Seite 530. Aefchurrrr,. Nr. 35. Solche Belehrungen von der Kanzel herab müßten einen heil- H samen Einfluß auf die Religiosität unserer Brüder üben, dem ' Niedergange derselben Halt gebieten, da in unseren Gebeten ein unermeßlicher philosophischer Schatz liegt. Der Redner, der den Versuch machen wollte, einen Ziklus solcher Vor¬ trüge zu halten, - würde sich große Verdienste um Israel / erwerben. , ; ‘ Dr. jur. I. W eile r. * Berlin, 21. August.s Die Bereinigung im Judenhaß. Aus dem antisemitischen'Parteitage in Hamm ist die Ver¬ schmelzung der antisemitischen Parteien unter dem Namen „deutsch-soziale.Volkspartei" beschlossen worden. Dr. König befürwortete diese Vereinigung und,, wirnmelte"sich bei dieser Gele¬ genheit die...Konservativen ab- indem er behauptete, daß die kon- servative Partei zwar den Antisemiten am nächsten stehe, daß aber diese trotzdem mit ihr nichtsgemeinsame Sache machen konn¬ ten, da sie nicht eine goupernementale Pgrtei' sein wollten. Interessant ist. ferner der Beschluß, .daß Ahlwarbt von der . 'neuen Partei nicht ganz abgeschüttelt, sondern als „Hospi¬ tant" geduldet werden soll. Dies wird man am Ende den Herren nicht verargen können, denn wenn sie jede an¬ rüchige Persönlichkeit aus der Fraktion ausschließen wollten, siez würden es, trotz der Vereinigung aller gesinnungsverwand¬ ten Gruppen, auf die. zur Bildung einer Fraktion erforder¬ liche Zahl 15 nimmer bringen. Hat man erst A (Ahlwardt) gesagt, wird man auch B (Böckel) sagen, das Alphabet bis zum Z (Zimmermann) durchbustabiereu und das Schmer¬ zenskind, der Partei, das unter dem Buchstaben -L figuriert, den,-trotz Böckel, Sigl et tutti qnanti sittenstrengen Herrn Hans Leuß besonders approbieren müssen, da das „Han. Volksbl." wiederum manches Interessante-über diesen Volks¬ vertreter mitteilt.' Im Verlauf des bekannten Streites Leuß- Schüutz, der wie bekannt wegen der Beziehungen von Leuß zu dem Hause des Dr. Schnutz „das Haus, das ist die . Fran^, sagen die alten Lehrer Israels entstanden war, hatte nämlich Leuß seinen früheren Freund bei derSlaatsanwalt- fdjdt.t -wegen Unterschlagung von mehreren hundert Mark de¬ nunziert. A'ach Angabe des genannten Blattes war aber diese Denunziation eine falsche, da Dr. Schnutz zwar Parteigelder verwandt hat, aber nur zur Begleichung von Ausgaben des hannoverschen antisemitischen .Parteitages.., Hingegen wird Leuß selbst eigenmächtige Verwendung von Partei¬ geldern für seine besonderen Zwecke vorgewarsen^ und zwar / soll er alle aus dem hannoverschen Parteitag vereinnahmten Gelder ohne Wissen und Erlaubnis der Partei für sich be¬ halten und für seine Wahlinteresten in Schmalkalden. ver¬ wandt haben. Angesichts solcher Enthüllung wird inan die vorsichtige Taktik der Bereinigtem von Hamm erklärlich und billig finden. \ Falsche Darstellung. * - Ebenso erklärlich ist die Taktik der, - dem Vertreter für Schmalkalden nahestehenden Presse,'welche die Aufmerksamkeit Ihrer Leser von dem unangenehmen Fall Leuß abzulenken sucht, indem sir fortgesetzt auf die Schlechtigkeit der — Juden hinweist. So sucht«: das pensionierte Leibblatt des Herrn Ahlwardt kürzlich zciTbeweisen, daß die Juden sich besonders schlecht gegen die Arbeiter benahmen, und brachte zu diesem Zwecke eine Menge Zahlen aus der