DER JUDENSTAAT - NR. 26

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n das Judenviertel einzudringen und geriet dabei in ein Handgemenge mit der Polizei. Die Menge wandte sich dann' gegen die Polizeistation. Die schwerbedrängte Polizei machte von der Schußwaffe Gebrauch. Die Tore der Stadt werden scharf bewacht. Niemand darf ohne besonderen Passierschein die Stadt betreten oder verlassen. Das Betreten der Straßen nach Einbruch der Dämmerung ist untersagt. Englische Zivilisten haben sich zum freiwilligen Polizeidienst gemeldet und tun als Hilfst polizei Dienst.

Einem offiziellen Kommunique zufolge, unternahm eine 2000 Kopfe zählende Menschenmenge in Haifa einen Angriff auf die Hauptpolizeiwache. Um sich der An* greifer zu erwehren, griffen die Polizeibeamten zur Schußwaffe. Wie der amtliche Bericht besagt, ist es den Behörden gelungen, die Ruhe in Haifa wieder herzustellen.

Auch in Nablus, dem alten Sichern, etwa achtzig Kilometer nördlich von Jerusalem, kam es zu schweren Ruhestörungen, wobei die Polizei von der Feuerwaffe Gebrauch machte. Über Jaffa und Tel* Aviv ist der Ausnahmezustand verhängt worden.

Die Situation am Mittwoch

In Transjordanien

Jerusalem, 30. Oktober

Die antijüdische Bewegung unter den Arabern hat sich auch nach Transjordanien ausgebreitet. Ebenso herrscht gro­ße Unruhe in Syrien. In Damaskus ist der Gene­ralstreik als Sympathiekundgebung für die palästinensischen Araber ausgerufen worden. In den Moscheen sind Trauerfeiern für die Opfer der Un­ruhen in Palästina abgehalten worden.

Der arabische Generalstreik dauert an.

In Aman Staf fand eine Protestdemonstration wegen der blutigen Demonstrationen in Jaffa statt, bei der der Emir Abdalla eine Ansprache hielt. Er ermahnte die Demonstranten zur Ruhe und Vernunft. Weiter stellte er fest, daß die Engländer den Juden Versprechungen machten, jedoch unter der Voraussetzung, daß die arabische Bevöl­kerung Palästinas nicht geschädigt werde.

Einwandererschiffe aufgehalten

Jerusalem, 30. Oktober

Der italienische Dampfer ,Martha Washington*, der heute mit tausend jüdischen Einwanderern an. Bord ln Haifa eintreffen sollte, hat vom britischem O b e r- kommlsär die Weisung erhalten, nach Cyprus weiter­zufahren und dort mehrere Tage abzuwarten, um die Araber nicht gerade jetzt noch weiter aufzuregen. Auch an den DampferPolonia", der mehrere hundert jüdische Ein­wanderer an Bord hat und der heute in Jaffa hätte eintreffen sollen, ist Anweisung ergangen, nach Pord Said weiterzu­fahren und dort abzuwarten, bis sich die Lage geklärt hat.

Ruhe und Generalstreik

Jerusalem, 31. Oktober In ganz Palästina herrscht nun vollständi* ge Ruhe. Der Generalstreik dauert an. Auch in Transiordanien ist es ruhig. Die Manifesta* tion in Damaskus ist ohne Zwischenfälle ver* laufen.

Die Behörden glauben, daß sich die Lage inzwischen beruhigt hat und daß keine unmittel* bare Gefahr neuer Unruhen besteht. Das Ver* bot, die Straßen nach Einbruch der Dunkel* heit zu betreten, wurde für Jerusalem aufgeho* ben. Die Regierung hatdiearabi* sehe, hebräische und englische Presse unter Zensur gestellt.

Nationalsozialisten?

Paris. Eine Havasmeldung aus Jerusalem verzeich­net die Annahme, daß die Unruhen auf nationalsoziali­stische Elemente zurückzuführen seien, die in letztei? Zeit in Palästina eingetroffen sind. Die Behörden hätten untrügliche Beweise dafür, daß zwischen iden arabischen Führern und den Nationalsozialisten, deren (Anwesenheit auf einigen Großgrundbesitzen in der Nähe der sy­rischen Grenze festgestellt wurde, Beziehungen be­stehen.

Das Echo in London

London, 30. Oktober. Die englische 1 Presse ist über die Unruhen in Palästina alarmiert. In längeren Be­richten wird hervorgehoben, daß bisher noch keine, Ausschreitungen von Arabern gegen Juden vorgekom­men seien. Anlaß sei zwar die Befürchtung starker jü­discher Einwanderung, die Demonstration selbst aber richte sich gegen die britische Mandatsregierung und' ihre Einwanderungspolitik.

Die einzige Zeitung, die eine offene antijüdische Stellung einnimmt, ist die pro-arabische »Daily Mail«, die schreibt, daß den arabischen Klagen recht zu geben sei. Denn man müsse zugeben, daß eine bedeutende jüdische Immigration nach Palästina befähigt sei, schwe­re Komplikationen zu erzeugen. Wenn nicht rasch den Arabern nachgegeben Werde, so besteht die Gefahjij, daß die Unruhen sich genau so wie in den Jahren 11921 und 1929 ausbreiten und daß sich England dabei die Gegnerschaft der ganzen muselmanischen Welt, ein-i Schließlich Indiens, zuziehen werde.

