247 scharfes Auge hat, sieht dieses Treiben und er sagt sich: „Me schwach muß die ganze deutsche Republik sein, wenn selbst die vom Staate bezahlten Beamten gegen den Geist der Verfassung sprechen und handeln!" Er geht z. B. in Berlin in ein nationalistisches Kino; er sieht den faul-en Zauber und beobachtet, wie Beamte in Uniform den gröbsten Unfug mitmachen und in den Pausen - auf Juden schimpfen. Welche Meinung muß er vom neuen Deutschland be¬ kommen! Haben wir das Recht, den moralischen .Kredit Deutsch¬ lands 31t untergraben zu einer Zeit, da die Sympathien des Aus¬ landes für uns eine Lebensfrage bilden? Der Mittelstand ist gewiß ein berechtigter Stand, aber er darf nicht zum Rückstand werden. Der Mittelstand hat seine große soziale Bedeutung als Puffer Zwischen Kapitalismus lind Arbeiterschaft, der den Anprall von beiden Seiten abwehrt. Er darf daher nicht zu einem stumpfen Instrument der Klassen- und Rassenhetze herabsinken. Deutschland war stets auf seinen Beamten- stand stolz, der Beamte sollte nicht selbst sein Ansehen untergraben. D er Weg zur Versöhnung führt ü b e r Wahrheit und Gerechtigkeit, u n d w e r über sein Leid klagt, m u ß s i ch davor hüten, anderen ein Leid z u z u f ü g'e n. Ihr Deutschen, Zersplittert nicht öie Kräfte! M ah nw 0 rte einer jüdischen Frau. In Nr. 347 des „BaherischenKurier", des offiziellen Organs der Bayerischen Volkspartei, finden wir einen Aufsatz von Frau Elise Neumeyer -München, der in Bayern und darüber hinaus großes, berechtigtes Interesse erregt hat. Wir geben den größten Teil der bedeutsamen, nach Form und Inhalt packenden und ergreifenden Ausführungen wieder: „Ich spreche nicht in Verbitterung und nicht mit Anklagen, ich spreche als schlichte d e u t s ch e I ü d i n, die an der Heimat hängt mit allen Fasern ihres Herzens und die sich zum deutschen Volk bekennt in seinen stolzen Tagen und vielleicht noch mehr in den Tagen der Not. Ich spreche auch nicht als Bettlerin, die Anteil haben will an den kümmerlichen Resten an Gutem und Schönem, die den Deutschen an Lebensgenuß noch gegönnt sind, nein, ich komme mit dem Recht der deutschen Frau, ein offenes Wort zu reden, wenn sie glaubt, Deutschland vor Schaden behüten zu können. Wie schwer bedrängt sind wir von unseren Feinden. Der Krieg brennt nach schmachvollem Frieden noch lichterloh an den Grenzen des Reiches, und größer fast als in den Kriegs¬ jahren sind die Leiden, die wir zu erdulden haben. Es sterben die Menschen; langsam, langsam wühlt der Hunger in Kreisen, die nicht klagen, bei Menschen, die still dahinsterben und die nun in ihrer Umgebung eine reiche Bitterkeit hinterlassen, eine verbissene Wut. Ist es da ein Wunder, wenn da Gedanken ausleben, die im Fieber des Schwerverwundeten entstehen, isr es nicht selbstverständlich, daß man im Hinabgleiten in den Abgrund jeden Grashalm ergreift, von dem man Rettung er¬ hofft? Ihr deutschen Volksgenossen, laßt mich euch die Wahr¬ heit sagen! Nur ein Grashalm wäre die Vernichtung der Juden in Deutschland! Nur ein Grashalm, der euch nicht retten kann, sondern mit dem ihr genau so tief sinken würdet, wenn nicht andere Kräfte zu eurer Rettung bereit wären. Seid nicht verblendet, ich bitte euch darum! Ihr Deutschen, folgt mir ein wenig mit den Blicken, aber folgt nur