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SONDER-NUMMER

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NUMMER 1

15. APRIL 1947

Am 15. April 1946 erschien einMitteilungsblatt für die Jüdischen Gemeinden der Nord-Rhein­provinz. Es enthielt die notwendigsten Instruk­tionen für unsere jüdischen Menschen und Anschriftenverzeichnis der nach der Befrei­ung-sich gebildeten Gemeinden.

Inzwischen ist ein Jahr verflossen. Aus. dem Mitteilungsblatt für die Jüdischen Gemeinden der Nord-Rheinprovinz Würde nach kurzer Zeit dasMitteilungsblatt der Jüdischen Ge­meinden' für Nordrhein-Westfalen.

Es war schon mehr als ein Mitteilungsblatt. Es belichtete bereits aus aller. Welt. Eine Sondernummer, die anläßlich der. unvergeß­lichen Enthüllungsfeier der Gedenktafel, für unsere Opfer in Düsseldorf am 15. November 1946 herauskam. gabunseren Lesern Kennt­nis davon, daß aus dem Mitteilungsblatt das Jüdische Gemeindeblatt für die britische Zone, geworden ist. '

Die Situation unserer . jüdischen. Menschen hatte sich auch bis dah'iri' nicht geändert, sie hatte sich das können wir wohl unumwun­den sagen, noph verschlechtert, denn inzwi­schen waren 18 Monate verflossen, seit der Befreiung, und. es war noch so gut wie gar- nichts für die Rehabilitierung der Ueberleben­den geschehen. Wir wurden gezwungen, unserer Zeitung auch den Charakter einer Kampfzeitung zu geben,-/Kampf, gegen das weiter an uns begangene Unrecht, Kampf für Recht und Gerechtigkeit

Wir betrachteten' es als unsere Aufgabe dar-r. auf hinzuweisen, /wie erbärmlich es doch sei, daß das deutsche Volk darauf 'warte, daß ihm von den Alliierten die Wiedergutmachung be­fohlen wird. ' '

Wir .sprachen ,zu unseren jüdischen Menschen in . Deutschland, wir .appellierten an das Ce- , wissen der Welt und imme'r wieder traten Wir ein für das Recht, das uns \ zusteht. J

Wir ermahnten zeigten die Wege,' die wir, als Juden deshalb als Demokraten zu gehen haben, wirerinnerten an die jüdische Ethik und versuchten*soweit es unter den schwie­rigen Verhältnissen möglich war zum Auf­bau . des jüdisch-kulturellen Lebens anzu­spornen.

Der Kreis unserer Leser vergrößerte sich von Tag Tag;,und wir sahen darin, eine Aner­kennung dafür, daß man unseren guten Wil­len anerkannte. Es gab aber auch viele kleine Erfolge, die ^ir zu verzeichnen hatten,' es. war uns' vergönnt, vielen unserer Freunde zu hel­fen, wenn ihnen Unrecht' geschah. . .

Und dennoch sindwir weit davon entfernt, zufrieden zu sein mit unseremJüdischen Gemeindeblatt für die britische Zone. Wir haben noch viele Schwierigkeiten zu überwin­den; um* das Niveau zu erreichen, das unser Ziel ist. Es fehlt uns an Mitarbeitern urid an Literatur. Und deshalb verbinden wir mit dem Dank, den wir heute, unseren Lesern für ihre Treue aussprechen,, die Bitte zu helfen. Wir danken den wenigen . ^Mitarbeitern, die sich jederzeit zur Verfügung gestellt ha­ben. Wir danken unseren Freünden im Aus­land für die anerkennenden Worte, die sie uns übermitteln ließen, wenn es gelungen war, jhhen . das eine oder andere; Blatt zuzustellen. Diese heutige Sonderausgabe liegt_, zwischen dem ersten und zweiten Jahrgang desJüdi­schen Gemeindeblattes für die britische Zone. Es erscheint' uns als ein gutes Omen, daß die­se Ausgabe einen ausführlichen Bericht über eine Tagung enthält, die einzigartig wahr­scheinlich einmalig war eine Tagung,, die den Beweis' dafür lieferte, daß. der jüdische Geist rficht gestorben ist, eine Tagung, die den deutschen .Juristen und den Juristen der Welt zeigte, wie ernst Wir es mit unseren For­derungen nehmen. -

