dem die Aufnahme eines Frontsoldaten in seinen Regimentsverein- oder zum Offiziersstammtisch abgelehnt oder erschwert worden ist. (In diesem Zusammenhang w ären auch nichtjüdische Logen und eine große Reihe anderer Verbände und Vereine zu nennen. Die Schriftl.)
Außer größtem Takt gehört dazu freilich für manche eine Ueberwindung hinsichtlich der politischen Einstellung. Aber gerade zu diesem Punkte sei darauf hingewiesen, daß man als Mitglied solcher Verbände sehr viel leichter als ein Fernstehender in der Lage ist, den unentwegt Rechtsstehenden klar zu machen, daß man durchaus nicht Monarchist sein muß und doch vaterländisch gesinnt sein kann, daß auch ein großer Teil der deutschen Juden nicht einem weichlichen Pazifismus um jeden Preis verfallen ist. Auf diese Weise wird man viel dazu beitragen können, das eigentliche Ziel dieser Verbände, Pflege der K a - meradschaft, innezuhalten und ein Ausarten in Radau- Nationalismus zu verhüten.
Durch solche positive Mitarbeit ist am besten, der Einwand zu entkräften, daß man nur als „Ausnahme" geduldet wird. Daß man mit einzelnen ausgesprochenen oder geheimen Antisemiten bisweilen an einem Tisch zu sitzen kommt, muß man um der Sache selbst willen, in Kauf nehmen.
II. Um hier nun gleich mit dem Gesamtergebnis) meiner „Erfahrungen" zu beginnen:
1. Wir wittern allzuleicht Antisemitis-i m u s. Das Mißtrauen ist ja auch verständlich aber nicht immer gerechtfertigt. Die Zahl der ausgesprochen völkisch Eingestellten ist unter den sogenannten gebildeten Schichten nicht so groß, wie man nach den vielen Beispielen von Ausschreitungen und Entgleisungen annehmen möchte. (Diese teilweise bestreitbaren Behauptungen werden demnächst ausführlich in der C. V.-Zeitung behandelt werden. Die Schriftl.) Der Kampf gegen jene unentwegten Antisemiten und die in ihrer versteckten Kampfesweise noch gefährlicheren Asemiten, ist z. Z. noch wenig erfolgversprechend. Es bleibt demnach zunächst die Hauptaufgabe, zu Verhindern, daß ihre Zahl wächst.
2. Sowohl im Kreise meiner Berufsgenossen, wie bei meinen Regiments- und früheren Schulkameraden, soweit rechts sie auch stehen mögen, habe ich nun, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, festgestellt, daß die Haupteinstellung nicht „anti", sondern „asemitisch" im guten Sinne ist, d. h. die meisten stehen der Juden frage gänzlich passiv gegenüber. Sie wissen genau, daß die Angriffe auf die Juden ungerechtfertigt sind, sehen sich aber, da sie, wie sie auf Vorhalt sagen, genug eigene Sorgen haben, nicht veranlaßt, dagegen aufzutreten.
3a) Andere wieder weisen es weit von sich, Antisemiten zu sein, lassen aber durchblicken, daß sie gewisse schädigende Einflüsse — oder einen übermäßigen Einfluß — des Judentums bekämpfen, b) Hierher gehören auch diejenigen, die im allgemeinen gesellschaftlich von Juden nichts wissen wollen, aber gelegentlich eine „Ausnahme" machen. 4. Schließlich finden sich auch mehr „Gerechte" als man zu hoffen wagt, die offen in ihrem Kreise den. Antisemitismus verurteilen oder gar öffentlich für unsere Sache eintreten.
III. Im einzelnen sei hierzu folgendes ausgeführt:
Bei Aussprachen mit ausgesprochen Völkischen ist die Aussicht auf Erfolg gering. Denn mag schon der einzelne im Augenblick der Unterhaltung zugeben, daß seine Ansichten falsch sind oder zum mindesten, daß er keine Beweise dafür hat, so fällt er sofort
wieder in seine frühere Anschauung zurück, wenn er sich darauf hin mit seinen Gesinnungsgenossen ausgesprochen hat; häufig liegt, wie mir kürzlich ein rechtsstehender, völlig objektiver Herr bestätigte, der Grund darin, daß man fürchtet von den andern wegen seines Einstehens für die Juden scheel angesehen zu werden. Einmal war das Resultat einer langen Auseinandersetzung mit einem völkischen Volksschullehrer, daß dieser in ziemlich ausfälliger Weise sagte: „Und wenn Sie mich tausendmal mit Vernunftgründen überzeugen, mein antisemitisches Gefühl bringen Sie nicht weg". Durch einen solchen Mißerfolg muß man sich nicht entmutigen lassen. Denn ab und zu gelingt es doch, auch solche Leute zum Nachdenken zu bewegen.
Die Asemiten sind im allgemeinen besonders schwer zu bekehren. Am besten wirken Beispiele von Persönlichkeiten der gleichen gesellschaftlichen Kreise, die mutig für Juden eintreten. Hochstehende Aufklärungsliteratur ist von Fall zu Fall anzuwenden.
Bei der nächst erwähnten Gruppe ist es von Bedeutung, daß man selbst einigermaßen über die Vorwürfe und die üblichen Schlagworte unterrichtet und zur Entgegnung imstande ist. Oft imponiert es auch, wenn man darauf hinweist, daß die gegnerische Einstellung doch auf e i n seifiger Lektüre antisemitischer Zeitschriften beruhe, daß deren Nachrichten, soweit es sich nicht überhaupt um Gassenantisemitismus handelt, oft ohne jede Grundlage, wie z. B. Statistiken über die Verbrechen und Vergehen, unbeweisbare Behauptungen aufzustellen. Die üblichsten Einwendungen, die mir kürzlich sogar ein Geistlicher machte, sind natürlich die des „internationalen Kapitals", der „geistigen Führung in der internationalen Sozialdemokratie", der „Sittenlosigkeit in der Mode", der „Zotenhaftigkeit der Witzblätter und Kabarets", der „Irreligiosität", des schädigenden Einflusses der Barmats und Konsorten" usw. Ohne auf diese Vorwürfe hier inhaltlich einzugehen, sei erwähnt, daß meine Vorstellungen, wie unmoralisch gerade im Sinne der christlichen Religion es sei, schlechte Einflüsse oder Eigenschaften mit „jüdisch" zu bezeichnen und, in dem Falle, daß ein Jude sich etwas zuschulden kommen läßt, nicht wie bei anderen Delinquenten von einem Verbrecher oder schlechten Menschen, sondern einer „natürlich jüdischen Handlungsweise" zu sprechen, oft zum Andenken angeregt haben.
Nicht unerwähnt bleibe, daß auch die zu dieser Gruppe zugehörigen Antisemiten zwar die völkischen Rasse-Schauermärchen nicht glauben, die Ausschreitungen auf der Gasse und in der Presse verurteilen, aber ihrerseits aus Furcht sich in der völkischen, sogenannten ersten Gesellschaft unbeliebt zu machen, durch Stillschweigen oder gar Besuch und künstlerische, rednerische oder sonstige Teilnahme an hakenkreuzlerischen Veranstaltungen bedeutend zur Förderung der antisemitischen Hetze beitragen. Auf den Einwand, daß die „nationale Rache" überall unter Hintanstellung von Bedenken gefördert werden müsse, ist zu erwidern, daß unter dieser Flagge vieles segelt, was gerade im nationalen Sinne schärfste Ablehnung verdient. Genaue Prüfung und Entscheidung in jeden Einzelfalle ist daher erforderlich.
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