--A Nr. 31. 2 e f «H u r u n. Seite 467. -aus den Händen der Münchener m Empfang nahm, d?n Juden zu. Was yon all' dieser antisemitischen Mache zu halten ist, lehrt ein Bericht des gewiß nicht philosemitischen „Reichsboten", in dem es n, a. heißt: „Die Angaben, die in einem antisemitischen Flugblatt über die Heranziehung jüdischer Geschäftsleute verbreitet wurden, sind übertrieben.' Auch die Angabe, daß die Darstellerin der Königin Luise im Festzug eine Jüdin war, ist antisemitische Erfindung. In diesen: Fcstzuge sollte der Turnverein „Vor¬ wärts^ der ziemlich viel jüdische Mtglieder enthält, mit einem Sportwagen die Schlußgruppe bilden- hinter der Fest¬ gruppe der Lützower. Unsere Antisemiten planten nun, sich bald zu Beginn des. Zuges in denselben einzudrängen und den „Vorwärts" abzuschneiden. Der Festäsisschuß bekam jedoch Wind davon und änderte im letzten Augenblick die Zugordnung dahin, daß der „Vorwäres" vor die Lützower kam, wodurch der antisemitische Anschlag vereitelt wurde. In den Kreisen auch der nicht gerade philosemitischen Bürger¬ schaft fand das Benehmen der Antisemiten, welche sich von Mitarbeit fern hielten und dann die ausopfe- hinterrücks zu stören suchten, ein- Auch der als gut konservativ bekannte Mrßl v. Scudcwitz soll seinem Unwillen darüber schärskn Ausdruck gegeben haben." „Fortschritte" der Konservativen. .Trotz dieser und ähnlicher Absagen an die Ahlwardtianer, macht sich in.konservativen Kreisen der „Fortschritt"- -in echt antisemitischem Sinne immer mchr geltend. So bringt die neue Auslage des „Konservativen Handbuchs" zum ersten Male offen die Aufforderung: „Kaust nicht bei Juden!" In einem neben Abschnitt des Artikels „Antljemitismus", der in der Ausgabe von 1892 noch fehlte, wird ausgeführt: „Die Deutschen sollten grundsätzlich keines der zahlreichen jüdischen Geschäfte in Nahrung setzen, von denen es notorisch sei, daß sie ihre Arbeiterinnen aus den Weg des Lasters ver¬ wiesen; wenn es in der Judenfrage eine „Schmach" gebe, so liege sie in der Thatsache, -dgß deutsche Frauen und Männer der' höchsten Kreise sich nicht scheuen, solche Geschäfte zu betreten. Man muffe aber auch denjenigen Juden gegen¬ über Zusammenhalten, die s i ch. i n i h re m b tt r g e rl ich en und .geschäftlicheu Leben nichts zn Schulden kommen lassen. Der christliche Deutsche sollte unbeirrt auch im. geschäMchen Leben in' erster Änie seines Gleichen unterstiitzen." * * * Die Gründung Böckels. Hierzu bietet-sich, wenigstens auf journalistischem Gebiete, den Konservativen jetzt die schönste Gelegenheit, da demnächst, vermutlich um einem längst gefühlten Bedürfnisse abzuhelsen, eine neue antisemitische Tageszeitung hier erstehen soll. Nach der „Post" soll die geplante Gründung mit der Entwicklung der Bewegung- im Lande und im Kreise.Zusammenhängen; man will Berlin zum' Ausgangspunkte eines netten Angriffs¬ planes wählen. .Und da außerdem Dr. Böckel seine Druckerei von Marburg hierher verlegen will, jo soll sie hier ein anti- semitisches Aktienunternehmen sein und außer der Herstellung der neuen Zeitung alle antisemitischen Drucksachen übernehmen. Die Tageszeitung ist gedacht als ein zweimal täglich erschei¬ nendes, billiges Blatt, das in der Hauptstadt sowohl wie in der Provinz die „Gesinnungsgenossen" sammeln und neue Anhänger