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19 , 1.1947

Sonderbeilage

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Nach' Redaktionsschluß erreicht uns eine Zuschrift von D r. Auerbach, Staatskommissar für rassisch, religiös und politisch Verfolgte im Bayerischen Stäatsministerium des Innern, die für die heutige Situation in Deutschland von

so großer Bedeutung ist, daß wir glauben, sie unseren Le­sern nicht bis zur nächsten Nummer vorenthalten zu können.

Die Redaktion.

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Ich glaube zu träumen, aber leider ist es Tatsache. Im Jahre 1947 bezeichnet sich Dr. Arthur Dinter als Opfer des Faschismus, als Demokrat. Und wir fragen uns. er­staunt, wie ist es möglich, daß dieser Apostel des Rassenhas­ses, der Steigbügelhalter des Hitler Systems, der Anzünder der Krematorien von Auschwitz, der durch seine Hetze Millio­nen von Seelen vergiftet hat, heute noch frech sein Haupt erheben kann und frei in Deutschland umherläuft?! Wir er­lauben uns, die französische Militärregierung zu fragen, ob es ihrer Aufmerksamkeit entgangen ist, daß dieser Dr. Ar­thur Dinter derselbe Schreiberling ist, der 1920 die antisemi­tischen HetzbroschürenDie Sünde wider das Blut,Die Sünde wider den Geist undDie Sünde wider die Liebe und andere Schriften verzapfte.

Gottlob, es gibt auch in Deutschland noch wachsame Jour­nalisten, und in meinem Amtszimmer sitzt ein politisch Ver­folgter,, ein Mitarbeiter der D.N.D. im Bild, der illustrierten Wochenzeitung der französischen Zone in Baden-Baden..

Wir haben Beleidungsklage gegen den Rassenfanatiker im Offizialverfahren , ^jpgereicht, und siehe da, derselbe Geist, der aus dem 1. Tillessenurteil spricht, scheint bei der Staatsanwaltschaft Baden-Baden gleichfalls zuhause zu sein. Man lehnte das Offizialverfahren ab. Aber ein. guter Jour­nalist, und-aufrechter Kämpfer für wahre Demokratie steigt auch über bürokratische Schranken, die man aufrichtet, um diesen Nazihetzer zu schützen. _

Am 8. 1. 1947 fand vor dem Amtsgericht in "Offenburg ein Termin statt,. zu dem Dr. Arthur Dinter einen Schriftsatz einreichte, in dem er sich als Opfer des Faschismus und wahrer Demokrat bezeichnete.

Als berufener Vertreter der wirklichen Opfer des Faschis­mus, der rassisch, religiös und politisch Verfolgten, hatte ich dem Amtsgericht Offenburg folgendes* Telegramm* ge­schickt:

Betrifft Termin gegen.Dr. Arthur Dinter am 8; 1.

Namens aller rassisch, religiös, und politisch Verfolgten protestiere energischst gegen Bezeichnung Opfer des Fa­schismus jenes Dr. Dinter, der als Volksvergifter, als Steigbügelhalter des Hitlersystems und Aufhetzer zum Rassenhaß gebrandmarkt ist.

Mir liegt nun ein Bericht vor von dieser denkwürdigen Verhandlung, zu der man einen jungen Assessor als Vef- handlungsleiter bestimmte, wahrscheinlich weil die demo­kratischen-Richter sich mit dem Rassenfanatiker nicht ver­feinden wollten. Und mäh ließ zu, daß Dr. Arthur Dinter, Gauleiter- der Partei, Parteimitglied Nr. 5, der immer noch frei Seine freche Schnauze in Deutschland spazierenführen darf, Öffentlich erklärte, daß er von seinen Thesen, die er in seinen Schmähschriften auf gestellt hat, nichts zurücknehme und bei der Forderung bleibt, daß staatliche Maßnahmen ergriffen werden müßten, um das Judentum in Deutschland zu liquidieren. '

Namens der 6 Millionen ermordeter Juden und namens der 2Ö0 000 Ueberlebenden, die noch in Deutschland sind, und namens aller rassisch und politisch Verfolgten in Deutsch­land stelle ich an die Weltöffentlichkeit die Frage, wie lange noch?!

Wie lange noch wollen wir das Andenken unserer Toten schmähen lassen und erneut die Justiz dazu benutzen, um das Gift zu säen, 1 was- uns in dieses Elend der letzten 12 Jahre hereingeführt hat. Wie lange noch will eine Mi­litärregierung es dulden, daß derartige Menschen Völker­haß und Rassenwahn predigen, gegen die die ganze zivili­sierte Welt Millionen von Blut und Opfern gebracht hat. Sind unsere Toten dafür gefallen, daß- Arthur Dinter sie erneut schmähen darf?

Die Feder sträubt sich, die Schmähsätze, N Gotteslästerungen und Verunglimpfungen widerzugeben, die einst Arthur Dinter unter dem - grinsenden Beifall jener Menschen schrieb, die sich heute an nichts mehr erinnern wollen.

Wir klagen an im Namen der Menschlichkeit, wir klagen an im Namen der Demokratie, und wir hoffen, daß unsere An­klage nicht ungehört bleibt.

Dr. Philipp 1 Auerbach Staatskommissar für rassisch, religiös und politisch Verfolgte im Bayerischen Staatsminist^rium des Innern.

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