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Im deutschen Reich .
Wesentlichen Jrrtume , als sei die Einräumung der bürgerlichen Rechte
an die Juden als Ausfluß liberaler Ideen plötzlich wie ein Gestirn
am Himmel erschienen , dessen Licht überall hineingeleuchtet hätte .
Daß dem nicht so ist , beweisen alle diejenigen Veröffentlichungen ,
welche die historische Grundlage der Emanzipations - Bestrebungen akten¬
mäßig darstellen .
Einen solchen wertvollen Beitrag bietet die angezeigte Schrift
des Bamberger Rabbmers , welche eine Geschichte der Emanzipations -
bestrebungen zwar nicht geben will , aber doch durch Veröffentlichung
bisher unbekannter Quellen dem künftigen Geschichtsschreiber die
Wege ebnet . Das Buch ist für jeden , der sich über die psycho¬
logische Seite auch des heutigen Antisemitismus unterrichten will ,
von außerordentlichem Werte . Aus den veröffentlichten Akten , die im
wesentlichen Petitionen von jüdischen Gemeinden und Notabeln ent¬
halten , erhellt zunächst , daß der Gedanke der Emanzipation der Juden
selbst bei den sogenannten Libellen in Bayern schwer Fuß faßte , und
daß namentlich Gründe wirtschaftlicher Art schon vor beinahe hundert
Jahren die Umsetzung der Idee der Freiheit und des Menschenrechtes
in die Wirklichkeit erschwerten . Wenn trotzdem die Juden in Bayern
ihre Emanzipation wenigstens teilweise bis zur Gründung des deutschen
Reiches erreichten , so ist dieser Umstand im wesentlichen darauf zu -
rückzuführen , daß sie immer und immer wieder mit ihrem Rufe nach
Recht an die Ohren der Machthaber zu gelangen wußten . Diese
Ruse — das mag namentlich für die heutige Zeit von Wert sein —
waren nicht etwa in einer flehentlichen und bittenden Sprache ver¬
saßt , die nur von der Gnade und der Barmherzigkeit der Gewalt¬
haber ein Zugeständnis zu erreichen gedachte , sondern schon aus den
frühesten Dokumenten spricht das Bewußtsein des Rechtsanspruches
und der stets geschehenen treuen Pflichterfüllung . Der Mut , den
man heute vielfach bei jüdischen Organisationen vermißt und der nur
mit gewiffen Schwierigkeiten wieder zu erwecken versucht wird , ist
den Eingaben der jüdischen Gemeinden anfangs und mitte des
vorigen Jahrhunderts in solcher Weise eigen , daß schon allein dieser
Umstand die Lektüre des Buches verlohnen würdet ) Man hat auch ,
* ) Es \ } t überhaupt eine völkerpsychologisch interessante Tatsache ,
daß man vielfach bei einzelnen Individuen im persönlichen Verkehre ein
ausgeprägtes Selbstbewußtsein trifft , das sofort versagt , wenn die be¬
treffenden Einzelnen als Gesamtheit handeln . Während man heute den
einzelnen Juden — ob mit Recht oder Unrecht , bleibe hier dahingestellt —
eine gewisse Kühnheit im Verkehre nachsagt , wiro man dies über jüdische
Korporationen oder Gemeinden gewiß noch nicht gehört haben . Es sei