252 wvrtung -gezogen werden. Die Immunität ging so weit, daß selbst die Inquisition m Men von offenkundiger Apostasie keine Gewalt hatte. Der unendLichen Mißbräuche wegen fand indeß die großherzoglkche Regierung nachmals sich veranlaßt, jene Bewilligung in so weit einzuschranken, daß begangene Verbre¬ chen ganz ausgeschlossen wurden und von den Schulden solche, die wahrend der jüngstvergangenen drei Monate gemacht wor¬ den waren — eine Restriktion, gegen welche die Israeliten im¬ mer, aber vergebens, Einspruch thaten, und die um so not¬ wendiger war, als alle Schurken benachbarter Staaten von dem durch die Li vorn in« (wie das Privilegium hieß ge¬ währten Schutz Vorrheil zogen. Es konnte auch wohl nicht in der Absicht der Regierung liegen, aus bloßer Rücksicht für die Vermehrung der Bevölkerung dem Kredit des Lworneser Handels zu schaden, indem sie die Stadt fortwährend zu einem Asyl des Abschaums anderer Länder machte. Es war den Ju¬ den gestattet, gleich, den Christen , jeder Gattung des Handels und Verkehrs sich zu widmen, und sowohl innerhalb der Gren¬ zen des Großherzogthums wie auswärts wurde ihnen gleicher Schutz wie den Landeskindern zugcsagt. Ihre Hrndlungsbücher, sofern sie die von den Gesetzen verordnte Form hatten, galten vor dem Gericht eben so wie die der Christen, und ihr Zeug- niß wurde in gleicher Weise angenommen. Bon der Ver¬ pflichtung, das Abzeichen zu tragen, waren sie befreit, ebenfalls von den besondere Abgaben, die auf ihren Glaubensgenossen in Florenz und Siena lasteten und von allen Quälereien des Fis¬ kus. Sie konnten den Doktorgrad in der Arznei- und Wund¬ arzneikunst erlangen, und sowohl unter den Ihrigen als unter Christen die Heilkunde ausüben. Die Beschränkung in Betreff christlicher Dienstboten wurde gleichfalls aufgehoben. Sie wur¬ den zu Kontrakten aller Art befähigt, konnten Grundeigenthmn erwerben und testamentarisch verfügen, und. erlegten dieselben Gerichtsgebühren, wie alle andern. So waren sie in vielen Dingen christlichen Nationen gleichgestellt. Das Judenviertel in Livorno bestand und besteht nicht in einem von der übrigen Stadt abgesperrten Quartier, sondern in dem ganzen südlichen Theile der Stadt, die man jetzt, nach¬ dem seit 1835 die Vorstädte von der neuen Ringmauer um¬ schlossen worden sind, die innere nennen kann. Dieser Theil ist. nicht gerade der schönste, aber doch in jeder Hinsicht an¬ ständig und geräumig. Hier wohnten sie Anfangs Alle, nach¬ mals aber wurde diese Verpflichtung ihnen erlassen, und sie konnten sich ankaufen oder einmiethen, wo sie nur wollten, nur nicht in der Via Ferdinand«, der schönen Hauptstraße der Stadt. Allmahlig wurde ihnen selbst dieß gestattet, die mei¬ sten blieben indeß in der bezeichneten Stadtgegend. Hier ist auch ihre große Synagoge; an Umfang und Schönheit steht sie nur der zu Amsterdam nach, und während die Fagade nichts Ausgezeichnetes hat, gewährt das Innere mit den ho¬ hen gewölbten Räumen und den mit Balustraden versehenen umlaufenden Galerien der Emporkirche einen in.seiner Art imposanten Anblick. Neben dieser Synagoge haben sie noch zwei kleinere und verschiedene Bethäuser. Daß der mosaische Kulms in Livorno ohne Beschränkung geduldet ist, braucht kaum gesagt zu werden. Diese Freiheit, so wie die Befugniß zu Anlegung von Schulen bildet eine der Hcruptbestimmungen der Feidiuandischen Gesetzgebung, welche die Juden auch vor zelotischen Bekehrungselfer schützte. Niemand durfte israeliti¬ sche Kinder unter dreizehn Jahren ohne Erlaubniß der Eltern taufen, . wenn solche Kinder nicht in dringender Lebensgefahr j sich befanden. Den Vätern wurde speziell gestattet, ihre Km- ! Verlag von {S. 4 Fritzsche. der, wenn sie christliche Katechumenen waren, ungestört zu be¬ suchen, und die Bestimmungen päpstlicher Bullen, welche ver¬ ordnten, daß der hebräische Vater dem zum Christenthum be¬ kehrten Sohn das Pflichtcheil seines Erbes vor der Zeit zu- komm-'N lassen müsse, erlangten in Toscana nie gesetzliche Kraft. (Fortsetzung folgt.) Personalchrourk und Miseellen. Sir Isaak Lyon Go 1 dsrnith ist der erste Jude, der zu der Ehre der Baron etschaft gelangte. Er war stets ein eifriger und zuverlässiger Liberaler. Zur Geschichte des Handels im Mittelalter. Der kenntnißreiche Buchhändler und Antiquar A. Asher in Berlin arbeitet jetzt an dem 3. Bande der bekannten Itine- raiy und will in demselben, nach Benjamin von T. Notizen, eine Geschichte des Handels im Mittelalter liefern, von welcher wir uns auch wichtige Aufschlüsse für eine unserer belebtesten Zeitfragen versprechen dürfen. * * * Ein Monument Mendelssohns. Während in Berlin der greise Sohn des jüdischen Philosophen, Herr Jo¬ seph Mendelssohn, eine große Ausgabe der Mendels- sohn'schen Werke bei Brockhaus veranstaltet, die an Umfang und Reichthum alle bisherigen Ausgaben weit überragen soll, macht Herr Cahen in Paris, der Redakteur des Archive* Lsraelites de France, einen Aufruf an die Israeliten Deutsch¬ lands und Frankreichs bekannt, dem unsterblichen Verfasser des Phädon ein Monument zu setzen, da er der Schöpfer des mo¬ dernen Judenthums und Begründer einer wohlchatigen Aufklä¬ rung unter den Israeliten ist. Französisch - jüdische Journalistik. Frankreich steht in Bezug auf jüd.-specielle Journalistik Deutschland nach, und die Versuche, um solche dort in's Leben zu rufen, haben sogar mehr als ein blos bibliographisches Interesse. In Pa- ris wurde im Jahre 1817 eine jüdische periodische Schrift be¬ gründet, welche den Titel führte: LMsraelite fra-ngais. ein Vorbild der jetzt dort erscheinenden: Archive* Jsraelites de France. Diese Zeitschrift hatte drei Redactorerr, A. v. Co- logna, Groß-Rabblner und Präsidenten der Israeliten in Paris, Sarchi, einen ausgezeichnetes Orientalisten, und Mi¬ chel Berr, einen (hörigen Schriftsteller aus Nancy. Aus Mangel an Theilnahme konnten nur zwei Jahrgänge erscheh um. Im Jahre 1837 hat ein jüdischer Gelehrter Bloch in Stcaßburg eine Zeitschrift herauszugeben begonnen, welche den Titel: „La Regeneration“ führte, die sich aber ebenfalls nur zwei Jahre halten konnte. Eine bessere Aufnahme hat oafür Herr Cahen in Paris gefunden, der seit 1840 die Mo¬ natsschrift: Archive* lsraelites herausgibt. A. P. Z. Druck von I. H. M a $ t i. |