Einwanderung bemittelier Familien

der ganzen Bevölkerung die Stimmung des Weiterkom­mens und des gesteigerten Aufbautempos gegeben. Aus allen Ländern, insbesondere aus Amerika und Polen, jedoch

in spürbarem Ausmaße auch schon aus Deutschland

kommen jüdische Familien ins Land, betreiben ihre land­wirtschaftliche Ansiedlung oder eröffnen städtisch-gewerb­liche Betriebe. Die befruchtende Wirkung ist schnell ein­getreten :

Arbeitslosigkeit besteht nicht, die Kolonisationsfläche wächst schnell, der Inlandsmarkt ist belebt, die Geldeinlagen bei den Banken steigen, die Unternehmungslust ist angeregt, die Verbreiterung der jüdischen Position stärkt das Gefühl der Sicherheit des Jischuw.

Diese Entwicklung hat sich schnell auf einem der wich­tigsten Gebiete des Aufbaus ausgewirkt. Die Begierung hat der Jewish Agency für das erste Halbjahr 5693 (Oktober 1931 bis März 1932)

4500 neue Zertifikate

zur Verfügung gestellt. Diese Zertifikate ermöglichen die sofortige Einwanderung Tausender mittelloser Arbeits­kräfte, die das Land (bringend braucht und die in allen Ländern mit Ungeduld auf die Möglichkeit zur Einwande­rung nach Palästina warten. Auch Deutschland wird in diesem Halbjahr wieder eine größere Anzahl von diesen Zertifikaten erhalten und in diesem Ausmaß vorgebildeten, arbeitsfähigen Menschen die Möglichkeit zur Errichtung

einer Existenz gewähren. Über diese praktische Wirkung hinaus hat der Wiederbeginn einer größeren Einwan e- rung psychologische Bedeutung: Die Tore Palästi­nas sind wieder geöffnet; und wenn die neue Einwanderung, die Bemittelte und Unbemittelte zu| sammengefaßt in diesem Jahr mehr als 10 000 Men­schen umfassen wird, auch nicht imstande ist, das jüdische ^ Wirtschaftsproblem, besonders in Osteuropa, zu lösen, s ' wird doch die Tatsache, daß wenigstens ein Land in der^k Welt jüdischer Einwanderung nicht verschlossen ist, und daß dieses Land Palästina ist, von Millionen von Juden als ein Trost in allem Unglück empfunden und als Zeichen und Symbol, daß ihr Leiden nicht vergeblich ist und daß sie sich ihren Glauben und ihre Hoffnungen bewahren dürfen.

*

Die gegenwärtige Situation in Deutschland verpflichtet die deutschen Juden zu einer aufs äußerste angespannten Anstrengung zur Besserung ihrer Lage. Aber so wichtig jede einzelne Maßnahme zur Erleichterung unserer Lage in Deutschland auch ist, die Möglichkeit, immer neuen Menschen in steigendem Ausmaß ein festgegründetes, hoff­nungsfrohes und jüdisch gesichertes Leben zu schaffen, ist die größte Aufgabe, die wir unserer Genera­tion und den künftigen Generationen gegenüber erfüllen können.

Darum gehen wir mit frischem Arbeitsmut in das neue Jahr unserer Tätigkeit, mit der Hoffnung, mit der Ge­wißheit, daß es uns gelingen wird, immer neue Kräfte mit unserer Arbeit zu verbinden und das große jüdische Werk in Palästina fortzusetzen und auszubauen. Die Lei­stung der deutschen Juden für den Keren Hajessod wird ihre historische Bedeutung haben.

Neue Entwicklungsphasen des Palästina ~ Aufbaus

Aus einem Referat von Dr. Arthur Ruppin (Jerusalem) auf dem zionistischen Delegiertentag in Frankfurt a. M.