Die Araber fordern

Der arabische Vollzugsausschuß beschließt einen formellen Protest gegen die jüdische Einwanderung^ 1 den Verkauf von Land an Juden und die Erschießung von Arabern durch die Polizei, zu erheben. Ferner wird die Freilassung der verhafteten Araberführer ver­langt. Die Resolution wird den Herrschern ailer arabi­schen Staaten sowie dem Völkerbund übermittelt werden.

Jerusalem, 1. November. Die politische Spannung hält im ganzen Lande an, ohne daß es jedoch zu neuer­lichen größeren Zusammenstößen gekommen wäre. In Jerusalem selbst kam es während der vergangenen Nacht wieder mehrmals zu Schießereien. Die Haupt- {straßen wurden von den Dächern herab mit Nägeln) jbeworfen, um die Polizeiautos aufzuhalten. Der Ge­neralstreik wird durchgeführt. Die arabischen Zeitungen haben als Protest gegen die über sie verhängte Zen­sur das Erscheinen eingestellt.

In Transjordanien kam es während der Abwesen­heit des Emirs Abdullah, der der Eröffnung des Hafens von Haifa beiwohnte, zu antibritischen Kundgebungen.

1 *

Jerusalem, 1. November. Dem morgigen Jahrestag der Balfour-Deklaration, sieht man hier mit großer Besorg­nis entgegen. Alle arabischen Geschäfte, die noch im-, (mer geschlossen sind, haben schwarze Fahnen auf­gezogen. Die telephonische und telegraphische Verbin­dung mit Bethlehem 1 ist seit heute nachmittag unter­brochen, da die Drähte an verschiedenen Stellen durch­schnitten und entfernt worden sind. Gleiches wird aus verschiedenen anderen Landesteilen gemeldet.

Der Präsident des arabischen Vollzugsausschusses besuchte heute den englischen Oberkommissär und er­klärte, wenn die Regierung nicht unverzüglich der wei­teren Einwanderung von Juden ein Ende mache, so (werde eine ernste Verschlimmerung der Lage eintre- ten, denn die Erregung unter der arabischen Bevölkerung sei noch ständig im Wachsen.

Bezeichnend für die Panikstimmung in Jerusalem ist, daß sich trotz Aufhebung des Verkehrs verböte^ nach Eintritt der DunkelBeit kaum noch ein Mensch auf die Straße wagt.

Wie aus Damaskus berichtet wird, hat der franzö­sische Gouverneur die gesamte arabische Presse Sy* riens verboten, Weil die Blätter sich geweigert hatten,, ein Dementi zu veröffentlichen, durch das die Berichte' über die Vorgänge in Palästina abgeschwächt wurden*, Juden helfen Arabern

Tel-Aviv, 1. November. Zahlreiche, von englische Kugeln verwundete Araber mußten in die hiesigen jüdi­schen Spitäler eingeliefert werden, da die Spitäler in Jaffa von verwundeten Arabern überfüllt waren. Vielen Arabern leistete der »Rote Magen-David« (die jüdische Form des internationalen Roten Kreuzes) erste Hilfe. iWie versichert wird, ist die Zahl der Verwundeten, sowohl unter den Arabern als auch unter den Engländern viel größer, als die offiziellen Verlautbarungen angeben. Unter den Leichtverwundeten befinden sich auch der Hauptkommandierende und der Inspektor der Jaffaer Polizei.

Appell des Waad Leum ian die Araber

Jerusalem, 25. Oktober. Der Waad Leumi, der als die Repräsentanz der palästinensischen Judenheit öffent­lich-rechtlich anerkannte Jüdische Nationalrat, hat einen Aufruf an die arabische Bevölke­rung erlassen, in dem die günstige Auswirkung der jüdischen Einwanderung als eines aufbauenden Faktors auf die Wirtschaft Palästinas hervorgehoben wird. Es wird auf den Gegensatz der Wirtschaftslage Palästinas» zu der der Nachbarländer hingewiesen, aus denen ein ständiger Zuzug von Arabern hierher fest­

zustellen ist. Zahlreiche Araber seien in jüdischen land­lwirtschaftlichen Betrieben beschäftigt. Der allgemein^ Fortschritt des Landes sei der arabischen Bevölkerung' zugute gekommen, die sich von 1922 bis 1931 um 225.000 Seelen vermehrt habe. Jüdischer Unternehmer­tätigkeit sei es zu danken, daß die Regierung einen so hohen Verwaltungsüberschuß erzielen konnte, was eben­falls der Gesamtbevölkerung zum Vorteil gereiche. Da­her richte der Waad Leumi an die arabische Bevölke­rung den Appell zu Frieden und Verständigung; das einträchtig durchgeführte Aufbauwerk werde zur Wohl­fahrt Aller führen. Die Judenheit der Diaspora wird aufgefordert, sich durch die Beschuldigungen, die gegen die Juden Palästinas bei der in letzter Zeit geführten Propaganda erhoben werden, nicht abschre;cken zu lassen und ihre Arbeit im Dienste der Palästina-Einwanderung zu beschleuni­gen und zu verstärken.

