Zeitschrift für die Geslimtinteressen des Judentums.
Nebst einer wissenschaftlichen Beilage.
Verantw.7Iedakt.: AI. A. Klausner, Lerliu^., Tauenzienür. 19 a.
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Verlag: Lieqfried Lrondach,
Berlin W. 57.
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Nr. 5.
Berlin, 3. Hebruar M9. Jahrgang VIII.
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Für die Redaktion bestimmte Mitteilungen erbitte ich an die Adresse: Berlin W., Tauenzienstr. 19 a. M. A. Klausner.
Inhalt.
Artikel. Die Politik. (Das Judengesetz für Frankfurt a. M. — Tschechische Juden. — Ein gräflicher Ahlwardt. — Antisemitische Wirtschaft in Wien.) — Eine kleine Judendebatte im Abgeordnetenhaus. II. (Schluß.) — Eine zionistische Versammlung in Berlin. — Der religiöse und soziale Mensch nach der mosaischen Lehre. (Zum laufenden Wochenabschnitt.) Von RabbinerDr. B Seligkowitz-Cöthen. — Wochenchronik. Wochenkalender. — Berlin: Gute Auffassung. — Posen. Gemeinde- Verbandstag. — Breslau: Bericht der Fränkelschen Stiftung. — Marburg: Universitätspreise. — Hamburg: Vortrag des Dr. A. Feilchenfeld. — Paris: Gerichtsurteil. — London. Chief-Rabbi Dr. Adler in Glasgow. Ein jüdischer Lordmayor von Belfast. Tagebuch des Barons Ferdinand von Rothschild. — St. Petersburg: Senats-und Ministeralentscheidungen. Stiftung der Baronin Hirsch. — Personalnachrichten und kleine Mitteilungen. — Vakanzen. — Brief- und Fragekasten.
Die Politik.
(Das Judengesetz für Frankfurt a. M.) Die jüdischen Gemeinden in Preußen sind territoriale Zwangsgemeinden. Welcher Jude in dem Bezirk einer Gemeinde wohnhaft ist, der gehört dieser Gemeinde als Mitglied an. Ausgenommen hiervon ist der Bezirk Hohenzollern-Hechingen und die 1866 erworbenen vormals bayerischen, großherzoglich-hessischen und homburgischen Landesteile, ausgenommen ist ferner das Gebiet der vormals freien Stadt Frankfurt. Von der letztgenannten Ausnahme hat man lange nicht gewußt. Erst kürzlich hat man durch eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts erfahren, daß die im Geltungsbereiche des Allgemeinen Landrechts herrschende Anarchie der souveränen jüdischen
Einzelgemeinden für Frankfurt a. M. zu einer Einzelanarchie sich ausgestaltet hat. Dort gehört zur jüdischen Gemeinde nur, wer dazu den Willen hat; wer den Willen nicht hat, der steht für sich allein außerhalb der Gemeinde. Das störte nicht, so lange man es nicht wußte, denn von dem unbekannten Recht machte Niemand Gebrauch. Jetzt ist die Besorgnis aufgetaucht, es möchte anders werden. Es wäre nun sehr einfach gewesen, der Frankfurter israelitischen Gemeinde das Recht zu geben, das jede andere Gemeinde Preußens hat. Doch da gab es ein Hindernis: In Frankfurt existiert eine „Israelitische Religionsgesellschaft", die ein Sonderdasein führt, in ihrem Kreise auch ganz Anerkennenswertes leistet. Sie zählt 500 Mitglieder, von denen allerdings 300 auch zur Hauptgemeinde gehören. Aus Rücksicht nun auf diese 200 Mitglieder starke Minorität der Minoritätsgemeinde soll nicht die Zwavgszugehörigkeit aller Frankfurter Juden zur Frankfurter Hauptgemeinde ausgesprochen, sondern eine zwiespältige Einrichtung geschaffen werden, wie aus folgendem dem Abgeordnetenhause vorgelegten Gesetzentwurf bervorqeht!
8 I. Die in dem Bezirk der ehemaligen freien Stadt Frankfurt a. M wohnenden Juden gehören zur Synagogengemeinde „Israelitische Gemeinde" zu Frankfurt a. M.
Ausgenommen hiervon sind diejenigen Juden, welche Mitglieder der Synagogengemeinde „JsraelitischeReligionsgesellschaft" zu Frankfurt a. M. sind und unter Vorlegung einer Bescheinig urig des Vorstandes dieser Synagogengemeinde über ihre Mitgliedschaft binnen einer Frist von drei Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes oder nach Verlegung ihres Wohnsitzes in den Bezirk der ehemaligen freien Stadt Frankfurt a. M. oder nach erreichter Volljährigkeit dem Polizeipräsidenten zu Frankfurt a. M. schriftlich anzeigen, daß sie ausschließlich der Synagogengemeinde „Jraelitische Religionsgesellschaft" angehören wollen. Die betreffenden Juden sind von dem Zeitpunkte des Beginnes der dreimonatlichen Frist ab von der Verpflichtung zu öffentlich rechtlichen Leistungen an die Synagogengemeinde „Israelitische Gemeinde" befreit.
Die Vorschriften des Gesetzes, betreffend den Austritt aus den jüdischen Synagogengemeinden vom 26. Juli 1876 (Gesetz- samml. S. 353) bleiben im Uebrigen unberührt.