Serlin, 7. Januar 1927 VL Jahrgang ♦ Jlc. 1 MtzriEMrsArrLonUeiNerrt 1,20 MM. Einzelnummer 10 Bfennig. k«rIag-i.Schriktleitun,: V-r»n SW 63, S!n»«nnt.'lTXWrp«*ei: AmtD-nhott S5M 8SK :. V°!!s^M>Yts: StcHit SM72. .-. Santlonto: St«6necD-nk.©«$!«*■ 8 strrbe 0, Berlin 8rv 6Z, Lindenstr. 7, und von GoldschmLj.RottzsÄ'MS «L Co., Berlin W 3. . «NelnkaeBnzcigenannahme: Annoncen.Lxxedition Rudolf Mosse, Berlin SW 19, und deren FilisLn. «RMlffHcpMife: 0^) Jf* fütl Rorma^eirenrnesser Nr. 4, bamilienanzeigen und Srellengesuchr (nicht Stellenangebots) für MUglreL^d^-Lerrtrotwrreurs «,4a JUi, bte 90 m m Steile Reklamszerlr 4Jd JIM. ■BBgpsfflss^ ' j Ka gsaraffl g iiBa ^ Ein Mynwori ön die Zugend / Von Dr. E. v. AM, pWMr nn der Amverßiüt Gießen. Der preußische Kultusminister, Herr Dr. Becker, ver- ösfenllichte im „Berliner Tageblatt" (Morgenausgabe vom 85. Dezember) einen Weihnachtsgruft an die deutsche Jugend. Besser gesagt an die akademische Jugend, die wir Akademiker noch immer angesichts der längst erwachten Arbeiterjugend viel zu leicht und sehr mit Unrecht der Jugend schlechthin gleichzusetzen geneigt sind.' Er knüpft seine be¬ herzigenswerten Gruß- und Mahnworte an die Bedeutung des Weihnachtssestes als des GeLurtsfestes des Christentums, mit dem zuerst ein neues M e n s ch h e i t s b e w u ß t s e i n auf¬ kam, jenes Menschheitsbewußtsein, das über den Gegensatz der Völker und der Klagen, der „Juden" und „Griechen", der „Griechen" und „Barbaren", der Römer und Nichtrömer, der Freien und Sklaven hinweg die Menschen in einer Sphäre geistigen Lebens als Brüder "einte. Gewiß hat nicht das Christentum allein diesen Gedanken und dies neue Mensch- heitsgesrchl geschaffen, die Philosophen des Hellenismus waren gleichfalls seine Verkünder, und an dieser Stelle darf ich be¬ sonders betonen, wie es im späteren Judentum sich ans Licht arbeitet. Der hellenistische Jude Philo prägt den schönen Satz von der Toleranz als der Ehrfurcht vor jeder, auch der von Jrrtümern durchzogenen Form des Eottesglaubens, die der Name Gottes von uns fordert. Aber richtig ist es, daß in jener Zeit dieser neue Menschheitsglaube und der Gedanke der geistig geeinten Menschheit geboren wird — für uns ein leben¬ diges Zeichen dessen, daß die Menschheitsgeschichte keine ein¬ tönige Wiederkehr des Gleichen ist, sondern schöpferische Entwicklung, Weg zu Neuem und nicht vorher Gewesenem. Pionier dieses Neuen aber muß die Jugend sein. Ist das Alter der gegebene Träger der Tradition, so muß die Jugend zuerst den Tauwind spüren, der von der Zukunft her in die erstarrten Formen der Vergangenheit hineinwcht. Daraus beruht ihr unverlierbares "Recht zur Opposition. Darum ist es aber auch die heilige Pflicht der Jugend, sich Herz und Sinne offenzuhalten für das Kommende und nicht in eigensinniger Verdrosienheit sich an vergangene Ideale zn klammern. Tut sie das, mißversteht sie Recht und Sinn ihrer jugendlichen Opposition in solcher Richtung, so trifft sie das strenge Wort des Stifters der christlichen Religion, das Wort von den Toten, die ihre Toten begraben sollen. Becker weist darauf hin, wie heute wieder ein neuer Mensch- heitsglaube durch die Welt gehr. als dringendstes, leidenschaft¬ lichstes Sehnen der Voller. Auch er mich mit belebendem Hauch in die Herzen der