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/Seite 2^ 13. September 1947 ^

JÜDISCHES GEMEINDEBLATT FÜR DIE BRITISCHE ZONE

Nr. U 2. Jahrgang

Vor dem Eintreffen der Schiffe

Donnerstag, den 4. September:

Das Zentral-Komitee der befreiten Juden In­der Britischen Zone Deutschlands hält. yin Hamburg eine'Pressekonferenz ab,- bei der Reporter der ganzen Weltpresse anwesend waren. ' *

Norbert Wollheim legte den Stand­punkt des Zentral-Kömitees dar, Jos e f R o - sensaft gibt den Reportern von folgender Tatsache Kenntnis: - r , v

Die Militärregierung hat die Verantwortlichen der großen jüdischen Hilfsorganisationen aif- gefordert, sich für die notwendige Hilfe bei der Landung und in den Lagern Pöppendorf und Am Stau zur Verfügung .zu stellen. Die jüdischen Hilfsorganisationen lehnten dieses Ansuchen ab und erklärten, daß sie nur dann- bereit seien, sich einzuschalten, wenn unsere Menschen von derExodus das! ausdrücklich . fordern. Der Vertreter der -Militärregierung verständige daraufhin zunächst das American Joint Distribution Committee, daß, falls es bei der Weigerung bleiben sollte,, man sich zu .überlegen habe, ob der AJDC weiterhin in der britischen Zone tätig sein kann. .Heute früh, so erklärte Josef Rosensaftwurde den Hilfsorganisationen in ultimativer Form da­

von Kenntnis gegeben, daß, falls sie sich nicht zur Verfügung stellen und ihre Bereitschaft bis heute nachmittag zwei Ulir erklären, sie damit rechnen müßten, ihre Tätigkeit in der britischen Zone zu beenden. Die Vertreter dieser Organisationen haben heute nachmit­

tag eine Besprechung bei der IRO im Lemgo. 'Freitag, den 5. September:.

Der Britische Rundfunk und die Britische Presse, bringen ein Dementi der Erklärung Rosensafts. Dieses Dementi lautet etwa wie folgt:Es trifft nicht zu, daß den jüdischen Hilfsorganisation ein Ultimatum gestellt worden ist. Es wurde ihnen lediglich erklärt, daß,. falls sie die Hilfe verweigern würden, die ; Militärregierung die Frage der Daseins­berechtigung dieser jüdischen Organisationen in Erwägung zu ziehen habe.- Inwieweit sich dieses Dementi von den Ausführungen' Rosensafts ^unterscheidet, überlassen wir der Entscheidung unserer I eser.

Am gleichen Nachmittag veranstaltete die Mi­litärregierung in Hamburg eine Pressekonfe­renz, b.ei der der Regional Commissioner, den Vertretern der Weltpresse Kenntnis von den Landungsvorbereitüngen gab. Der Gouver­neur von Schleswig-Holstein gab Erklärungen über die technischen Vorbereitungen zur Lan­dung und in den Lagern. Der Chef der PRISC gab den Reportern das Programm bekannt. In dieser Pressekonferenz wurde die Frage eines Journalisten, ob die jüdischen Hilfsorganisa­tionen' ihre Beteiligung zugesagt 1 hätten, mit einemJa Beantwortet.

Die arb. Tage vorher in Lemgo stattgefundene Verhandlung der Leiter unserer Organisatio­nen, mit der IRÖ hatte das Ergebnis, daß der American Joint und die Jewish Relief Unit

medizinische Hilfe in dem Krankenhaus des Lagers für diejenigen zusagten, die a krank oder von der Reise geschwächt seien. Sie lehnten jegliche Hilfe für die anderen ab, die durch die Landungsoperationen verletzt werden würden. Im übrigen ..wurde ausdrücklich die Erklärung abgegeben,daß. weitere Hilfe nur dann, gegeben wird, wenn sie von unseren jü­dischen Menschen verlangt wird. Dieser Ent­schluß wurde damit begründet, daß die Lei­tung der jüdischen Hilfsorganisationen es nicht verantworten können/ sich zur Hilfe für ihre Brüder und Schwestern zur Verfügung : zu stellen, solange, sie als Gefangene behan­delt werden.