Diese Tagung wap ein voller Erfolg, sie' war, das .glauben' wir behaupten' zu können, der erste große jüdische Erfolg in der britischen £one.E§ bleibt zu wünschen, daß damit der Anfang weiterer praktischer Erfolge gemacht worden ist. , '

Es bleibt zu hoffen, daß wir über diese Erfolge im 2. Jahr unseres Bestehens berichten wer­den-können.

Wir hoffen aber auch, daß unser 2. Erschei­nungsjahr die Möglichkeit bietet, den Le- 'sern , davon Kenntnis geben zu können, daß das Schicksal unserer, jüdischen Menschen sich, verbessert und der Wunschtraum der vielen Millionen Erez Israel' --- endlich in Er­füllung geht. N * Karl Marx.

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wie Pnifi-riilLv 1

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H r Vissel

xmig?,

Haup,tquartier;der Militär-Eegiernng . .

Stadtkreis Düsseldorf

, Ich möchte Ihrer Zeitung meine Gratulation zu ihrem ersten

Geburtstag aussprechen., der die erfolgreiche .Beerdigung des ersten Erscheinungsjahres bedeutet. '

Das Jüdische Gemeindeblatt war eine sehr wertvolle Hilfe für ' ' den Neuaufbau der Jüdischen Gemeinden. Trotz der grossen

Schwierigkeiten, die Sie alle in den vergangenen Jahren erlebt haben, ist es, so glaube ich,-das grosse Verdienst der - Beteiligten, dass* sie in der Lage waren, nicht nur die Zeitung zu veröffentlichen, sondern auch das'gegenwärtige hohe Niveau beizubehalten. ' . **

. Ich wünsche Ihnen für das kommende Erscheinungsjahr allen Er-: folg und gebe der Hoffnung -Ausdruck, dass eine-Zeit, der besseren Bedingungen für alle Beteiligten baldigst kommen möge.

' / C. W. Barker, S. C. 0.

Sen. Kreis Res. Officef Stadtkreis Düsseldorf

-- 1^- - - .. -v-- - " ;

Ist-wirklich schon ein Jahr seitdem wir die erste Nummer des Jüdischen Gemeindeblattes erhielten? Wir alle - auch wir, die wir kein Verdienst an seiner'Geburt hatten - waren sehr aufgeregt als es zur Welt kam. . .

/Ist wirklich erst ein Jahr seither vergangen? Das Kind ist 'in dem Jahr.so gewachsen, dass alle, deren. Verdienst es ist, mit Rechtstolz sein können. '

. Und das Kind hat sogar schon einen Sprössling, dieSonderbei­lage, in Wiedergutma.chungsfragen" , dem ich eine besonders ' .

v grosse Zukunft voraus sage. Diese Beilage kann und wird eine

unentbehrliche Informationsquelle werde»,

, Ich gratuliere dem' Gerneindeblatt zu allem, was es im ersten

l Jahre erreicht hat und wünsche- ihm das Beste für die Zukunft.

London, im April 194^7

. Ergebenst

* _ ., Dr. Weis

^ Ass. Legal Advisep ' v

Intergovhrnmental Committee on Kefugees.

in der britischen Zone

Es wurde von uns schon an anderer Stelle recht häufig von 'den Enttäushungen gespro­chen, die uns die Zeit nachDer Befreiung gebracht haben. Die Enttäuschungen waren mannigfaltiger Art. Wir glaubten, und wir hatten wohl das Recht zu glauben daß uns recht bald nach cjer Niederringüng des Na­tionalsozialismusGenugtuung gegeben würde, Genugtuung für all das fürchterliche Leid, das man uns zugefügt hat,- für all die Verleum­dungen, Beleidigungen, Niederträchtigkeiten, . Wir. haben aber auch geglaubt, daß- die deut­sche Tagespresse, die dazu berufen ist, dem deutschen Volke,- die Wege der Demokratie zu zeigen, das Sprachorgan, der politischen Parteien und der religiösen Vereinigungen, von, sich'aus ,die Pflicht übernehmen würde, die Masse des deutschen Volkes auch in der jüdischen Frage die Wege zu zeigten,, die, ganz- abgesehen von den fürchterlichen Verbrechen^ die begangen worden sind, in einem demokra-, tischen Staat zu gehen sind. Und die englische Militärregierung hat zu einem früheren Zeit­punkt, als die Leute der .deutschen Pres­se es erwartet haben, den Zeitungen die Freiheit gegeben, die in einem demo­kratischen Staat üblich ist.