Jugend bringen und in ihr seine Pioniere finden. Er ist, wie Beckers Weihnachtsgruß mit Recht betont, auch keine bloße Wiederkehr des Vergangenen; keine lateinische EefamtrulLur des Abendlandes, wie sie damals dem Christen¬ tum entwuchs, steht heute in Frage. Gegen sie erhob sich auch einstmals, in der Renaissance, ein neuer jugendlicher G^rst^ver^ Kampf für die freie Entfaltung der Persönlichkeit, indfdiLueRK^ Eigenmt, crucfj! Jfür das Persönliche der Doller und den Aus¬ druck Wes ergNnsten Lebens, ihre nationale Sprache. Das damals Errungenre ist unverlierbar. Auf der Grundlage freier Entwicklung bm ^persönlichen und nationalen Eigenart soll der Zusamrwnschlmß Der Völker erfolgen, der uns von dem Fluch des zn Haß mrD Vernichtungskrieg gesteigerten Gegensatzes er¬ lösen pll. JdEn klingen hier an, die uns Deutschen aus 5en AnfänWn bar Romantik, aus der Gedankenwelt unserer Klassier wohl sind: Wir denken an Herders Idee einer axoßen Weltsymphonie, zu der die Stimmen der ein¬ zelnen Völkmr harmonisch zusammenklingen; aber auch der bekmme AusMmrch unseres größten Historikers, daß jede Epoche, jede KMw, mmrDürfen hinzusetzen jede Nation, gleich unmittel¬ bar zu Gott seii.. Meist in die gleiche Richtung. Urchre JrrMüd, schreibt Decker, will vor allem national sein, mt> sie tntt recht daran, ihr Gefühl ist richtig. Aber eben dieses NationMgefühl, wie es heute noch in weiten Kreisen herrsch!,, muU. mm den hohen Aufgaben der Eegemvart zu dienen, eine ärmere Wandlung erfahren. Das Wort, das der Sehnsucht nach Einheit Ausdruck geben soll, ist heute zum KampWfchrei, Mm Kampfmittel, zum Ausdruck des Hasses ge¬ worden Wir Müssen ein Nationalbewusstsein ausbilden, das die WMng untd Anerkennung fremder Nationalität und vor allem ZiojenigL jeder kulturellen und Persönlichen Eigenart innerhM der eigenen Nation nicht nur ermöglicht, sondern unbedingt fordeM. Echtes Selbstbewußtsein, lehrt Fichte im Anschbch; an Mm n t, ruht aus dem Bewußtsein der Freiheit, FreilM aber beweist sich erst, Freiheit entsteht erst in der frei¬ willige Aner.§Lnmmg fremden Rechtes. Wer Sklaven und Entrechte mm Mch sehen will, ist selbst ein Sklave seines Macht¬ streben nur Mer selbst haltmachen will vor der Freiheit?- fpharo ÄvL anbpztx, ist frei. Und was für das Selbstbewußtsein des eirrMren giUt, gilt genau so für das nationale Selbstbewußt- fein, tmn die^ Nationale Bewußtsein ist nichts anderes als das SelbstbrwußtseiMldcs einzelnen, bezogen auf ihn als Glied einer Nation. Ist b.mä) die „Ration" ihrerseits kein wirkliches, meta- physischMysiischmZ Wesen außerhalb des Individuums, sondern sie ist Ne SiumnwDer Individuen, die durch Gemeinsamkeit des S ch i-Ls?al s rrM der Sprache verbunden sich als zusammen gehöchz srnpsmÄen. Leid und Lust miteinander zu teilen t: • !* schlossen sind. Weder die Nation in diesem Sinn noch die Aus fern Ma«: - Polizeipräsident Dr. Menzel (Magdeburg): Schwenkung des SLalMßMrs. — Menjahrskundgebnngerr. — Ludwig Hol« län d4 r: Vmm ^schnoddrigen Berliner". — Nechtsschutz- arbcit rws C. W.— Mehr VrüdcrLichkcLtr —- Jnstizrot Max Cv h o dtzies rr Die JastresbLlanz. — Dr. Ernst 3 i tu o « (FranMM <*,. ML.,) mrd Dr. Felix G o l d m a n n (Leipzig): PyDlo-MLsäT^ Llstjndcnsrage und Keren Hajessod. — kS^Lhnr U: Rainer Maria Rilke. " t |