Am gleichen/Tage wurden die Zustände in den Lagern bekannt. Seit vielen Tagen arbei­ten große Kommandos und bringen Stachel­drähte an. In Entfernungen, von etwa 50 ra sind Wachtürme und Maschinengewehrstände errichtet. In den Lagern befinden sich Nissen­hütten und Zelte und nur . wenige Holzba­racken. Ausländische Journalisten erklären, daß der Zustand dieser Lager ein noch schlech­terer ist, als der 4ei* deutschen Konzentra­tionslager. Frühere Insassen, von Auschwitz gaben dieselbe Erklärung ab. ,

Protestkundgebung in Belsen

Am Sonntag vormittag wurden die Ausländi­schen und deutschen Korrespondenten davon in Kenntnis gesetzt, daß im Hohne-Camp, Belsen, am gleichen Nachmittag eine Protest­kundgebung stattfinden wird. *

Um 2 Uhr nachmittags versammelten Sich auf demPlatz der Freiheit de? Lagers zirka 4000 jüdische, Menschen. Die Organisationen mar­schierten in geschlossenen Reihen mit ihren Fahnen und Transparenten auf. Mark Jär- b lum, unser hervorragender Vertreter der Jewish Agency for Palestine, in Paris, Dr. N. B a r ou vom World Jewish Congress aus Lon­don, die beide bereits am Freitag eingetroffen waren, um im letzten Augenblick alles daran zu. setzen, damit die Angelegenheit. derExodus 1947 eine Erledigung im Sinne der Mensch­lichkeit findet, waren ( auch nach Belsen ge­kommen. Sie sprachen beide neben Norbert Wollheim, Josef Rosensaft und zwei Vertre­tern des örtlichen Belsenei Komitees. Sämt­liche Redner - geißelten di*/ Handlungsweise der britischen Regierung. Alle fordertet}, daß man endlich daran gehen möge; den Juden ihre Heimat Palästina zu geben. Als Dri Barou von dem Schicksal unserer Menschen auf.derExodus sprach, ..sah man Frauen und Kinder weihen. Wieeerholte. Zwischen­rufe zeigten die-Empörung der Belsöner Be­völkerung; die Transparente brachten zum Ausdruck, was sie alle, dachten:Nieder, mit Bevin,Exodus ist eine.Schande für Eng­land,Maäpüim auf derExodus Wir sind mit Eudi usw.

1 Josef Rosensaft forderte unsere Chawerim in seinem Schlußwort zur Währung der Disziplin auf.*' y '

Die Ankunft der Schiffe

Montag, den ß , September:

Um 6 Uhr früh wurden die Passagiere »des DampfersOcean Vigoyr auf gef ordert, das - Schiff' freiwillig und ohneWiderstand zu ver­lassen* Es wurde ihnen mitgeteilt, daß sie eine Stunde Zeit-haben, dies zu. tun. Nach Ablauf dieser Stunde, so sagte der Sprecher am Mikrophon, würde der - Regional Commis- sioner den Militärkommandanten von Ham­burg mit der Durchführung der zwangswei­sen Ausschiffung beauftragen,'

Den Vertretern der Presse, die um 7 Uhr am Hafen eingetroffen waren, wurde mitgeteilt, daß sich die Passagiere, fünf Minuten vor Ab­lauf der Stunde bereit, erklärt hätten, das Schiff freiwillig zu verlassen. Einzeln und in kleinen Gruppen mit schleppendem Gang sa­hen wir viele Kinder und Frauen den Lan­dungssteg heruntergehen.' Durch riesige

Lautsprecher wurde Jazzmusik übertragen genau wie in Auschwitz, genau wie in, Belsen, genau wie bei den Nazis. .

Die Kinder weinten,, die Frauen versuchten tapfer zu erscheinen, aber wir sahen, daß sie

dem Zusammenbruch nahe waren. y >

9,10 Uhr morgens: Wir hören die. ersten Schreie. Der Widerstand hat begonnen. M. P. ging aufs /Schiff, Mit Stahlhelm und Holz­knüppeln. Mit Tränengashomben. Wenige