. . . Gehen wir nun kurz darauf ein, was in Palästina in den letzten Jahren geleistet wurde. Nehmen wir als Stichjahr das Jahr 1918, das Ende des Krieges, die Einführung der englischen Verwaltung in Palästina. Da sehen wir, daß in diesen 14 Jahren sowohl die Anzahl der Juden und die von ihnen in Besitz genommene Bodenfläche, als auch die Zahl der jüdischen Landwirte sich verdreifacht hat: statt 65 000 Juden gibt es heute fast 200 000, statt 400000 Dunam Boden 1 100 000, statt 15 000 jüd. ländlicher Bevölke­rung 46 000. Palästina hat im letzten Jahr 31/2 Millionen Kisten Orangen ins Ausland geschickt, davon ein Drittel aus jüdischen Pflanzungen. In kurzer Zeit wird der Export von jüdischen Orangen denjenigen der arabischen Pflanzungen übersteigen. Die jüdischen landwirtschaftlichen Siedlungen haben sich tech­nisch und wirtschaftlich in überraschender Weise entwickelt. Als die jüdische Kolonisation in Palästina nach dem Krieg einsetzte, und zwar auf der Basis der gemischten Wirtschaft, die in der Hauptsache auf Milchwirtschaft beruhte, hatte die einheimische Kuh einen jährlichen Milchertrag von 700 Litern, heute haben die Kühe in einer großen Zahl unserer Siedlungen durchschnitt­lich 3500 Liter. Eierproduktion: früher jährlich ein Ertrag von 70 Eiern pro Henne, heute liefert das neu eingeführte Leg­horn-Huhn das doppelte. Weizen trägt 60 kg pro Dunam bei den Arabern, bei uns 150 kg pro Dunam. Wir haben neue Kulturen eingeführt: Flachs, Bananen, Kartoffeln. In den Sied­lungendes Emek hat man es möglich gemacht, Grapefruits an- zupfianzen. Das Organ der Kolonien zum Verkauf ihrer Pro­dukte, dieTenuwah hat im letzten Jahre für etwa 150 000 £ Produkte der Siedlungen im Aus- und Inland verkauft. Das sind Ziffern und Entwicklungen, die sich durchaus mit der Kolonisation in anderen Ländern vergleichen lassen. Es sind Angriffe erhoben worden gegen unsere Kolonisationspolitik.

Man hat gesagt, warum wir gerade im Emek, wo keine Orangen gepflanzt werden können, unsere Kolonisation begonnen haben.

Wäre es nicht besser gewesen, in der Küstenzone zu beginnen, wo man die so rentable Orange pflanzen kann? Aber in unserer , Kolonisation ist nicht nur die Rentabilität der ausschlaggebende £ Faktor. Hätten wir die Million Pfund, die wir seit dem Kriege in die landwirtschaftliche Kolonisation im Emek hineingesteckt haben, für Kolonisation in der Orangenzone verwandt, so hätte das genügt, um dort 10 000 Dunam Boden mehr mit Orangen zu bepflanzen und 1000 Siedler mehr in der Küstenzone anzu­siedeln. Aber es gibt dort ohnehin 70 000 Dunam jüdische Orangenpflanzungen. Wir hätten also dadurch, daß wir unsere Kolonisation in der Küstenzone hätten, nichts neues geschaffen, hätten aber den Emek, der das Mittelmeer mit dem Jordan-Tal verbindet, nicht für die jüdische Kolonisation erwerben können. Gerade heute, wo die Petroleum-Röhren vom Irak durch den Emek geführt werden, wo gute Straßen durch den Emek laufen, wo Haifa als Hafen ausgebaut wird, können wir ermessen, welche Bedeutung es für uns hat, daß dieses Gebiet in jüdischen Besitz gekommen ist.

Es ist in Palästina nicht nur in der Landwirtschaft vorwärts gegangen. Wir haben auch in de,r Industrie große Fortschritte zu verzeichnen. Sie wissen alle, daß das Rutenbergwerk das Land mit Licht und Kraft versorgt, daß am Toten Meer Kalisalze und Brom gewonnen und expor­tiert werden, daß unsere Textilindustrie im Aufschwung be­griffen ist, daß unsere Zementfabrik mit drei Schichten arbeitet.

Auch in den umliegenden Ländern, in Syrien und im Irak, haben palästinensische Produkte Eingang gefunden.

Man hat uns in den letzten Jahren vorgeworfen, daß wir das, was wir in Palästina geschaffen haben, auf Kosten, der einheimischen Bevölkerung gesohaffen haben.

2