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i In der Geschichte der Inquisition ist grundsätzlich zu I unterscheiden zwischen der von Rom ausgehenden j päpstlichen und der in Spanien vom Königtum ein- 1 gesetzten spanischen Inquisition. Die päpstliche Inqui- *] sition war eine rein kirchliche, die spanische eine 4 kirchlich-politisch-völkische Institution. Die päpst- I liehe Inquisition wurde zur Zeit der Albigenser a? Kriege von Innocenz III. durch eine Delegation von I Mönchen begründet, die er nach Südfrankreich * schickte, Tim dort gegen die Ketzer mit jener Strenge ,j vorzugehen, die man hei den weltlichen Fürsten ver- <1 mißte. 12 43 nennt sich der Dominikaner Fra
| lluggiero Calcagni als erster ,,Inquisitor“, und 1262 setzt Urban 1 Y. den Kardinal Kajetan Orsini als „Generalinquisitor“ über die bis dahin zahlreich gewordenen Inquisitionsgerichte des katholischen Machtbereiches. Yon Anfang an begegnete die Inquisition durch ihre unerhörte Grausamkeit dem Widerstand der Bevölkerung. Schon das erste Inquisitionstribunal in Albi, dem Ausgangsort der Albigenser-Bewegung, rief eine Revolte hervor, die Inquisitoren wurden verjagt, einige sogar erschlagen, das gleiche wiederholte sich in Narbonne und Toulouse. Mit Hilfe der päpstlichen Macht aber wurde die Inquisition gegen den Widerstand der Behörden neu eingesetzt und ein furchtbares Strafgericht inszeniert.
In den Jahren 12/16/47 wurden in Südfrankreich etwa 6000 Inquisitionsprozesse erledigt. Alle freiheitlichen Elemente wurden unterdrückt, die Wohlhabenden, um sich in den Besitz ihres Vermögens zu setzen, in Ketzerprozesse verwickelt, Tote, die sich nicht mehr verteidigen konnten, als Ketzer aus den Gräbern geholt und verbrannt, damit man den Erben das Vermögen rauben konnte, und so wurde zwischen i2 3 o und idoo die herrliche Kultursaat, die gerade hier am üppigsten und hoffnungsvollsten für ganz Europa aufgegangen, barbarisch zertreten und dadurch die gesamte Kulturentwicklung Europas um Jahrhunderte aufgehalten. Und wenn man noch heute in jenen Gegenden durch w'eite Strecken entvölkerten Landes fährt, kaum hier und da ein ärmlich Dorf, so nur darum, weil man über das verödete Schlachtfeld eines grausamen und sinnlosen Kulturkampfes dahinreist, dessen Sieger die schwarze Inquisition gewesen.
Natürlich versuchte man die Inquisition auch in Deutschland einzuführen und erteilte zu diesem Zweck einem inquisitorisch eingestellten Fanatiker, Konrad von Marburg, Vollmacht. Gegen den Widerstand der Bischöfe und des Adels versuchte dieser die Inquisition zu organisieren, wurde aber 12 33 vom empörten Volk erschlagen. Wie in ihren Anfängen, so blieb die Inquisition auch späterhin in Deutschland ziemlich machtlos. Von ihrem Wirken aber zeugt die Tatsache, daß die größten Geister des religiösen Lebens im deutschen Mittelalter von der Inquisition verfolgt wurden. Meister Eckhart, der bedeutendste Mystiker Deutschlands, selbstDominikanerprior, wurde bis über den Tod hinaus in zahlreiche Inquisitionsprozesse verwickelt und schließlich verurteilt, zweihundert Jahre später zitierte die Inquisition den Vorkämpfer des Humanismus, Reuchlin, vor ihr Tribunal, und schließlich auch Luther, der den Satz aufgestellt hatte: Die Ketzer zu
Inquisition.
II. Spezielle Geschichte.
verbrennen, ist gegen den Heiligen Geist. Durch die Verbrennung zweier lutherischer Mönche veranlaßt, verfaßte er das Gedicht: „Ein neues Lied wir heben an...“ Eine von der päpstlichen Inquisition gänzlich verschiedene Entwicklung nahm die Inquisition in Spanien. Unter der Weltherrschaft der Araber war zwischen den Jahren 700 und 1000 Spanien von den aus Afrika siegreich vordringenden Mohammedanern besiedelt worden, und nun entstand hier durch das Zusammenleben der siegreichen Semiten und der besiegten Germanen jene leuchtend farbenreiche und einzigartig produktive Mischkultur, die man als spanischarabische Blütezeit bezeichnet. Araber, Berber, Mauren und Juden auf der einen Seite, Goten, Kelten, Iberer, Basken und Romanen auf der anderen vereinten ihre physischen und geistigen Kräfte zu einem Staatswesen und -leben, das zu den wenigen erfreulichen Glanzepochen der Menschheitsgeschichte zählt. In diesem Mischstaat herrschte eine selbst für unsere Zeiten vorbildliche Freiheit der religiösen und politischen Anschauungen und der völkischen Eigenart. Kirche, Moschee und Svnagoge standen friedlich nebeneinander, der Bischof herrschte neben dem Imam, der Jude ist der Lehrer der arabischen Jugend, der germanische Ritter kämpft neben dem maurischen Kameraden für die Freiheit des Landes. Als io 85 Alfons VI. Toledo eroberte, nannte er sich „König zweier Religionen“ und gab unter dem Einfluß der Freiheitstradition Christen, Mohammedanern und Juden die gleichen bürgerlichen und religiösen Rechte. Hundert Jahre hielt diese Macht des bisherigen „Liberalismus“ an. Als Alfons IX. 1212 die Stadt Ubeda eroberte, sagte er ihren 3 ooo mohammedanischen Bewohnern zu, daß sie auch unter christlicher Herrschaft ungestört in ihrem Glauben Aveiterleben dürften. Unterdessen aber war die katholische Kirche mächtig geworden und mit ihr der Wille, alle „Ungläubigen“ der alleinseligmachenden Kirche zuzuführen. Sie setzte es durch, daß Alfons IX. seine Zusage an die Mohammedaner zurücknahm und sie als Gefangene teils töten, teils in die Sklaverei abführen ließ. Als Jakob I. dreißig Jahre später die Balearen eroberte und den Mohammedanern ebenfalls Freiheit zusagte, stellten die Bischöfe ihm vor, daß unmöglich in christlichen Landen täglich dreimal von den Minaretts „falsche Götter“ angerufen werden könnten. 1216 bestimmte das lateranische Konzil, daß Juden und Mohammedaner äußerliche Abzeichen, die sogenannten späteren Schandflecken, tragen müßten und daß sie in besonderen Vierteln, italienisch Ghetto genannt, in Spanien Moreria für dieMauren undJuderia für die Juden, getrennt von den Gläubigen leben müßten. Die Inhaltsschwere solcher Maßnahmen begreift man erst, wenn man sich von der üblichen Vorstellung eines mittelalterlichen Juden, den man sich als einen verarmten und degradierten Ghettobewohner ausmalt, befreit und sich vergegenwärtigt, daß in dem von den Christen nun allmählich eroberten Spanien die Mauren und Juden die herrschende Oberschicht darstellten. Sie waren Kanzler und Minister, Finanziers und Handelsherren, Universitätsprofessoren und Künstler, sie wohnten in den elegantesten Straßen, in
Sammelbl. jiid. VViss. 84/85,
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