amtlichen Kriminalstatistik, die dies beweisen sollten. Die Zahlen kommen in der Sta¬ tistik vor, aber in parteiischer Absicht hat das Blatt drei Arten von Vergehen zusammengestellt, die nicht zusammenge- - hören und daher ein gänzlich, irreführendes Resultat erhalten. Es führte auf: Zuwiderhandlungen a) gegen die Vorschriften über Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen- Ar¬ beitern, W) in Bezug auf Konzessionspflicht re. sowie gegen behördliche Anordnungen betreffs der Sicherheitsvorrichtungen bei gewerblichen Anlagen und c) andere Vergehen gegen die Gewerbeordnung. Aus diesen drei Rubriken rechnet das Blatt heraus 97 1 « pEt. Christen, 2* 8 pEt. Juden bestraft, 'nämlich 73.50 Chri¬ sten, 203 Juden. Diese Zahlen, bemerkt die „Vo.lks-Ztg.", gewinnen' aber sofort ein-anderes Licht , wenn wir die Tabelle Fol. 321 Jahrgang 1892 der amtlichen Statistik mit heranziehen, aus der die Bestrafungen nach dem Beruf der Angeklagten sichtbar sind. Da entfallen dann von obigen 7553 Strafen allein 4945 auf die Rubrik „Handel und Gewerbe"; und nun wird jeder sosott sehen, warum die Juden in diesem Fälle stärker beteiligt sind, als ihnen nach dem Prozentsatz der ganzen Bevölkerung zukäme. Der Beruf ist nämlich das Entscheidende; der Bauer, der nicht Geschäftsmann ist, kommt überhaupt nicht in die Lage, gegen die betreffenden Gesetzpgvagraphen zu ver¬ stoßen. Aber wenn die tendenziöse Statistik der Antisemiten einmal gelten soll, so fahren ihre eigenen Leute, die christ¬ lichen antisemitischen Sachsen, am schlechtesten. Auf sie kämen - wie schon einmal im Jeschurun nachgewiesen worden ist — nach dem Prozentsatz der Bevölkerung rund 470 Straf¬ fälle ; es sind aber, in Sachsen vorgekommen 1462, das ist dreimal mehr, als die Zahl der Bevölkerung bedingt. Die antisemitische Statistik muß mber aus ihren eigenen Zahlein folgern, daß die treuesten Anhänger des Antisemitismus, die. antisemitischen Sachsen, im Punkte - Arbeiterfreundlichkeit noch 50 Prozent schlechter sind, als die Juden. Wir wollen uns aber hüten, in den Fehler tendenziöser Statistik zu verfallen. . Von den neuen Zeitungen hat/eines das Licht der Oeffentlichkeit erblickt: die ,-Deutsche Tageszeitung". Am Kopfe nennt das neue Blatt sich „un¬ parteiisch", im Herzen aber ist eS echt antisemitisch. Vor uns liegt die hier in Berlin verteilte dritte Probenummer des Blattes. An erster Stelle ist ein Leiter mit der ver¬ heißungsvollen Ueberschrift „G l e i ch e s Recht für alle", zu lesen, in welchem gegen das „Großkapital" und den „Gro߬ betrieb" geweitert wird, um alsdann fortzufahren :,,Verkörw'rt sind diese Bestrebungen leider vielfach in dem jüdischen Teil unserer Staatsangehörigen. Fremde Eigenart, fremde Sitte, undeutsches Wesen und Denken habest diese uns. gebracht. Wir wollen ihnen denjenigen Schutz nicht versagen, den ein geordneter.Rechtsstaat.jedem zuteil werden lasten muß, der in ihm lebt. Wohl aber sind wir berechtigt und verpflichtet, uns aufzulehnen gegen die schon vielfach zur That gewordenen Versuche, unser.deutsches Volksleben durch diese Anschauungen und diese Art zu beeinflussen und zu zersetzen". — Man sieht, die alten, vielfach widerlegten und noch nie bewiesenen Behauptungen, wie man sie in der judenfeindlichen Presse Ain Globus. © |