1939.
Den Auftakt für den Beginn der Sondermaßnahmen gegen die Juden in Deutschland bildete der im April 1933 von der Reichsregierung angeordnete allgemeine Boykott der jüdischen Geschäfte und Fabriken. An dem fraglichen Tage mußten die Geschäfte geschlossen gehalten worden. In der Folgezeit wirkte sich dieser Boykott allmählich aus, und besonders in den kleinen Städten kam es zu pogromartigen. Exzessen, wobei Personen beim Versuch des Betretens von Geschäftslokalen fotngraphiert und die Bilder mit entsprechenden Bemerkungen in den Nazizeitungen oder im „Stürmer”’ veröffentlicht wurden.
Einige Zeit, darauf begann die Gestapo sich mit den Juden in Deutschland zu befassen und zwar, zunächst mit jenen, die in Beziehungen zu Arierinnen standen. Ungeachtet des Mangels an gesetzlicher Grundlage verhaftete die Geheime Staatspolizei diese Juden und die deutschen Frauen una nahmen sie „wegen unmittelbarer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit” in Schutzhaft. - Aus dieser erfolgte die Ueberführung in die Konzentrationsläger, in denen die Ausrottungspolitik der Nazi Verbrecher ihren Anfang nahm. Al» dann im Jahre 1935 die berüchtigten „Nürnberger Gesetze” erlassen wurden, leiteten nunmehr die zuständigen Gerichte eine Massenverfolgung wegen sogenannter Rassensehande ein. In Breslau wurden unter dem Vorsitz des Naziknechtes Landgerichtsdirektor' Jochem überwiegend mehrjährige Zuchthausstrafen gegen die , „Rassenschänder” verkündet. Nach Verbüßung ihrer Strafen wurden aber die Verurteilten nicht freigelassen, vielmehr von der Gestapo erneut verhaftet. Diese Unglücklichen sollten aus. der Strafhaft ihr® sofortige Auswanderung betreiben, was nur wenigen gelang. In den überwiegenden Fällen wurden sie in ein Konzentrationslager überführt, um nach .einer gewissen Zeit als Urne zurückzukehren. Damit trat die Brutalität der Naziverbrecher immer unverhüllter zu Tage, und die Urneh- friedhöfe begannen sich zu füllen.
Aus der Fülle der einsetzenden Verfolgungsmaßnähmen gegen die Juden möge der markante Fall des angesehenen Dr. med. et dent. .Neumann in Breslau hervorgehoben werden’. Dieser hatte als Witwer zur Pflege seines kranken Kindes eine arische Krankenschwester im Hause, .was ihm 6 Monate Gefängnis eintrug. Von seinem späteren ^Transport nach dem Osten ist Dr. Neumann nicht- mehr zurückgekehrt. Aehnlich gelagerte Fälle mit stets tragischem Ausgang für die Betroffenen ließen die Juden in Deutschland erkennen, daß die ruehlose und verbrecherische Politik, der Judenverfolgung und Ausrottung selbst vor dem empörten Urteil der Welt nicht Halt machte.
Die Tragödie der , Juden in Deutschland begann sich am 9. November 1938 nach der berüchtigten „Kristallnacht” zu erfüllen, als in den Städten die Synagogen in Flammen auf-- gingen und die jüdischen Geschäfte und Fabriken radikäl vernichtet wurden. An den darauf folgenden 3 Tagen verhaftete die Gestapo die jüdischen Männer aus ihren Wohnungen heraus und überführte einige 10 000 Männer in das Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar, das seinen Schreckensnamen als Todeslager mit Auschwitz, Maidanek, Belsen, Mauthausen und anderen für alle Zeiten behalten Wird. Manche dieser im November 1938 verschleppten Männer kehrten aus dem Lager nicht mehr zurück, andere wie
der trugen so schwere gesundheitliche Schäden davon, daD \ sie nach ihrer Rückkehr schwer erkrankten und starben. i
Bis zum Kriegsausbruch gelang es etwa einem Drittel der ?
