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NUMMER 11
13. SEPTEMBER 1947
2. JAHRGANG
Wir stehen wieder vor /einer .' Jahreswende. Zwei Jahre der bittersten Enttäuschungen liegen ) hinter uns. Ein Teil derjenigen, die’ uris befreit haben, haben längst wieder vergessen, was gewesen , ist. Man hat uns die notwendige Rehabilitierung bis heute versagt. Viele tausende von unseren Menschen sind heute noch heim- und heimatlos; sie sitzen in Lagern und warten — warten darauf, daß die gegebenen Versprechen erfüllt werden. Viele tausend andere waren ungeduldig, wurden getrieben von der Sehnsucht .nach, ihren Angehörigen iri Erez oder in änderen Ländern, und um nicht nur ihre Menschen wiederzusehen, dife sie viele .-- Jahre .missen . mußten, sondern urrf endlich einmal wieder zu Hause sein zu können, gingen sie dornenhäfte Wege. Viele von ihnen haben die größen Schwierigkeiten überwunden, haben alle Opfer auf sich genommen und. sind zum Ziel gelangt. Die anderen, die warten.
4350 Menschen sind auch den Weg gegangen, den viele Tausend ihrer Brüder und Schwestern vor ihnen beschriften haben. Sie waren schon am Ziel, sie sähen schon unseren Osten, sie freuten sich schon auf die bevorstehende Umarmung mit ihren Lieben., Das Schicksal wollte es anders. Sie würden enttäuscht. Man führte sie mit Gewalt zurück, nach Deutschland, nach dem* Land, dessen Boden. getränkt ist m$t dem Blute ihrer Angehörigen. Die gapze Welt horchte auf. Mehr als : die Hälfte der Menschheit beschäftigte sich, mit dem Schicksal dieser Unglücklichen und ergriff ihre Partei. In bangen Wochen zitterten \wir um diesp, unsere jüdischen Menschen, in vielen, arbeitsamen Tagen und Nächten gäben Hoffnung nicht auf, daß dös Schlimmste, das Angedrohte,, in der letzten /Minute noch verhindert werden würde. Aber auch diese Hoffnung’ War eine irrige. Das fürchterliche, -traf eiri. - Vor'wenigen Tagen würden unsere'’Menschen mit Gewält von derü Schiffen geschleppt. Sie führten einen heroischen Kampf, obwohl sie wußten, daß sie der Gewalt werden weichen müssen Diese beiden'Tage werden in die jüdische Geschichte eingehen und unseren Kindeskindern wird man, erzählen, wie täpfer und mutig sich- unsere jüdischen Menschen der „Exodus 1947“ verhalten haben. V-Qr wenigen Stunden war ich bei ihnen in den Lagern. Sie sitzen hinter Stach cldraht • unter, militärischer Bewachung —. nicht hoffnungslos hoffnungsfroh. Sie sind sicherer denn je, daß sie nun . doch bald die ersehnte Freiheit haben ( werden. Und nicht’ nur sie. Mit ihnen alle, die diese Freiheit suchen. D
Diesen, unseren Menschen, gilt unser erster Glückwunsch zu' Rosph haschonoh. Und mit diesem Glückwunsch ^verbinden wir einen zweiten, den zu ihrer heroischen Haltung..
Die für alle Juden traurigen Tage des letzten Jahres-, bringen zu letzt diesen Lichtblick: Den Lichtblick, daß die Haltung der Alten und Jungen der „Exodus 1947 ‘ der Welt die Dringlichkeit der Lösung unserer Frage erneut und in einem noch nicht dagewesenen Maße vor Augen geführt haben. Deshalb' glauben wir, daß wir uns am Beginn des Jahres 5708 wirklich freuen dürfen, diesen Tag erlebt zu/haben. Unsere Glückwünsche gehen an alle unsere Freunde, die heute noch.in Deutschland leben müssen, sie gehen an alle unsere Freunde des Auslands und sie gehen'an alle Juden t der Welt. Euch, Ihr Freunde in Deutschland wünschen wir im kommenden Jahr die Erfüllung Eures größten Wunsches: Das Transitland ver-? lassen zu können. Und Euch, die Ihr in allen Ländern der Welt lebt, wünschen wir, daß. Ihr dann, wenn wir dort sind, zu uns fejomjnt und/Wir verbinden mit diesem Wünsch die Bitte: Bleibt zusammen und stark. So stark wie unsere Menschen der „Exodus 1947“,- — hälft; den Menschen aus Deutschland heraus. Unser ie schonoh tauwo gilt auch unseren großen jüdischen ^ausländischen Hilfsorganisationen, verbunden mit, dem Dank für all‘ das, was sie getan haben. Wir und mit uns alle heute noch in Deutschalnd lebenden Juden wissen, welchen Dank wir im besonderen denen, die hier in aufopfernder Arbeit unermüdlich tätig sind, schuldig sind. Sie bringen uns auch das Opfer, die Jontaufen fern von ihren Angehörigen zu verbringen; weil sie wissen, daß ^sie notwendig sind.