Eine Kundgebung der Jewish Agency

Jerusalem. Die Jewish Agency erließ eine Kundgebung, in der mitgeteilt wird, daß in ganz Pa­lästina Juden von den Unruhen nicht betroffen sind. Die Jewish Agency stehe in dauerndem Kontakt mit allen in Betracht kommenden Zentralstellen. Die Lage sei immer noch eine gespannte, aber die jüdische Be­völkerung bewahrt ihre Ruhe und geht ihrer normalen «Beschäftigung nach.

Jüdische Teilnahme am Staatsfeiertag der Tschechoslovakei

Prag. Die jüdische Bevölkerung von Prag und der ganzen Tschechoslowakei hat an dem Staatsfeiertag am Samstag,, den 28. Oktober, aus Anlaß der fünfzehnten Wiederkehr des Tages der Proklamierung der Tschecho­slowakischen Republik lebhaften und herzlichen Anteil genommen. Sie nahm überall an 'den allgemeinen Kund­gebungen teil, besondere jüdische Veranstaltungen fanden nicht statt.

Der Enthüllung des Denkmals für den hervorragen­den tschechischen Schriftsteller Alois Jirasek wohnte Abgeordneter Dr. Angelo Goldstein bei. Abg. Dr. Gold­stein war auch Ehrengast auf der Ehrentribüne bei der- Parade am 28. Oktober vor dem Präsidenten der Re­publik Thomas G. Massaryk.

James Macdonald Völkerbundhochkommissar für Flüchtlings

Genf. Der Völkerbundsrat hat dem ihm von der Vollversammlung des Völkerbundes erteilten Aufträge zur Schaffung eines autonomen Amtes für Hilfe ah die deutschen Flüchtlinge und zur Be­rufung einer Persönlichkeit als Hochkommissar an die Spitze dieses Amtes gemäß an den Amerikaner James MacDonald die Einladung ergehen lassen, das Amt eines Hochkommissars für die deutschen Flüchtlinge zu übernehmen. Wie es heißt, liegt bereits von Mac- Donald eine Erklärung vor ,daß er demnächst das ihm übertragene Amt antiteten wird.

Professor James Grover MacDonald ist eine interna­tional sehr bekannte Persönlichkeit. Seit einer Reihe von Jahren ist er Vorsitzender der Foreign Policy Asso­ciation (Vereinigung für Außenpolitik), die in den Ver­einigten Staaten großes Ansehen genießt. Er steht im 48. Lebensjahr und ist Professor für Geschichte und Politik. Seine Berufung und die von den Vereinigten Staaten bereits erteilte Zustimmung zur Teilnahme an dem Flüchtlingswerk wurden in Genf mit hoher Be­friedigung aufgenommenn.

Palästinaorangen nach der Tschechoslowakei freigegeben

Prag. Wie die Jüdische Telegraphen-Agentur er­fährt, hat die tschechoslowakische Regierung die Ein­fuhr von Palästina-Orangen nach der Tschechoslowakei ifreigegeben.

Bis jetzt durfte man Palästina-Orangen nach der Tschechoslowakei nur im Wege der Kompensation, d. h. im Austausch gegen tschechoslowakische Waren, die nach Palästina gingen, einführen. Nunmehr ist die Einfuhr kompensationslos und darum auch nicht mehr kontingentiert, so daß jeder, der Palästina-Orangen nach der Tschechoslowakei einiühren will, dies uneinge­schränkt tun kann und hierfür die notwendigen Devi­sen erhält. Man erwartet, daß nunmehr die Orangen­einfuhr in die Tschechoslowakei einen Aufschwung neh­men wird.

Konflikt in der Berliner jüdischen Gemeinde

Die «Jüdische Rundschau» veröffentlicht ein Schrei­ben, das der Vizepräsident der Reichsvertretung der deutschen Juden und Mitglied des Direktoriums der Ber­liner Jüdischen Gemeinde Dr. Siegfried Moses an den Vorstand der Gemeinde gerichtet hat und in dem er seinen Austritt aus dem D i'r etk to r i um der Gemeinde anzeigt.

Landesverband der Zionisten-Revisioniste n

Montag, den 6. November 1933 8 Uhr abds, im Festsaal des Hotel Continental, 11. Taborstraße Nr. 4

»Die Araberrevolte u. die jüdische Einwanderung nachPalaestina«

R c d n c r: Dr. Wolfgang von Weis! Dr. David Buk span #

War das der Zweck?

Das Parlament kommt.

Jerusalem, 31. Oktober. Der britische Oberkommissär erklärt die Befürchtungen, die Juden würden in Palästina die Oberhand bekommen, für unbegründet. Die Herrschaft liege in seiner Hand. Bezüglich der Selbstverwaltung halte er an der Einsetzung eines gesetzgebenden Rates nach Durchführung der Kommunalwahlen fest.