mit gutem Willen, die Wahrheit und Wirklichkeit zu sehen! Und da finden wir Juden mit einer Vornehmheit der Gesinnung, mit einer Kraft edlen Geistes, mit einer stillen Bescheidenheit und vor allem mit einer heißen Liebe zum Vaterland, wie sie in den Tüchtigsten unter euch nicht schöner und stärker ausgebildet sein könnte. Ich wende mich an die¬ jenigen unter euch Deutschen, die gewillt sind, in ernster und pflichtvoller Arbeit zu wirken, für die Heimat, nicht an die Schreier -und Hetzer, die die niedrigsten Triebe unseres ge¬ quälten Volkes auswühlen; und nicht an die Mitläufer, die immer mit denen gehen, die am meisten zu schreien wissen. Die Geschichte und wahrlich auch die Ereignisse der letzten Jahre lehren uns, wieviel Gutes dabei zertreten wird. Ihr Deutschen, hört mich an: Zersplittert nicht die Kräfte,dieihr so n ö t i g h a b t, aufwärts zu wandern auf der schweren Bahn, die uns wieder zu Größe und Erfolg führen soll. Nehmt alles Gute aus uns deutschen Juden mit euch, nützt es aus bis zum äußersten auf dem Weg, den wir gemeinsam gehen müssen. Es ist wahrlich kein vermessener Wunsch, daß ihr sie Anteil nehmen lassen sollt an dem Leiden, das uns allen von unseren Feinden auferlegt wurde! Treibt nicht die Edlen unter uns Juden so weit, daß sie entweder sich den radikalen Elementen anschließen müssen, weil sie sich ver¬ stoßen fühlen, oder daß sie sich sehnen fortzukommen aus der geliebten Heimat, die doch für viele Jahrhunderte die Heimat war, die ihnen aber nichts mehr bieten will als Roheit und Verachtung! Wahrhaftig, wir Deutschen haben es bitter nötig, alle Kräfte zusammenzuhalten und die Kraft jedes 'einzelnen bis zum äußersten anzuspannen, um wieder in die Höhe zu kommen. Und wir werden gewiß wieder aufwärts steigen, wenn wir uns nicht gegenseitig zerstören in wütendem Partei¬ haß, in wildem, verzehrendem Aufreiben verschiedener Stammesgenossen, -die längst schon zusammengeschmiedet sind durch tausend große Kulturerrungenschaften,^ durch gemein¬ same Ideale, durch das Elend der Zeiten. Haut nicht selbst ein gesundes Glied ab dem todwunden Körper!" Ein 0mf an dk Larröwirtschaft. Die „Deutsche Wacht", das Nachrichtenblatt der Deutsch- nationalen Volkspartei für den Kreis Pyritz, bringt in einer der letzten Nummern den folgenden Ausruf: „Deutsche Landwirte! Von neuem hat eine ganz unerhörte Hetze gegen unsere Partei eingesetzt. Die ganze jüdische Sippe mit ihrem'ungeheuren Kapital steht hinter den Hetzern aus dein schwarz-rot-goldenen Lager. Der beste Beweis ist der, daß man >es ganz' besonders aus die völkischen Zeitungen und Organisationen abgesehen hat, die in schonungsloser Oefsentlichkeit dem Uebel auf den'Grund gegangen sind. Das internationale Judentum, gestützt durch eine völlig in jüdischer Anschauung befangene Negierung, kämpft mit allen, so¬ gar verfassungswidrigen Mitteln gegen uns. Wir müssen uns ebenfalls m i t all e n M i t t el n wehren. Zeigen nur, daß auch wir eine Macht sind. Besonders die deutsche Land¬ wirtschaft hat es in der Hand, dem Feind einen schweren Schlag beizubringen. Jeder Zentner Korn, der durch jüdische Hände geht, stärkt die Kraft unserer Feinde. Pommersche Landwirte! Verlaßt uns nicht in unserem schweren Kamps. Helft -uns, indem Ihr Euch r ü ck s i ch t s l 0 