Serlin, IS. Oktober 1-2- VIII. Jahrgang * Ae. 42 Einzelnummer 20 Pfennig Fmhttt Im in _ Witter für-altsrtitmnM MrSiluventum Viertel! all rSabonnement. 2.8« RM. (zuzitgl. Bestellgeld). 'pryan des ^alnü-Vl Gümtzvürver itwiKdenSlauvrAS'?« Verlag und SHriftleitung: Berlin SW 68, Lindenstr. 13. Amt Dönhoff 8594, 3595. Postscheckkonto: Berlin 304 72. Bankkonto: Dresdner Bank, Wechsel* stube G, Berlin SW 68, Lindenstraße 7, und von Goldschmidt - Rothschild & Co., Berlin W 8. Alleinige Anzeigenannahme: Annoncen-Expedition Rudolf Masse, Berlin SW 100, und deren Filialen. Anzeigenpreise: 0,90 JiJi für die 7gespaltene Zeile nach Rudolf Moffe« Normalzeilenmesser Nr. 4, Familienanzeigen und Stellengesuche (nicht Stellenangebote) für Mitglieder des Centralvereins 0,45 0Ui r die 62 mim breite Reklamezeile 3,50 &A t» fluf Zur Lanütagswahl in Sa-enl o n unserem de - Sonderberichterstatter: Seire 565. ferner: wie sie Stresemann schmähen ...: Seite 562. - Die Zeit unserer 8reuöe. Detrachtung zum Laubhütten- sesi. von Dr. Karl Rosenthal (Derlin): Seite 563. — Die selben". Ruch unsere Haltung im Derussleben beöars -er Selbstkritik. Von Zahnarzt Dr. me-. Fritz Salomon: Seite 566. - Das Morgen^-He-enkhest für Julius Gol-ftein. von Rabbiner Dr. 0. Salzberger (Frankfurt a. M.) : Seite 567 u. a. m. Der Staat wehrt sich. Von Dr. Alfred Hirschberg. Der Sturm, der plötzlich durch Deutschland weht, überrascht viele, sogar politische Men¬ schen, die nie glauben wollten, wenn wir ihnen sagten, daß in Deutschland allenthalben Wind gesät werde. Die Negierung, deren prominen¬ tester Vertreter im Reiche die stärksten Gruppen der jetzt marschierenden Front gegen den Doung-Plan als „politische Kinder" abgetan hatte, besinnt sich auf ihre Macht und zeigt, daß auch die demokratische Republik über R u t e n verfügt. Der Stahlhelm im Rhein¬ land ist verboten worden, und der preußische Innenminister erklärte dieser Tage in Halle, als man ihn wegen der Aushebung dieses Ver¬ botes befragte: „Der Staat wird es sich nicht gefallen lassen, daß Verleumder unter politischer Maske Staatseinrichtungen herunterreißen und die den Staat führenden Personen mit Schmutz bewerfen." Der badische Innenminister warnt die nationalsozialistischen Agitatoren vor einem Uebermaß politischer Verleumdung, und der R e i ch s i n n e n m i n i st e r beginnt eine große politische Rede vor der Vereinigung republikanischer Presse mit den Worten: „Der politische Kampf hat in diesem Jahre schon Formen angenommen, die nur vergleichbar sind mit dem schlimmen Jahre 1923." Die Reichs¬ regierung läßt ausklärende Reden auf alle deut¬ schen Sender übertragen, um der Flut gemeiner Verleumdungen einer Presse, die für Er¬ widerungen unzugänglich ist, einen Damm ent¬ gegenzusetzen. Die betroffenen Kreise wehren sich und protestieren gegen diese Anwendung der Staats¬ gewalt. Zwar ist Autorität in ihrem Pro¬ gramm dreifach unterstrichen, und sogar Dik¬ tator ist ein Begriff, mit dem sie gern auf ihre Führerqualitäten anspielen. Aber sie lieben nur eine Diktatur, in der sie selbst diktieren dürfen, und nur die Freiheit, die sie meinen Auch die Nüchternsten unserer Freunde, die mit der Antwort „i ch merke nicht s" bereit waren, wenn wir auf die nahen und verhäng¬ nisvollen Folgen rechtsradikaler Verhetzung hin¬ wiesen, werden wohl langsam den Sturmwind Pfeifen hören. Es ist dieselbe Melodie, die wir, hier und anderswo, oft und unermüdlich fest¬ gestellt haben. Heute ist der Chor der Stim¬ men, die sie tragen, größer und der Text ein anderer. An uns hat man erprobt, wie weit Verleumdung gehen kann. An uns. hat man geübt, bis zu welcher Siedehitze Massen gerade noch gebracht werden können, ohne zu explodieren. An uns hat man die Kritiklosigkeit der Anhängerschaft erkannt. Und in großem Maßstabe verwirklicht man, was bisher im wesentlichen Experiment gewesen. Wer erinnert sich nicht der jeder Vernunft und Erfahrung spottenden Behauptungen in den sogenannten „Protokollen der Weisen von Zion", an die Stelle, die schildert, daß die Unter¬ grundbahnstollen in den Großstädten von den Juden mit der heimtückischen Absicht geballt worden seien, um ganze Städte auf ein ver¬ abredetes Zeichen irr die Lust sprengen zu können? Das ist geglaubt worden« Und heute wird geglaubt, wenn ein Handelsschulrektor in einer Broschüre als Zitat — einmal ist das „Berliner Tageblatt", dann die „Vossische Zeitung", schließlich der „Vorwärts" als Quelle angegeben — wiedergibt: „Die Reparations¬ bank verlangt, daß jährlich Mllsterungen in Deutschland veranstaltet werden. Zu diesen Musterungen werden - deutsche Jünglinge und Mädchen geladen, um aus Exportfähigkeit unter¬ sucht lind bei entsprechendem Gesundheitszustand als erportpflichtig erklärt zu werden." Die nationalsozialistische Presse und ihre Re¬ ferenten wiederholen diese Lüge, vergröbern sie. Bald steht „Sklavenmarkt", in fetten Zeilen über den Artikeln, auf den Plakaten Das wird geglaubt. Man hatte das Experiment gegenüber den Juden mit Erfolg durchgeführt. Nun soll es die Probe bestehen. Jetzt wehren sich auch rechtsstehende Blätter gegen diese Form politischer Verhetzung und verlangen staatliche Maßnahmen und erklären, daß Grup¬ pen, die diese Fälschungen gebrauchen, nicht al8 politisch reine Gegner angesehen werden könnten. Als die „Weisen von Zion", die Bibel der Nathenau-Mörder, Schlösser und Hütten ver¬ pestete, hat man nur wenige Proteste von dieser Seite gehört. Wir empfinden keine freudige Genug¬ tuung, daß unsere Warnungen und Voraus- fagunQett eingetroffen sind. Um vieles lieber waren wir in unserem befriedeten Vaterlande ' einer deutschen friedvolleren Zukunft entgegen- 'gegangen. Aber Genugtuung empfinden wir, da dem nicht so ist, darüber, daß unsere Mah¬ nungen nicht zu spät gehört wurden und daß, wie bisher, wir, die wir in gewiß nicht starker Minderheit mit unzerstörbarem Optimismus und einer Arbeitssreudigkeit, die an Fehl¬ schlägen sich stählte, wirkten, weiter an der Verlemnderbekämpsnng, die jedem deutschen ..Ausbau vorangehen muß, Mitarbeiten. Der leitende Gedanke unserer Tätigkeit: in der eigenen Sache die allgemeine zu f ü h r e n , ist Wirklichkeit geworden. |