Und endlich* ein herzliches Le schonoh tauwo auch unseren Menschen, die die Führung unseres Schicksals in Deutschland in die Hand genommen haben: Den führenden Arbeitern des Zentralkomitees, ■ der Exekutive und des Rates. Wü haben ihnen zu danken, wenn Wir heute sö zusammengeschiossen' sind, wie seit langem nicht mehr.
Le schonoh tauwo 5708! Karl Marx
Df. Hermann Helfgott Chefrabbiner der briiisdieri Zone:
irrn" nj.
Es möge das Jahr unserer
rrn
sein
„Lasset ein Loblied erschallen und sprecht: Hilf 1 , oh Ewiger,; Deinem Volke, dem/Ueber- reste Israels.“ (Jer. XXXI, 7). '
Wieder ist ein Jahr vorbei — ein schweres Jahr voller Bitternis. — Schwer in Erwartungen und Hoffnungen, voll Bitternis in Ger sphehnissen und Enttäuschungen., ,
All* das legte sich Schicht um Schicht in die Tiefe unserer Seele. Unsere . Erinnerungen beginnen’ zu' bleichen, sie nehmen die. Form von halluzinatorischen Gesfchte-n an. Die Liebe, 1 die einst gegenüber allen, die uns wert waren, aus unserem Inneren : strahlte, wurde verdrängt. — Wir sind abgestumpft. Vori Zeit zu Zeit spricht zu yuns die innere Stimme: „Sehe Dich im Spiegel , des Bewußtseins an.“ Und iri diesem Bewußtsein und geistigem Erwachen, wenn uns niemand Hört, • niemand sieht, wenn wir allein sind-mit unseren Gedanken, die Kissen , durchnäßt von unseren Tränen, flüstern wir:
„Oh,, wie lange noch, Herr?“, Gibt es ein Ende unserer Leiden? '
Und heute, an der Schwelle des Neuen Jahres, wenn wir zusammen sind, wenn die Vergangenheit;: sich in vollem Mäße an die Gegenwart drangt, wenn alle Juden/der Welt mit .demselben Gedanken erfüllt,, und .getragen sind, wird- dieser/Ruf aus dem Innersten unse-
E's kam die Zeit des Titus, die Zeit, in der ' man die Kinder • Rachels auf den europäischen Märkten als Sklaven verkauft hat, die Zeit, in der die Kinder Rachels Futter der wilden Tiere in den Arenen,wurden. ; .
Es kam das Christentum: —• „Im Namen der Gottheit wird jeder, der die neue Lehre anzweifelt, getötet.“ •*—
Es kam die Zeit des, Kreuzzüge. ,Die „Wölfe der Wüste“ töteten 'jeden,, der {len Namen „Jude/ 6 trug — .wem es gelang, zu entfliehen, tötete sich seihst. So tötete iri Köln der alte Samuel Ben Jechiel .seinen einzigen -Sohn, um dann,/ Zusammen mit den -Versammelten, mit dem Aufruf auf den Lippen: 1 „Sehemah Jis- roel“, sich in die Fluten des Rheins zu werfen. Allein im Rheinland wurden in zwei. Monaten 12 000 Juden getötet.
Dasselbe. geschieht in fast ganz Europa. Dazu gesellte sich ein anderer Kontinent: Afrika. — Im Namen eines anderen Gottes und Propheten werden Schwache und Hilflose getötex.
