Ultimi Serttn, 17. Vezember 1925 V. Jahrgang ❖ Nr. 51 Einzelnummer 10 GolSpfennig JSem VMler sürDrulsckiluM^ unvIlwerMim 'oryanves Lntna-Mcedrs -rutscl»er SKonataabonncment 40 Doldpsennig Allgemeine Zeiiunö des Gudeniums zuzüglich Bestellgeld .. ^ . «erlag u. LchrMleitung: Berlin SW 68, Llnbenstr. IS. . Fernsprecher: Amt DSnhofs 8594, SS95.Postscheckkonto: Berlin.804 72.Bankkonto: Dresdner Bank, Wechsel» stu.be G, Berlin Sw 68, Linoenstr. 7, und von Goldschmrdt-Rothschild L Lo., Berlin W 8. Alleinige Anzeigenannahme: Annoncen-Expedition Rudolf Moste, Berlin SW 19, und deren Filialen. Anzeigenpreise: 0,90M« di« lgespaltene Zelle nach Rudols Moste, Rormalzeilenmester Nr.4, Familienanzeigen und Stellengesuche (nicht Stellenangebote) jiir Mitglieder d. Lentralvereins 0,45 JIM, Sie 90 mm breit« Rekiamezeile 4.80 JUL Die Kmft, Zriedm zu schließen. Bon Sr. G. v. Uankenberg, M. b. £. Wmunschweig). Vorbemerkung. Wir haben in einer der letzten Nummern der „C. V. - Zeitung" Franz O p p e n h e i rn e r s Aufsatz „Vom Grupp eng erst" veröffentlicht, zu dem hier noch Stellung ge¬ nommen werden wird. Dieser Aufsatz beschäftigte sich mit dem Problem, wie die unvermeidlichen Gegensätze weltanschaulicher Art innerhalb des deutschen Judentums sachlich und würdi-g behandelt werden müssen. Nicht minder wichtig sind in diesem Zusammenhänge auch die allgemeinen deutschen innenpolitischen Auseinandersetzungen. Der Zweck -des folgenden Aufsatzes aus der Feder des Brannschweiger Landtagsabgeordneten Dr. G. v. Frankenberg ist, auch dem deutschen politischen Kampfe eine würdige und dem Vaterlande nützliche Plattform zu schassen. Jedes Jahrhundert hat seine große Idee, sein Leitmotiv, das anfangs wie von ferne ertönt, nur wenigen vernehmbar, dann immer kühner und voller, um zuletzt gleich einer Schlachtfansare alle Herzen mitzureißen. Warum vernehmen heute erst so wenige das Leitmotiv unseres Jahrhunderts? Sind die Menschen betäubt vom großen Geschehen? Oder fehlt es an überragenden Ge¬ danken? Wahrlich nicht! Aber ein Hemmnis ist da. Ein seltsames — ich möchte sagen: ein propagandistisches Hemmnis. Ist es nicht auffallend, daß die großen Ideen des Jahr¬ hunderts, die ja im Grunde nur eine sind, fast durchweg in negativer Fassung ausgesprochen werden? Ob wir von Krieg und Frieden, von den sozialen Verhältnissen, von der Staatssorm, von Mängeln der Rechtspflege oder der Wirtschaft reden, immer steht die Kritik, das Ver¬ neinen im Vordergrund. Es ist, als hätte unsere Generation verlernt, an das Positive zu denken, oder als sei sie verurteilt, durch Wegränmung all des Ungesunden und Ueberlebten Platz zu schaffen für die Aufbauarbeit kommender Geschlechter. Gewiß sind bei all dem positive Ziele vor¬ handen — aber sie liegen meist tief im Unterbewußtsein. Man frage doch einen der Menschen, die sich um die Aenderung der bestehenden Zustände bemühen, was er an ihre Stelle gesetzt zu sehen wünscht! Die meisten wird die Frage in einige Ver¬ legenheit sehen. Oder sie werden gar nicht merken, daß ihre Antwort nur immer wieder aufzählt, was a b g e s ch a s s t werden soll. Der einzelne ist für diese Erscheinung nicht ver¬ antwortlich. Und auch unser Volk ist keineswegs allein in diese seltsame Anbetung des Negativen verstrickt. In allen Kulturländern scheint die Entwicklung auf einem ähnlichen