in Deutschland- lebenden 600 000 Juden auszüwandem, wäh- j rend über die im Lande .-verbliebenen etwa 40 000 Juden das erbarmungslose Schicksal der Vernichtung mit voller Wucht hereinbrach. j
B. Der Ausrottungsprozeß der Juden in Deutschland nach Kriegsausbruch * f
Nach Ausbruch des Krieges setzte der Einsatz der Juden r in Deutschland als Arbeitssklaven unter erniedrigendsten Bedingungen mit schonungsloser Härte ein. Besonders in den Rüstungsbetrieben wurde die restlose Aussehöpfung der Arbeitskraft der Juden erbarmungslos durchgeführt. Juden . und Polen waren als solche durch den gelben Judenstern bzw. durch das „p” der Polen gekennzeichnet und mußten das Martyrium der Sonderbehandlung unerbittlich über sich j ergehen lassen. In dem Breslauer Großrüstungsbetrieb der „Famo” wurden Juden bei den geringfügigsten Vergehen der Gestapo und damit der Verbringung in die Konzentrationsläger übergeben. Der Verfasser dieser Abhandlung gehörte lange Zeit hindurch zur Belegschaft dieses Sklavenbetriebes und gedenkt in Trauer der vielen hundert Juden — unter ihnen mancher ehemalige Akademiker von Ruf .—, die später als abgearbeitete und erniedrigte Opfer dieses Betriebes ihrem furchtbaren Ende in Auschwitz zugefühnt wurden.
Im Jahre 1941 setzte die Zwangsverschleppung der Juden nach dem Osten ein, *die nach ihrer Erfassung in den Poji- ! zeirevieren den Marsch nach . den Verlädebahnhöfen als e „Judenhaufen” antraten. In Breslau wurden dann die Ju- \ den in der zum. Massenquartier entwürdigten Synagoge in '■ der Wallstraße oder im Freundehaus in der Graupenstraße . ! zusammengepfercht, um von da aus den Weg in die Ver- ; nichtungsläger im Osten oder nach Theresienstadt in der Tschechoslowakei anzutreten. Im Rahmen dieser Abhandlung ist es nicht möglich, die ungeheure Tragik der Elendszüge dieser Unglücklichen durch die Straßen der Stadt Breslau und die grauenhaften Szenen bei ihrer Verladung anschaulich wiederzugeben. Manche der dem Tode Geweihten haben in ihrer Verzweiflung unmittelbar vor dem Abtransport im Selbstmord den letzten Ausweg vor. dem j unentrinnbaren Schicksal gesucht und gefunden. j
Sofort nach ddin Verlassen ihrer Wohnungen wurde die ge- - j sämte Wohnungseinrichtung der Juden mit allem Inventar ! vom Finanzamt beschlagnahmt und die Wohnung versiegelt.
Bei einem der Abtransporte der'Juden nach dem Osten . ;■ wurden die in Mischehe lebenden Juden zum Ordnungs- j dienst herangezogen. Nach Beendigung des Dienstes ließ j der berüchtigte Gestapokommissar Hampel die Ordner | antreten, jim festzustellen, ob bzw. welche von ihnen Geldbeträge der Ab transportierten angenommen hätten. In ihrer Ahnungslosigkeit meldeten sich einige mit geringen Beträ- ;
gen, die später festgenommen und in fein Lager gebrächt j
wurden, aus dem bald die Nachricht von ihrem Tode die i arischen Ehefrauen erreichte. Diese und ähnliche geringfügigsten Ursachen genügten, um die in Breslau verbliebenen > Juden in Mischehen ihrem Schicksal preiszugeben. So genügte das beobachtete Verdecken des gelben Judensterns oder die Tatsache, daß ein Mischling für 10 Pfg. Fruchteis gekauft hatte, um ihr Leben preiszugeben.
Die Schreckenszeit der restlichen Juden in Breslau in Misch-, ehe und ihrer treuen arischen Ehepartner, die zu den niedrigsten Arbeiten wie als Wagenwäscherinnen oder zui Müllabfuhr herangezogen wurden, fand ihre Krönung, als ihr Einsatz bei den Schanzarbeiten des Unternehmens Bartold im September 1945 zur Durchführung kam. Die Ent- ; behrüngen im Zwangsarbeitslager Grüntal bei schwerer' ächanzarbeit führten zu zahlreichen Erkrankungen und aucn i zu Todesfällen. '
Inzwischen hatte sich die Front Breslau genähert, das zur ! Festung erklärt worden war. Die restlichen Breslauer Juden - in Mischehe konnten zum größten Teil noch rechtzeitig aus dem aufgelösten Zwangsarbeitslager Grüntal nach Breslau zurückkehren. Nur eih geringer Prozentsatz der Ursprung- ‘ liehen jüdischen Bevölkerung in Breslau von etwa 30 000 Köpfen — abgesehen von dem rechtzeitig nach Uebersee abgewanderten Teil — erlebte in Breslau das Kriegsende und damit ihre Befreiung.
Kurz vor dem Fall der Festung Breslau holte der gefürchtete ! Gauhauptstellenleiter Wagner zum letzten Scfilage aus, der >