MONATSBLÄTTER DER GROSSLOGE FÜR DEN CECHOSLOVAKISCHEN STAAT

X. I. O. B. B.

JAHRGANG V. NUMMER 8. OKTOBER 1926.

Die Palästinafrage im Lichte der Soziologie.

Von Obermagistratsrat Dr. M. Feith.

loh bin mir bewußt, einen Gegenstand izu behandeln, der heikel ist an sich und noch heikler wird dadurch, daß er mehr von der Parteien Haß als von der Parteien Gunst getragen wird. Dem einen werde ich zu jüdisch, dem anderen zu deutsch, dem einen zu alttestamentarisch, dem anderen zu modern erscheinen. Gerade deshalb will ich meine Aus­führungen auf eine solide Grundlage zu bringen versuchen und ich rufe die jüngste Wissenschaft-, die Geselischaftslehre, oder wie .sie zünftig genannt wird, die Soziologie, als Eideshelferin an.

Die Soziologie ist schier so alt wie die in Gemeinschaften lebende Menschheit und da, wie gerade die Soziologie zeigt, die Gemeinschaft früher war als der Mensch (iSociety is prior than men, Spencer), so ist sie eigentlich älter als das Individuum Mensch. Ein Stück Soziologie gibt uns das Buch 'der Bücher, die B i ib e 1, die entgegen den Be­hauptungen der jüngsten Soziologen einen Staat ohne Klassen zeigt, also einen Staat, der wohl ursprünglich durch Gewalt geschaffen, sich doch nicht auf Grundlage der Gewalt entwickelte. Gott ist der Herr dieses Staates und vor diesem Herrn sind alle Menschen gleich.Was ist der Mensch, daß ich seiner gedenke. Daher gibt es eine herrschende und keine beherrschte Klasse. Daher das Sabbatjahr und das Hall- oder Jobeljahr, die alle Ungleichheiten des Besitzes ebnen sollten, wenig­stens theoretisch.

Auch die Politeia Platons ist eine Art Soziologie viel­leicht könnten wir besser sagen Sozialphilosophie, weil sie nicht die Gesetze des Werdeprozesses eines wirklichen Staates darstellt, sondern eines Staates, wie er sein soll. Ein Staat, von Weisen gelenkt, von Wächtern geschützt, die kein zeitliches Gut erwerben durften, ein Staat, der (die Kindererzeugung regelte und jene Kinder dem Tode weihte, die nach den Gesetzen der Staatseugenik nicht in die Welt gesetzt werden sollten, sei die beste Grundlage für die Entwicklung der Gesellschaft. Aber Platos Staat war nie und kann nie sein, weil, bevor die Menschheit zu der Höhe der Entwicklung gelangt, wie sie der