Minuten später wurden die ersten Menschen won yier oder fünf M. P.V heruntefgetragei}. Andere wurden gestoßen und gezerrt. 'Frauen, denen der Boden unter den Füßen schwänk- i tfe und die sich am Geländer festhielten, wur­den angetrieben. Wenn jemand stürzte und das braucht nicht mit Absicht geschehen , zu sein, denn nach zwei Monaten Dampferfahrt muß man sich " zuerst! wieder, gewöhnen auf festem Boden zu gehen* wurde er geschla­gen. jungen und Mädels kamen weinend auf den Bahnsteig, Wir »trösteten sie, wir sagten ihnen, daß es nicht mehr lange dauert, bis wir- unsere Freiheit endgültig haben. Wir erklärten ihnen, daß die ganze Welt hinter uns sei. Und sie sagten, daß sie .das wissen und ein Junge zeigte seinen Arm. Drei blaue Flecken:so ha­ben sie mich geschlagen. Der Junge mag 13, vielleicht 14 Jahre alt gewesen" sein. Wir gin­gen zu einem Commänding-Officer:wir pro­testieren dagegen, daß man wehrlose Kinder schlägt. Nicht wir allein protestierten, viele ausländische Pressevertreter taten dasselbe/ Man; brachte immer mehr Männer/Kinder und Frauen., Die Jazzmusik spielte weiter, sie konnte aber das Weinen und Schreien dieser armen Menschen nicht, übertönen* Es gab kaum einen Journalisten, der nicht erschüttert war, viele weinten, - als sie dieses Unglück sahen. *

Mari stellte den Menschen warme Milch, Zwie­back, Butter, den Kindern Schokolade hin. Besonders bemerkt wurde eine Gruppe unse­rer Allerkleinsten, sie standmen alleine. Frauen des Roten Kreuzes* reichten . ihnen Milch, Keks und Schokolade. Schweigend drehten sie sich um und schüttelten den Köpf:. Wir wollen nichts von den Engländern!

Dann sprachen wir mit unseren; Mädels und Jungen aus den Kibbutzim. Wir wollten ihnen Mut zusprechen, wir sagten ihnen, daß wir ihnen,, helfen wollen. Beides lehnten: sie ab. Sie wollten nur eines wissen: was hat die ÜNO-Kommission gesägt? Wie steht es mit Palästina? ' Habt ihr jüdische Zeitungen, an­dere Zeitungen? Wir versprachen, daß wir sie besuchen werden, daß wir ihnen alles er­zählen werden und wir baten si<$ so tapfer zu bleiben, wie sie sind. / /

Dann sängen sie die Hatikwah. Der Zug fuhr aus. Schalom riefen sie, auch die Kleinsten, die kaum sprechen konnten. !.

Als die ersten unserer Jungen gewaltsam den Steg heruntergetragen wurden, sahen wir vier deutsche Krankenschwestern und einen deut­schen Arzt dabei stehen. Sie hüpften vor Freude und lachten. Ein holländischer Korre­spondent sah d.as und machte einen englischen Offizier darauf aufmerksam. Dieser schickte sie von. dem Platz, auf dem , sie / trotz, der wiederholten Versicherungen, daß keiner­lei deutsches Personal bei der Landung an­wesend sei, standen, fort. Anwesend aber waren auch %. deutsene Kolonnen, ehe­malige Kriegsgefangene, jetzt Angestellte ,der Militärregierung. Sie standen herum; und sahen sich alles an. Sie sägten nichts. Was sie dachten,. daß wissen wir nicht. . t

Der Hafen sah einem Kriegsläger . ähnlich. .Dreimal Paßkontrolle, bewaffnetes und uhbe- waffnetes Militär.- Stacheldraht.ä Wir bezwei­feln, daß man Während des Krieges ähnliche Vorsichtsmaßnahmen in den 'Hafenstädten der Alliierten getroffen hat, wenn Kriegsgefangene ankamen. Alles schüttelte nur den Kopf. Wa­rum sie das wohl taten? -Es gfhg ihnen wahr­scheinlich^ so wie uns. Sie glaubten auch, das nicht erlebt,; sondern geträumt zu haben.

Um 12 Uhr mittag und tatsächlich all* das hat sich in weniger als drei Stunden ereignet saßen wir im HotelReichshof in Ham­burg. Dort wohnten die Reporter * der Welt­presse. Jeden, den wir sahen, sprächen oder sprechen. hörten,/ sagte dasselbe in seiner Sprache: ich bin krank ...