sv 0 mI u den losmacht. Die Antwort «der pommerschen Landwirtschaft auf die Worte des Reichskanzlers, „Der Feind steht rechts", muß lauten: Los vom Iud en ! Der Handel mit den Inden ist Verrat an unserer Sache." Ostpreußen. Von Dr. K u r t R 0 s e n h a i n (Königsberg i. Pr.). Ostpreußen, das von je als Tummelplatz reaktionärer politi¬ scher Strömungen verschrien war, ist ein ganz besonders guter Nährboden für die fanatische Judenhetze gewesen. Voller Sorge sahen alle aufmerksamen Beobachter im letzten Winter hier in unserer engeren Heimat irr weiten Schichten der Bevölkerung eine Stimmung rösten, die, aufs äußerste gespannt, zu einer gewalt¬ samen Entladung geradezu führen mußte. Die gefährdete nationale Lage der Provinz, die zu einer deutschen Kolonie geworden ist, gab den nationalistischen Kreisen den schönsten Vorwand für ihre Ziele. Wohl nirgendwo wie hier bei uns ist so viel Unfug mit dem Begriff „national" getrieben worden. Rational und völkisch wurde i d e n t i f 'i z i e x t. Das Band zwischen Deutschnatwnaler Volkspartei und allen völkischen Verbänden war ganz eng und wenn die erstere auch meistens das ' Geschäft des unsauberen Rädauantisemitis- mus den Bünden überließ, so freute sie sich nicht nur im stillen der Vorspanndienste, die diese ihr leisteten. Tie Methoden des Kampfes gegen Juden und Judentum waren so verwerflich und gemein, so wüst und rücksichtslos und bei dem oft nicht gerade hohen geistigen Niveau ostpreußischer Landbevölkerung dennoch s o g e s ä h r l i ch w i e n u x irgendwo. Männer aus dem Reich versicherten, wenn sie in die Dinge hier Einblick nähmen, oft mit Schrecken, daß sie einen derartigen kulturellen Tiefstand von Versamnilungsreden- und HetzflugLlätteru, Provinzpreßartikeln usw. gar nicht für möglich gehalten hätten. Wer erlebt hat, wie der ehemalige Rittmeister und angebliche Enkel Bis¬ marcks, Jürgen v. Ramin, in Gumbinnen in einer großen Volks¬ versammlung in bezug aus die Juden erklären -tonnte: „Der deutschen Eiche ist es' egal, wenn sich -die San an ihr -schnöbe rt." Wer Ver¬ sammlungen wie in SLalluPönen oder Marienwerder gesehen hat, wo Tausende sanatisierter Menscher: in eine P 0 gr 0 tu st i m m-u n g hineingehetzt wurden, mußte sich mit Bedauern sagen, daß diese Volks- Verführer unsere Provinz, die mehr als alle anderen dringender Ruhe bedarf, nn Ansehen des -übrigen Deutschlands tief schädigen. Und er mußte sich ferner mit Bedauern fragen, wie es möglich war, daß unsere regierenden Stellen mit einer beispiellosen Langmut und vielleicht auch Gleichgültigkeit einem Kesseltreiben, das zu Explosionen führen mußte, gegenüberstanden. Ein ganz besonders trauriges Kapitel war — kann" man mit Recht sagen „war"? — d i e Haltung amt¬ licher und halbamtlicher K r e i s b l ä t t e r u n d Provinz¬ zeitungen. Es ist wie ein Hohn, wenn man in Ostpreußen in Versammlungen die Phrase von der verjudeten Presse hörte. Keine einzige unserer Lokalzeitungen w e i st jüdische V e r - "leger oder Redakteure auf. Die gesamte amtliche Presse in der Provinz war regierungsfeindlich und, was damit Hand in Hand geht, judenfeindlich, mehr oder weniger versteckt. Man wird, wenn jetzt in Ostpreußen endlich einigen Hetzblättern wenigstens für einige W 0 ch e n d e r Mund gestopft w 0 r -- |