Der Kampf, den die deutschen Tageszeitungen, heute für eine Besserung der Ernährungs- und wirtschaftlichen Lage führen, ist .anerkennens­wert. Die Vielseitigkeit; der Presse. trotz der Papierknappheit ist bewundernswert. ''Und" trotzdem hat die deutsche Tagespresse der britischen Zone uns auch enttäuscht, 'vielleicht am meisten. Wir haben geglaubt, daß diese Presse von sEcli aus den Versuch machen wür­de, dem deutschen Volke durch die Erfahrun­gen der Vergangenheit 1 zu beweisen, daß dem Verbrechen, das der Nationalsozialismus am deutschen Volk vollbracht hat,Verbrechen in viel größerem Ausmaße an Minder­heiten vorausgegangen sind, Verbre­chen, an dem sich große Teile des deutsche^ Volkes direkt oder indirekt beteiligt haben. Wit haben geglaubt, daß Aufklärung geschaf­fen werden würde dafür, daß die Rassenlehre eineMittel-zum-Zweck-Politik der, National­sozialisten war. ,

Wir haben von all dem nichts zu sehen be­kommen, wir mußten uns darüber hinaus noch davon überzeugen, daß nur eine lächerlich ge- - ringe Anzahl deutscher Zeitungen in der bri tischen Zorie Dinge, die ihnen durch die DENÄ., und andere Agenturen zugeleitet worden sind, veröffentlichten und auch dann in einer uninteressant, kurzen Form. Es handelte sich um Veröffentlichungen, die wesentlich gewe­sen wären, wesentlich für die Aufklärung, wesentlich als -Richtlinien einer demokrati­schen Gestaltung des deutschen Volkes. \

Wir haben deshalb betont, daß uns die deut­sche Tagespresse der britischen Zone enttäuscht hat, weil wir Gelegenheit hatten, uns immer wieder davon zu überzeugen, daß die'Zeitunggn der ^übrigen Zonen, besonders aber- die Berliner Presse von sich aus auch in der Frage, die Deutschland angeht, in unserer Frage, die Aufklärungen bringen, die, das muß zugegeben werden von vielen Deut­schen verlangt und erwartet werden. . N

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Wir wissen, daß man uns . entgegenhalten wird, daß kein böser Wille vorliegt, map wird sich auf die Papierknappheit und auf die gro­ße Net berufen. Wir kennen die Papierknapp­heit'selbst und wir kennen auch die Not, aber wir können diese Entschuldigungen nicht gal­ten lassen, deshalb nicht, weil. wir glauben, > daß wir es verdient haben, das trotz dqr Not und trotz der Papierknäpph^it Raum zur Ver­fügung stehen muß, für eine Sache, die zur Ehrenpflicht- eines Volkes gehört, wenn es An­spruch darauf erheben' will, ein Volk zu sein, -das. wieder einmal gleichberechtigt, in die Völkerfamilie der Welt eingereiht werden soll. Es ist betrübend, wenn wir in den. Tageszei­tungen von Bombenwürfen, von Schändungen jüdischer Friedhöfe . und selbst von Morden an jüdischen Menschen lesen, Meldungen, die als solche kommentarlos wiedergegeben werden.

Die deutsche Presse der britischen Zone ist uns. etwas schuldig geblieben und wenn wir sie heute, an unserem Geburtstag, mahnen, dann tuen wir es deshalb, weil wir noch nicht an einem, guten Willen zweifeln. , , ,x.