Dienstag, den 9. September: . '

Wir trafen um 7 Uhr im Hafen ein. Wenige Minuten später wurde uns iriitgeteilt, daß der erste Zug bereits» den Hafen verlassen habe. Der zweite Zug würde erwartet. Unsere jüdi­schen Menschen, die auf dem SchiffEmpire Rival diese unglückliche Fahrt rpjtgemacht hatten, standen am Bahnsteig. Es waren be­reits die Letzten des Schiffes. Der v Lehrzug liefein. Dann sprachen wir mit ihnen durch die vergitterten Fenster. Sie gaben uns Zwie­

back voller Würmer:Das war unsere Nah­rung, so sagten sie,' .heute früh erhielt jeder einen dieser Zwiebäcke mit Würmern. Gestern bekamen wir eine dünne Suppe. Und dasselbe die fetzten Tage ßeit Tagen, seit Wochen konnten , wir uns nicht waschen, die Toiletten­verhältnisse waren unmöglich, man hat uns viel gestohlen. Wir .entschlossen . uns, mit - Rücksicht auf die 300 Kinder, und die Schwan-- geren Frauen, die an. Bord wären, freiwillig von Bord gehen. Wir sind körperlich schwach, aber nicht zu schwach, um für un­sere Sache weiterzukämpfen.

Und Auch sie sangen > die Hatikwah als . sie* abfuhren, auch sie, wollten nur eines:Was -sagte die UNO-Kommission, was sagt die Welt zu dieser Haltung, Englands? Dann wurde- gesagt, daß die Ausschiffung des' dritten und letzten SchiffesRunnymede Park, die ur­sprünglich für den nächsten Tag angesetzt war, gegen II Uhr beginnt. Um 3411 Uhr Wurden unsere Menschen auf dem Schiff, die alle unter Deck waren, durch Lautsprecher in sechs- Sprachen aufgefordert, innerhSlb »einer Stunde das Schiff freiwillig zu verlassen. Als Antwort gelangten aus, dem Sehiffsrumpf die Gesänge der Hatikwah zu uns. Und dann hörten wir in dieser ganzen Stunde jüdische Lieder, alle die uns bekannten Melodien. ,, 11,30 Uhr: Der Lautsprecher. verkündet,^ daß der Regional Commissioner die Frist um eine halbe Stunde verlängert habe. Wir sehen die Vorbereitungen: einige' hundert Mann setzen­sich Sturzhelme auf, nehmen den Holzknüppel in die Hand, ein, Teil von ihnen zieht über den linken Arm Teile von Autoreifen» Wie zu einem Sturmangriff. ;

Nach den Beschwerden des gestrigen Tages wurde diesesmal keine Jazzmusik gespielt. .Und doch wurden wir an Auschwitz, an- "chenwnald und an Belsen erinnert.

12 Uhr mittags: Die ersteh Truppen gehen an Bord. Wir* zählen -372 M-ann. Sie verschwin­den im Innern des "Schiffes, aus dem wir im­mer noch die jüdischen Lieder hören.

12,35 Uhr; Die Wasserschläuche, füllen sich; vom Deck wird das Wasser ins Innere ge­schleudert. ' 1 -

12,50 Uhr: »Wir hören die ersten Schreie. Vier,, fünf Soldaten bringen einen Jungen, ein Mä­del, eine. Frau. Dazwischen gehen abgekämpf­te Gestalten: schwangere Frauen, Kinder, Mütter mit ihren Kindern. Alle echirripfen sie,, viele Weinen. Es werden Verwundete gebracht. Tragbahre auf Tragbahre wird aufs Schiff ge­schafft und mit Verwundeten wieder herabge­tragen. Blutüberströmte Menschen, "Jungen, denen man die Kleider vom Leibe gerissen hat. Junge Mädels werden von vier Soldaten ge­schleppt und wehren sich. Wir zählen zirka 70 Menschen, die so heruntergeschleift oder getragen werden! Mit vielen werden selbst vier kräftige Soldaten nicht fertig. Und sie schlagen rücksichtslos auf dem Landungssteg und selbst imSchuppen noch auf sie ein. Wir 'hören nichts als Schreien- und Weinen. Ein .Amb'ulanz^vagen nach dem anderen , verläßt; den Hafen. * '

SO. empfing man unsere Menschen, Menschen, die kein anderes Verbrechen begangen haben,

1 als das, daß sie in ihre Heimat wollten, . die. man ihnen versprochen und die sie wohl auch verdient haben.

Aber auch dieser Empfang hat sie nicht mür­be gemacht. Schon im Zug begannen Sie wie­der jüdische Lieder zu singen. Auch sie wol­len keinen Trost, wplleri keine Hilfe.