Punkte zu stehen. Ueberall ist man sich darüber einig — oder vielmehr uneinig —, was abgeschafft, verboten, ausgetilgt werden soll. Wo aber beschäftigt sich einer mit dem Neuen und Besseren, das erstehen muß? Zum guten Teil liegt der Grund in mangelhafter Schu¬ lung des Denkens. Der Mensch, das denkende Tier, hat sich so. weit von seinen Mitgeschöpsen entfernt, daß er, in Städten lebend und umgeben von technischen Wundern, seine natür¬ lichen Instinkte, die ihn früher, führten, eingebüßt hat.. Er ist aber doch wiederum ans dem steilen Pfade der Erkenntnis noch nicht so weit vorgedrungen, daß er den rechten Weg ohne diese Hilfe zu finden vermöchte. So irrt er denn an der Grenze zweier Welten umher, noch unfähig, ans eigener Kraft zu erkennen, was gut und was böse. Unsere lebensfremde Einstellung zeigt sich vielleicht anr besten» in der Art, wie wir streiten und wie wir „Frieden schließen". Wir schließen ja eigentlich nie Frieden, sondern tun uns etwas darauf zugute, daß die diplomatische Arbeit „eine Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln" sei. Welche ärmliche, kleinlich-hinterhältige Anschauung! Man begreift/ daß ein Frieden dieser Sorte nicht viel mehr wert ist als Krieg. Das Positive fehlt! Weise versöhnen sich nicht aus Furcht, sondern ans Liebe. Diese Großzügigkeit der Gesinnung, dieser Drang nach vor¬ wärts ist es, was uns gegenwärtig fehlt. Ich habe während des Krieges öffentlich bedauert, daß nicht Deutschland, das alte Land der geistigen Führer, es hat sein können, von dem der Gedanke des Völkerbundes siegreich ausstrahlte. Und daß die Völker Europas jetzt beginnen, d i e Außenpolitik zu treiben, die sie vor dem Kriege hätten treiben sollen, geschieht auch nicht ans Idealismus, sondern ans wirtschaftlichen Gründen. Aber das wäre noch zu ertragen. Es ist immer¬ hin schon ein Fortschritt, wenn in der Außenpolitik nun über¬ haupt Ideen, wiewohl zunächst nüchternster Art, wirksam werden. Wahrer Frieden freilich wird unter den europäischen Nationen erst zustande kommen, wenn die Daseinsnotwendig¬ keit eines neuen Reiches Europa erkannt wird. Aber sollte es nicht an der Zeit sein, nun auch inner¬ halb unseres Reiches, den eigenen Volksgenossen gegenüber, nach größeren Gesichtspunkten zu handeln? Es gibt ein chinesisches Sprichwort: „M a ch e dir deinen Feind zum Freunde, und du wirst zehnmal stärker sein!" Wir Deutschen haben ein ähnliches, das ist freilich etwas dunkel gefaßt, ja, ein echtes Oxymoron: „Der Klügere gibt nach!" Das soll doch natürlich nicht heißen, daß er dem Dümmeren gehorcht. Wohl aber, daß er zuerst die Unsinnigkeit des Streites erkennt. Man kann Meinungsverschieden¬ heiten vernünftigerweise nicht dadurch schlichten, daß man fcgmi ItlÜnK* Der Friedenspreis. — Ober- «illW . VCIII jjUlJUl!. lrhrer Spatz (Rexingcn): „Volksschullehrer und Beamte". — Kommt ein Schacht- Verbot in Bayern?" — Johannes Müller: „Was ist eine Ratio»...?" — Professor Dr. Paul Hildebrandt: Das Testament des Primaners. — Dr. Graf Montgelas: „Des »Hammers" Streitfrage". — Fritz Engel: „Sturm- lanf gegen Jetzner". — C. B. »nd Achdnth. — I. E l b o g e n: „Znm siebzigsten Geburtstag von Louis Marshall". — Ernst Lissaner: „Stefan Zweigs neues Rovellcnbuch". — Dr. Josef Lehmann: „Lesser Ury". — Georg Hermanytz „Vom deutsche» Juden und seinen Gegnern." (Till), |