Blätter
des Verbandes Jüdischer Heimatvereine
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Nr. I I
Berlin. August 1935
9. Jahrgang
Neues vom Proserpma-Brunnen.
Von Georg Brandt.
Jeder Posener erinnert sich gewiß gern des Proser- pinabrunnens. Zwar ist es ja kein großes, aber doch ganz tüchtiges Kunstwerk; und die Art, wie es da vor dem mächtigen Bau des Rathauses steht, ist eben doch recht glücklich und eindrucksam. Auch schon aus einem äußeren Grunde kann dieses Brunnenkunstwerk dem Posener teuer sein: ist es doch das einzige Denkmal des Rokoko, das die Stadt als ösientliches, an der Straße gelegenes Monument, aufweist. Das Rokoko ist ganz vorwiegend ein Innen st il; freie für sich bestehende Kunstwerke zeigt es weniger. Das zeigt sich eben auch hier. Noch etwas Aeußeres ist bei diesem Gegenstand merkwürdig: obwohl die Entstehung dieses Brunnenmonuments unserer Zeit doch ziemlich nah liegt, wissen wir von diesem Werk recht wenig; sehr viel weniger zum Beispiel als von dem doch so viel älteren Umbau des Rathauses aus den Jahren 1550 bis 1566. Wir wissen, daß das Denkmal aus dem Jahre 1766 stammt, und bereits Professor Warschauer hat seinerzeit, aus städtischen Kassenbelegen, festgestellt, daß der Bildhauer, von dem es stammt, S ch ep s hieß. Aber, wer war dieser Scheps? Und was gilt sonst noch von diesem Denkmal, das zu wissen interessant wäre?
Es ist nun dem Custos am „Muzeum Wiekopolski", Dr. Brosig, gelungen, den Contract aufzufinden, der zwischen Vertretern der Stadt und dem Bildhauer Scheps aufgesetzt worden ist, und weiterhin auch einiges Licht auf diesen Bildhauer zu werfen. Es wird in diesem Contract, der unterzeichnet ist von Augustin Scheps einerseits, den städtischen Sekretären Sebastyan Bruchwicki und Jgnacy Runowski andererseits, eine Bezahlung von ca. 210 sogenannten roten Zlotys („210 cücitur czerwonych zlotych“) vereinbart, die nach und nach ausgezahlt werden sollen. Auch wird darin festgesetzt, daß Scheps nur die eigentlichen Arbeiten in Stein, das Bildhauerische, zu leisten hat, während das Wassertechnische des Brunnens herzu" richten, der Stadt obliegt. Der Contract ist am 11. September 1758 aufgestellt.
Dr. Brosig hat dann doch einiges über die Person dieses Bildhauer Schöps aufklären können; seine Familie und Herkunft führt ins Sächsische, sein Vater hieß Chrystian Scheps; und auch Georg Schöps, ein nicht unbekannter Töpfer-Künstler in Bunzlau, in der Mitte des 18. Jahrhunderts tätig, scheint durchaus dieser Familie anzugehören.
Bei dem eigentlich Künstlerischen der Proserpina- Gruppe müssen wir es schon bei dem bewenden lassen, was vor Augen steht. Es kommt nicht viel dabei heraus, hier zu fragen: woher hat das der Künstler? Ist nicht ein direktes Vorbild da? Die Sache liegt ja hier so, daß sowohl Barock wie Rokoko mythologische Stoffe der Antike durchaus bevorzugten, und besonders das Thema vom Raub der Proserpina durch Pluton war um die Zeit, als unser Brunnen entstand, recht beliebt und häufig. Man braucht ja nur an das berühmte Monument „Raub der Proserpina" von. Bernini zu denken oder an das von Francois Girardon. Aber eine an diese sich anschließende nachahmende Gestaltung besteht bei unserm Brunnendenkmal nicht. Das hat schon Kronthal hervorgehoben. Brosig führt auch einige weniger bekannte Gestaltungen des gleichen Themas aus älterer Zeit an. So eine von Balestoi, einem Bernini-Schüler, in Dresden; ferner eine im Schwarzenberg-Park in Wien, von Lorenzo Matielli. Aber auch bei diesen glaubt Brosig eine direkte Abhängigkeit unseres Posener Künstlers nicht ableiten zu können.
Wir dürfen also schon unsere Proserpina-Gruppe weitgehend als eine Originalleistung ansehn und uns den Namen des Augustin Schöps als eines immerhin selbständigen Künstlers einprägen. Wek'sich der Gruppe noch einigermaßen erinnert, wird es gegenwärtig haben: wie vorzüglich sie vor dem Rathausbau steht, speziell vor der Säulenhalle; trotz des Säulenunterschiedes: hier — Proserpinagruppe —: Rokoko, dort — Säulenhalle —: italienische Renaissance. Auch ist die bewegte Silhouette der Gruppe durchaus reizvoll.
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