/ Besuch in den Krankenhäusern

Zuerst gingen wir zu der jungen Mutter, die zwei Stunden nach Ankunft, derOcean Vi- gour, einem» Jungem das Leben geschenkt hat. Mutter und Kind' sind wohlauf. Dieses; Kind besitzt nicht, wie die auf den Schiffen geborenen Kinder, die englische Staatsange­hörigkeit.' Es ist in Deutschland geboten und besitzt nach deutschen Gesetzen, die Nationa­lität des Vaters. Es wird die; jüdische sein. Wir wissen noch nicht, welchen Namen dieses Kind bekommt. Wir glakiben aber, daß dieser Name mit derExodus in Verbindung zu bringen sein wird. Der glückliche Vater war bei Mutter und Kind. - Auch diesfc beiden sprachen nur von dem Kampf, den sie geführt haben und. den sie weiterführen- werden. Auch sie wollten wis­sen, t was sich in der schwören Zeit, die* sie' hinter sich haben, ereignet hat, wollen wis­sen, wie die Landung der Schiffe verlaufen' ist. Wir überhörtön diese letzte Frage, wir wollten diese, unsere Menschen, nicht um das Glück des Tages bringen- '

Dann fuhren wir- zu . einem anderen Kranken­haus. Dort sahen wir die ersten Verwundeten, dieselben, die wir am Tage zuvor blutüber­strömt auf der Bahre liegen sahen, meist ohn­mächtig. Sie trugen . Verbände. Das war . das einzige, was an den fürchterlichen Kampf des "gestrigen Tages erinnerte. Sie waren lebendig, sehr lebendig. Bringt uns Zeitungen, so baten sie. Erzählt uns, was die Welt zu dieser Tra­gödie (ist es nicht mehr als eine Tragödie?) sagt. Dann baten sie uns, zu unseren Men­schen in die Lager zu gehen, um uns davon zu überzeugen, daß ihr Kampfeswille nicht gebrochen ist.

Wir sähen, zwei auf dem Schiff geborene Kin­der. Sie lagen friedlich da. ' Zu ihrem Glück wissen sie nichts von dem, was geschehen ist. Werden auch sie, wenn sie einst erwachsen sind, kämpfen müssen? Man wird ihnen darin erzählen, daß sie auf 7 derExodus. 1947- ge­boren sind, daß ihre Eltern zu den Helden ge­hören, von denen die . jüdische Geschichte einst berichten wird,

Wir sahen Frauen, alte und junge, ~ alle noch geschwächt von den Strapazen de|* vergan­genen Wochen. Sie erzählten' uns wieder, wie schlecht~die Zustände auf den. Schiffen wa­ren, z. T. mußten die Menschen auf dem Fuß­

boden liegen. Von Waschen konnte wochen­lang keine Rede sein. Das Essen war schlecht, in den Zwiebäcken, die ihnen gegeben wur­den, fanden sie Würmer und das im Jahre 1947, 2)4 Jahre nach dem Tag, den wir Be­freiung nannten. Eine junge Frau\ hatte von einem Soldaten einen Tritt in »derr Unterleib bekommen. Sie hatte große Schmerzen..» Sie Sagte nur:Haben Sie gesehen, englische Sol­daten haben Frauen und Kinder geschlagen und getreten. Angehörige der Armee, die, wie sie sagte, in. den Krieg gezogen sind, um uns von dem Nationalsozialismus, vom Faschismus zu befreien!

Alle, die wir im Krankenhaus sahen, zeigten uns blaue Male an allen Stellen des Körpers; sie rührten von jden Hartholzknüppeln her. Jeder Soldat und jeder M- P-. trug denselben bei sich. (Es waren wirklich Hartholzknüppel, trotz des veröffentlichten Dementis.) (

Einer der Verwundeten, derRunnymede Park erzählte uns, daß der Kampf, der un­beschreiblich gewesen sei, fortgesetzt, yrorden wäre- wenn ihnen das Wasser nicht* schon bis über die Knöchel gestanden Hätte.

Vielen, der im "Krankenhaus liegenden, hatte man die Kleider vom Leibe gerissen. Wir sa­hen das überdiestags zuvor, als sie vom Schiff geschleppt "wurden, y

Im Lager Pöppendorf

Dieses! Lager liegt . mitten ; im Wald. Kein Mensch vermutet, daß sich hier ein Kon­zentrationslager befindet, Stacheldraht,. Wach- türtne mit Maschinengewehren, durch nichts unterschieden von einem Konzentrationslager, d. h. doch: in den Konzentrationslagern waren die Baracken wenigstens vor eindringender -Nässe geschützt, weil sie auf Pfählen erhöht standen. Nissenhütten, die geeignet sind, als Notquartier für ein oder zwei Tage in, An­spruch genommen .werden, sind * auf schiefer "Ehene gebaut, so daß bei Regen der Boden sofort durchnäßt ist. Auf dem Boden Stroh; hier und da ein Strohsack. i