werben soll. Mit den hier bestehenden Zeitungen „Freideutschland", dem „Bundschuh" und dem „Antisemitischen Generalanzeiger" denkt man ein Abkommen zu treffen, das diese Zeitungen in das neue Unternehmen ausgehen läßt. Der Gedanke fand am. 24. Abends in einer zahlreich besuchten Vorbesprechung durchweg Anklang. - Die wahren Motive für das- Verhalten des Herrn Böckel sind natürlich gänz Mdere. Für ihn handelt es sich lediglich darum- ein Geschäft zu machen. Mit dem Gedanken,. seine Druckerei nebst Reichsherold in ein Aktienunternehmen um¬ zuwandeln, trägt er sich seit längerer Zeit und hat große An¬ strengungen gemacht, um die hessischen Bauern für die „Grün¬ dung" zu gewinnen, Diese sind aber dem Führer nicht" auf. den Leim gegangen, und so dreht denn Herr Böckel Mar¬ burg. den Rücken und versucht sein Glück in der Reichshaupt¬ stadt. Einige gleichgesinnt* Herren haben sich, rasch gesunden: Ahlwardt, Bodeck und Böckel bilden das Gründer-Triumvirat, und so kann denn das Werk des ^praktischen Antisemitismus" mit vereinten Kräften fortgesüh'rt werden. * *■ Die Juden in Rumänien. All' diese Vorgänge sind jedoch nichtig im Vergleich mit den VersolmuMn, denen unsere Glaubensgenoffen in Rumä¬ nien ausg^etzbstnd. Eine kleine Broschüre des österreichischen Abgeordneten Dr. Bloch, „Akten zur Judensrage in Rumä¬ nien" betitelt, hat die Aufmerksamkeit weiter Kreise aus die Unglücklichen gelenkt. Es wird in- dem Schristchen an die Rede erinnert, die der Domünenminister Rumäniens, Peter Earp, am 16. Februar 1893 in der Teputiertenkaminer gehalten hat, als anläßlich der Debatte über das neue Schul¬ gesetz die Judensrage aufgeworfen wurde. „Was sollen wir mit den Juden machen?" fragte der Minister. „Was die Naturalisation betrifft, so naturalisieren Sie sie ja nicht; von der Politik haben Sie sie weggedrängt; der Jude wird gezwungen, in das Heer einzutreten, um so seine Blutsteucr zu entrichten, aber was das Avancement betrifft, so laffen Sie ihn nicht avancieren. Nichtsdeftoweuiger beklagen Sie sich, daß wir vom jüdischen Element nieder¬ gedrückt sind; Sie sagen, daß unsere Nation in Gefahr steht. Ich sage, die Nation wird in Gefahr sein, wenn Sie nicht so arbeiten wollen, wie die Juden. Hierin liegt die Lösung der Judenfrage. Seit Jahrzehnten haben wir nichts als Maßregeln gegen die Juden ergriffen, nichts gethan, als uns gegen sie verteidigt, ohne durch diesa. Maßnah,nen zu einem praktischen Resultat zu gelangen. Die Erfahrung des Ver¬ gangenen belehrt Sie in nichts. Sie haben sie (die Juden) in der Donau ertränkt; Sie hgben mit ihnen gemacht, was Sie nur wollten." — Und was war der Erfolg dieser Worte? Haben diese Peitschenhiebe etwas genützt? Nichts. Die Lage der Juden in Rumänien hat sich nur in einem verändert: — sie ist eine womöglich noch schlechtere geworden. Den Juden in Rumä¬ nien gegenüber ist einfach alles erlaubt, denn die allgemeinen Rechtsgrundsätze haben für sie zumeist einen beschränkenden Nachtrag. Durch den Berliner Vertrag hat. Rumänien seine Soüveränetüt erhalten; die hat es großmütig eingestrichen. -In demselben Vertrage ist aber auch von der Gleichstellung der verschiedenen Religionen die Rede; nach der Beziehung hin hat man den Vertrag großmütig — hintergangen. Den Religionen hat man alles gebührende Recht zuerkannt, nur |