— 186 — wir die folgende Beurteilung der mutmasslichen Einwirkung der Reform auf die Finanzen der Türkei, eine Beurteilung, die die gegen wältigen Zustände in ihrer ganzen Unnahbarkeit ohne Uebertreibung schildert. Die „Finanz-Chronik 4 * schreibt: „Die Mächte haben endlich dem türkischen Wunsche nachgegeben und eiae Erhöhung der Zölle von 8% des Wertes auf 11% zugestanden. Die Türkei hatte, als sie bei der Einführung der mazedonischen Reformen nachgeben musste, die Forderung gestellt, sie müsse dann die Zölle um 3 % erhöhen, um die ihr erwachsenden neuen Lasten in Mazedonien tragen zu können. Seit einem Jahre nun hatte die Türkei die grundsätzliche Zusage für diese Erhöhung; erst jetzt ist, wie drahtlich gemeldet, die Ermächtigung von allen Mächten, zuletzt auch von England, gegeben worden. Die türkische Regierung hat die Nachricht mit grosser Genugtuung auf¬ genommen. Mit echt orientalischem UeberschwaDge preisen die Blätter die Neuerung und erwarten ungeahnte Rieseneinnahmen daraus. Eitle Hoffnung! Die türkische Staatskasse wird von dem Mehr der Zölle von -3 % auch nicht um einen Metallik (5 Centimes) mehr erhalten als bei den bisherigen Zöllen. Ohne eine gründliche Zollreform wird niemals im ottomanischen Reiche der Zoll die sehr grossen Summen einbringen, die er bei vernünftiger und vor allem ehrlicher Verwaltung sicher brächte. Aber da fehlt's! Das türkische Zollwesen ist ganz genau so korrumpiert wie die gesamte Verwaltung, die des Militärs allein teilweise ausgenommen. Eine ordnungs¬ gemässe Verrechnung in Kons tantin opel fehlt; die Versuche etlicher aus der Fremde hergeholter europäischer Beamten, die Verrottung zu hindern, scheiterten an dem Widerstande der oberen Beamten, denen durch die gewünschten Reformen das Stehlen aus den öffentlichen Kassen erschwert worden wäre, und die Europäer gaben ihren unbequemen Versuch auf. Das Zollwesen gilt unter den übrigen Betrieben als eine der bequemsten Einnahmequellen, und die Inhaber der guten Posten machen sich stets in kurzer Zeit ein Vermögen, natürlich auf unehrliche Weise. Diese Stellen sind zumeist in der Hand von Albanern, Armeniern und islamitischer Spaniolen, die es meisterlich verstehen, ihr Amt zum Ausplündern der Staatskasse und zum Auspressen der fremden Kaufleute zu benutzen. Schier unglaublich sind die Plackereien, denen die kaufmännischen Reisenden und die angesessenen Kaufleute ausgesetzt sind. Zunächst muss der Kaufmann wie ein Polizist aufpassen, damit seihe Ware nicht verschleppt wird, denn die Ballen verschwinden gar leicht in der im Zollhause herrschenden Ver¬ wirrung. Dann gehts an's Abstempeln der Deklarationen. Da die wenigsten Reisenden des Türkischen mächtig sind, müssen sie das Geschäft einem Dol¬ metscher überlassen. Schon an der ersten Stelle zeigt sich Missstimmung des Beamten. Er hat keine Zeit, man solle nachmittags wiederkommen, er sei über¬ lastet mit Arbeit. In der Tat warten mehrere Leute. Seine Ueberlastung hört sofort auf, als ihm der Dolmetsch den entsprechenden Backschisch hingelegt hat, worauf die Unterzeichnung und Abstempelung gut erfolgt. Nun geht's auf die Suche nach der Ware. Wo mag die sein? Es geht von einem Schuppen zum anderen. In den Zollbuden liegen die Ballen über- und durcheinander. Einen Weg gibt es nicht, Abteilungen für bestimmte Güter sind nicht. Selbst die Gleise der Schmalbahn, auf der grössere Lasten herangefahren werden, sind oft versperrt. Endlich, nach stundenlangem Suchen, ist der gewünschte Koffer ent¬ deckt. Die Signatur wird festgestellt, und nachdem einer der Oberzöllner herbei¬ geholt ist — was auch wieder Zeit braucht —, wird der Kasten geöffnet. Der |