Auch diesen Menschen merkt man nichts an von dem Kampf der vergangenen Tage. Sie haben sich schon wiedergefunden, sie waren schon wieder stark. Sie erzählten uns, daß am Nachmittag Vertreter der IRO zu ihnen, gekommen seien, diejenigen/ die Hilfe von der IRO ' wollten,' sollten sich dort melden. Dieser . Aufforderung folgte eine Protestkundgebung, die mit jüdischen Gesängen und jüdischen Tänzen endete. Die Lagerwache befürchtete schon .einen/Aufstand. Man erzählte uns, daß die- deutsche Lagerwache undder deutsohe- Lagerkommandant -- ja das gibt es in dem Lager, trotz der .ausführlichen Versicherung, die eGneral Bishop bei der Pressekonferenz Lager, sehr ängstlich waren,, als die Insassen des Lagers sich versammelt hatten.

Diese dachten aber garnient daran, jemandem etwas zu tury Sie wollten nicht unehr, als Pro­test erheben, gegen die Tätigkeit von Hilfs­organisationen in einem von Militär bewach­ten konzentrationslagerähnlictiem 1/ager. Wieder/die Bitte, Zeitungen zu schicken, Zei­tungen aus den verflossenen zwei Monaten, in denen sie alle von. der Welt; abgeschnitten waren. > Zeitungen . in allen ' europäischen Sprachen. 1

Wir sahen Mädels und Jungen, die tagszuvor gegen vier oder fünf Soldaten kämpfend, am Schiff gestanden hatten. Sie sprachen gar- nicht darüber, es war so, als läge das schon lange zurück. Sie 'sprächen* nur von dem Kampf, den sie weiterführen wollen, um end­lich nach Hause nach Palästinakommen zu können. Viele von diesen Menschen haben ihre nächsten Angehörigen dort.. Diejse gingen während der Nazizeit nach Erez und sie haben sie gesehen. v

Nach zwei Stunden verließen wir dieses La­ger. Wir gingen ruhiger weg als wir gekommen waren, denn wir wußten, daß es" hier keine Verzweifelten gibt, weder bei den Alten noch bei den Jungen. Die einzige Sorge, die sie hätten, das war die, ^ Wo ihre verwundeten /Kameraden wohl seien. Wir trösteten sie, als wir ihnen sagten, daß wir sie schon gesehen hätteh- .

Menschen hinter Stacheldraht, Menschen, die aber wissen, daß die ganze Weltöffentlichkeit hinter ihnen steht und ihnen zum Sieg ver­helfen wird. . , >

Wann dieser Sieg errungen wird, ob heute oder morgen, das wissen wir nicht. Aber er wird errungen werden, . denn wir glauben, trotz all/ dem, was .wir an Schrecklichem und Fürchterlichem in diesen Tagen gesehen ha­ben, daß die Gerechtigkeit sich noch durch­setzen wird und daß unter dem Druck der Weltmeinung unseren Menschen endlich ihre Heimat und damit die wirkliche Freiheit ge­geben. wird. Wir sagten Weltmeinung und wir wollen damit auch, wiederholen, was fast alle unsere Brüder und Schwestern derExo­dus 1947 wissen: In "dieser Weltmeinung ist aifch die Meinung eines überwiegend großen Teils des/ englischen Volkes mitenthalten.

Und das ist das, was keiner, den wir in die­sen Tagen gesprochen haben, versteht, denn: England nimmt für sich doch in Anspruch, demokratisch zu sein und zu handeln. Deutsche sagten zu uns:Will man uns so de­mokratisch erziehen?

Protestkundgebung In Hamburg

Etwa 500 jüdische Menschen kamen aus Belsen nach Hamburg, Um gegen die Zwangsausschif­fung zu protestieren. Sie begaben sich zu­nächst zur Hafenanlage, entrollten dort die Fahnen und sangen dieHatikwah. Von dort aus fuhren sie ri die Stadt Und vereinten sich in den Hainburger Ruinen zu einer Protest­kundgebung, in der Mark Jarblum aus Paris zu ihnen sprach. Er protestierte gegen die Maßnahmen, die gegen unsereExodus-Men­schen ergriffen Worden waren. Die Kundge­bung verlief würdevoll und diszipliniert.

Die Fotos in dieser Ausgabe: Pressebild, Litzmann-Hamburg.