. „Und' Rachel weint um, ihre Kinder, sie weigert sich,' - Trost' anzunehmen 'wegen ihrer Kinder, da- sie sind von hinnen.“ • ■
13. Jahrhundert: Die Kinder Rachels werden als Kindermörder bezeichnet, man sagt von ihnen, sie würden das Bim von Kindern für Pessaeh nehmen.' Und auch dieser Erfindung
Exodus 1947 in Hamburg
rer Seele noch stärker, noch unverfänglicher. Und wenn es schon so ist, dänn lasset uns, Brüder und Schwestern eintauchen in diese ganze Seele der Gefühle 'und Gedanken, lasset uns die schweren Vorhänge von unserer gepeinigten Seele für eine Weile auf heben,. lasset die Strahlen der Liebe eindringen, damit sie I sich später emporheben auf die Flügel des Aethers und -dahineilen,' wo unsere Brüder und Sphwestern sind. . ^ '
Und dänn, im Lichte dieser Strahlen,, lasset uns versuchen, uns selbst zu finden,/die ganzen einheitlich jüdischen Seelen aus den verschiedenen Komponenten der jüdischen Vergangenheit'und Tragödie.
— Auf dem Wege nach Ephrata, das ist das heutige Bethlehem, , ist noch heute das Zeichen eines Males zu sehen. Die. Legende erzählt, daß auf diesem Ort unsere Mutter Rachel beerdigt ist. nl der Mitternacht, so sagt die Legende 'weiter, hört man aus diesem Grabe eine Stimme, ein Schluchzen.
Unser großer Prophet Jeremiah hat diese Legende m folgende Worte gekleidet:
„Eine Stimme wird in Rama gehört, ächzen, weinen,'bittere Klage — Rachel weint urp ihre Kinder, sie weigert sich, Trost anzu- nehmen wegen ihrer Kinder, da sie sind von hinnen“. v (Jer. V XXXI, 15). /
Jahrhunderte dauert das Weihen, dasselbe bittere Aechzen, dieselbe bittere Klage unserer Mutter- Raehel. / - ' .
Zum ersteh Mal ist sie in Tränen ausgebrochen, als man ihre Kinder in di$.babylonische Gefangenschaft gefühft hat. Seither hört ihr Weinen nicht auf.
. der Kinder einem Tage
Rachels, in York
.folgt ein' Abschlachten In England wurden- an- 500 getötet.
Die „Judenbrater“ in Deutschland leierten ihren Triumph - des Wahnes ... 1 . ; ' 1 -
' „Und Rachel weint um ihre Kinder, sie wei- / gert sich, „Trost anzunehmen wegen ihrer Kinder, da sie sind von hinnen.“
14. Jahrhundert': In Europa werden Millionen
Opfer tet Schwarzen Pest. Und wer ist schuldig? . . . '•
„Und Rachel weint um ihre Kinder,* sie weigert sich, Trost anzünehmeh wegen ihrer Kinder; da $ie sind y otl hinrten.“
15. Jahrhundert:' Die, Zeit des Capistranö, die Zeit des Torquämada:
Die Kinder Rachels werden zum Scheiterhaufen geführt, die katholischen Priester -ha r ben- mit Bechern, die mit Blut der Kinder Rachels , ‘gefüllt sind, ihren Triumph gefeiert.
16. Jahrhqndert: Die sog. Neuzeit, des Hu
manismus, für viele-eine neue Zeit, für die Kinder Rachels eine neue Aufschrift: Es werden Zeichen 1 und Farben der t Erniedrigung erfunden, rote, blaue und gel.be’ Zeichen. — Namen, wi'e KnohläUch,. Grün, Rot, Esel, Maulr köpf usw. . '
17. Jahrhundert: Die Zeit eines Bogdan Chmelnizki — 1 der große Kosak — die .großen Pogrome: Die Kihder Rachels werden Futter der Hunde.
18. und 19. Jahrhundert: Die Kinder Rachels wandern nach England um .in derselben Zeit gezwungen zu werden, weiter zu wandern, — man treibt sie aus Frankreich ... Französi-
QZor&evt GffloUtjeim’s
Wieder, zum dritten Mal seit der'Befreiung, rüsten‘wir uns zum Empfang des neuen jüdischen Jahres, in Tagen, da die Augen der Welt auf das Schicksal der jüdischen Menschen die- .. ses Bezirks in einem j einzigartigen .Sinne- gerichtet sind. , • , / ■ . "
Wieder,. als einzelner und als Gemeinschaft, ö ziehen wir die' Bilanz unseres Lebens, grüßen dps Vergangene, um: Kr^ft .für die Zukunft zu gewinnen. ^ ' ."r ' ; ..~ \
ln der Aufgewüljitheit unserer Menschen und ) r trotz aller Enttäuschungen über neu angetanes Unrecht, haben' wir in den kommenden Tagen die Gewißheit zu sehen, das-.glauben, Zuver-. sicht und innere Qeschlosspnhert,' die gegen uns anstürmenden Kräfte yhserer* Zeit siegreich überwinden werden.
Es gilt der Gruß des Zentralkomitees. der he - v freiten Juden der- britischen Zone unseren’ MenscÄen. hier-und in aller Welt, in den La-, gern, in den Gemeinden, in besonderer urd tiefer Herzlichkeit aber den tapferen* Maäpilin.. von der „Exodus 1947“ hinter dem -neuen. Stacheldraht. ' \
Ein altes Jahr gehl, ein neues kommt herauf.
Im Wechsel der Zeii und-im Wandel der Geschichte aber bleibt: Das ewige. Volk Israel.
sehe Revolution. .- Die Parolen: „Freiheit, .Gleichheit/ Brüderlichkeit“ galten , für alle v —, und in Damaskus.—. Blutbad für. Rachels Kinder. ■ ../
„Und Rachel weint um .ihre Kinder/ sie wei- ' gert sich, Trost ahzunehmen wegen Ihrer . Kinder, da sie -sind »'von.' hinnen:“ ’
20. Jährhundertr Das Jahrhundert des Feuers, . . der Finsternis: .. ,
Das Feuer, das Millionen der Kinder Rachels ' verbrannte, .das jede' dichterische Fantasie ' überstieg, vermochte nicht, die Finsternis zu . . verdrähgen, -Die Erde ist' feucht von dem Blut- der Kinder Rachels., die .Luft verpestet von'dem. Dunst des unschuldigen Blutes. Die Erde .schreit zum Himmel und' die Säulen der Welt 'zittern :— und die Menschheit vernimmt “ nichts in ihrem Blutrausch. ’Sie ist stumm und taub. Das Licht ist erloschen-, tiefe Finsternis hat'die Erde -bedeckt.
,,Una die Mutter Rachel. weint, weint um ihre Kinder, s'ie weint um die .ganze Welt, sie Weint um- die ganze Menschheit!“ . ' > -
Ihr Stöhn.en erfüllt uns mit Zittern, weil ihre * Träneh unsere »Tränen sind/ ihre Klage, unsere ,
■ Klage,,' sie will sich , nicht trösten; weil ihre Kinder nicht,da sind,;.— sie, kann sich nicht trösten, weil die Ueberreste ihrer ’ wenigen Kinder' die dem Feuer wie durch ein' Wun- . . der entrönnen, noch immer im • der Fremde, hinter Draht und ohne Heim sind.
„Sogar: ein Vogel hat sein Haus, die Schwalbe ihr Nest, ' vw- sie ihre Jungen in Sicherheit weiß , . '/ '• ,
„. . . nur meine Kinder“, so sagt die Mutter. Rachel, „haben keinen Platz im Mutterschoß. Weinen werde ich uhd , mich nicht trösten lassen, solange . meine Kinder nicht bei mir sind /
. . . Lasset uns' alie, Brüder und Schwestern, Kinder »und Greise, überall,- wo ihr seid, die Tränen unserer Mutter Rachel mit unseren eigenen Händen trocknen . . ..
Wir wollen alle. zu ihr, damit ihr Wehklagen aufhört, zu ihr, zum Schoß der Mutter — dort, wo es warm ist, wo wir Trost' landen und wo Liebe ist. — Dort , nach Osten, zu ihr — 'weg von unseren Friedhöfen, weg- von dem' Finsternis.^ ■ , ' ' ' ■
„Lasset eiri -Loblied erschallen . und sprecht: Hilf*, oh Ewiger, Deinem Volk, dem Ueberreste Israels.“ ..
Das beginnende Jahr 57öS “’* r " H
soll ein ^ ' Jahr des Lebens und
der Freiheit sein.
In diesem Sinne wollen wir alle dahinstreben, für diesen Gedanken zu -kämpfen und zu; le- , ben. Dann werddn Wir alle die Stimme Gottes hören, die durch den Propheten.zur Mutter Rachel, zu uns allen spricht ,
„Höre auf zu weinen, enthalte«: Deinen Augen .die Tränen; ..
^ Dein Streben wird Belohnung finden und H Dein Söhn von Feindesland zürückkehren.“ .
. ' (Jer. XXXI, 16).
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